Ein Artikel aus den letzten Tagen, der wieder einmal zum Thema Kontexte der Schulpsychologie passt regt hoffentlich dazu an, sich damit auseinanderzusetzen, welchen Einflüssen Beratungspraxis unterliegt.
Für manchen mag das wieder ein Beleg dafür sein, dass ich mich vom Feld der Schulpsychologie entferne. Ich sehe das selbstverständlich anders. Schulpsychologie spielt sich in einem gesellschaftlichen Umfeld und Klima ab, das sich auf Klienten, Praktiker und auf die Art und Weise ihrer Interessenvertretung auswirkt.
Wie Leserinnen und Leser vielleicht schon bemerkt haben, nehmen Spannungen im Feld Schule zu. Wie auch der Druck auf Schüler und Schülerinnen und Personal zunimmt. Seit Corona und Krieg mit wachsendem „Schwung“. Offensichtlich ist, dass sich die Lebensverhältnisse für viele Menschen weiter verschlechtern, ganz zu schweigen von der Stimmung in Familien und Gesellschaft. Sorgen, Ängste, schwindende Zuversicht lassen sich nicht mit Zureden und Ablenken kleinmachen.
Wer als Psychologe oder Psychologin eigenen humanitären Ansprüchen, wie sie von den Berufsverbänden vielfach artikuliert werden, gerecht werden will, kommt nicht umhin, sich auch politisch zu positionieren. Zum einen ist man ja selbst Betroffene, mag im „Fremden“ das Eigene wiederkennen (hoffentlich bewusst und reflektiert), was einen Ansatz für eine Haltung der Anwaltlichkeit und Solidarität befördern könnte. Zum anderen könnte sich das Bewusstsein schärfen, dass nicht jegliche Veränderung vom Einzelnen abhängen kann, wenn institutionell und politisch Desinteresse, Missachtung und Ausschluss signalisiert werden. Die Neiung zu Psychologisierung braucht das Gegengewicht eines wachsenden Bewusstseins für die gesellschaftlichen Bezüge individuellen Handelns.
Das zu durchdringen erfordert Meinungsbildung, Dialog und schließlich Öffentlichkeit. Unvereinbar mit Konformitätsverlangen und sei es als „Solidarität mit …“ getarnt. Berufsverbände und Gewerkschaften sollten mehr als bisher geschehen Plattform und Rückendeckung für offenen Debatten geben geben – und die berufsständischen Ambitionen in den Hintergrund rücken. Mit der Formel der Delegitimierung des Staates ist eine Allzweckwaffe zur Einschüchterung und Vereinzelung geschaffen worden, wie Norbert Häring kürzlich auf erschreckende Weise anschaulich zeigte. Psychologen und Psychologinnen sollten sich gegen Behinderungen und Einschränkungen der Meinungs- und Denkfreiheit zur Wehr setzen – es ist auch ihre Luft, die sie zum Atmen brauchen.