Erhalten die Kinder mit den schlechtesten Lernvoraussetzungen die besten Schulen?

Eine auf Berlin bezogene Untersuchung lässt daran Zweifel aufkommen. Solange es geht, die Probleme ignorieren, scheint die Strategie zu sein. Nur ein Skandal aktiviert die Politiker’innen.

Marcel Helbig und Claudia Roth vom Wissenschaftszentrum Berlin veröffentlichten eine Pressemitteilung und eine Studie, die den Verdacht aufkommen lassen, dass Politker’innen nicht kontinuierlich an der Chancengleichheit arbeiten. Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass sie an Bildungssegregagtion und an der Spaltung der Gesellschaft aktiv mitwirken – sei es durch Unterlassung oder Verschleierung.

In einem Interview mit den Nachdenkseiten macht Marcel Helbig für Hamburg eine Ausnahme. Es investiere und versuche die Probleme in den Griff zu bekommen.

Fünf Bildungsmythen

Jutta Allmendinger schrieb schon vor einer Woche über Bildungsmythen. Dauerbrenner der Politik und der öffentlichen Debatte. Und sie macht darauf aufmerksam, dass Lernen in verrottenden Gebäuden ein Angriff auf die Motivation ist.

Bildung – früher eine eigene Rubrik in den Zeitungen – findet inzwischen als Unterabteiliung von Wirtschaft statt. Der oben verlinkte Artikel fand sich auf der Wirtschaftsseite der SZ. Ein Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 11.8.2019 über den Schulleiter’innenmangel fand sich ebenfalls auf der Wirtschaftsseite der Printausgabe. Auf der Website habe ich den Artikel nicht gefunden.

Nun ist der Artikel doch aufgetaucht – hinter der Paywall: Schulleiter dringend gesucht

Bildungsarmut – und wer profitiert?

Gepflegte Atmosphäre im Auditorium der Hafencity-Universiät. Kühler, sachlicher Beton, die Längsseite besitzt eine lange und hohe Glasfront. Weltoffenheit, wie die Architekten sie uns vorführen. Der Blick schweift über die Elbe, zu den Elbbrücken und zu den Hafenanlagen. Die Hafencity, ein am Reißbrett entstandener Stadtteil, mit Bürogebäuden und Wohnungen. Überwiegend im hochpreisigen Segment. Die Wände sind kahl, keine Parolen, keine Aufrufe. Die versammelten Expert’inn’en sprechen ruhig, wie vor einem Konzert. Das Thema: Illusion Chancengleichheit. Wer bleibt im Bildungswesen auf der Strecke?

Es handelt sich um die 8. Konferenz zur sozialen Spaltung in Hamburg. Von der Spaltung bekommen wir hier und bei der Anreise im Stadtteil nur eine Seite mit. Ein Ort der Geldanleger  und der Vermarktung moderner Stadtpolitik. Von der anderen Seite der Spaltung erfahren wir, wenn wir von den dunklen Seiten missratener Schulstrukturpolitik und von den Anstrengungen der Lehrer’inn’en und Helfer von Fördereinrichtungen hören. Und von der Ungeduld gegenüber einem „Weiter so“ der akribischen Datensammlungen, die immer wieder die tiefer reichende Spaltung feststellen, ohne dass politische und schulpolitische Richtungsänderungen folgen. Veranstalter ist die Arbeitsgemeinschaft Soziales Hamburg.
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Bildung spaltet – mit staatlicher Förderung

Wie Verfassung und Inklusionsgebot unterlaufen werden

„Die gegenwärtige Verwaltungspraxis ignoriert diese verfassungsrechtlichen Vorgaben teilweise in einer Weise, die unseres Erachtens als ‚Missachtung‘ bezeichnet werden muss. Dies ist nicht nur aus rechtsstaatlicher Sicht besorgniserregend, sondern fördert eine Entwicklung, welche die ohnehin problematische soziale Segregation in den Schulen weiter forciert.“

Unerwartet krass fällt das Fazit einer Untersuchung aus, über die die taz berichtet.

Wie öffentliche Schulen zielstrebig zu Schulen der Wirtschaft werden

Immer weniger stehen Schülerin und Schüler im Mittelpunkt der sogenannten Bildung. Die Orientierung der Lehrpläne an singulären Kompetenzen und die Vernachlässigung des Nachdenkens über Zusammenhänge, Interessen und emanzipatorische Aufgaben von Bildung schreiten voran.

In einem längeren Artikel führt Magda von Garrel das auf den Nachdenkseiten aus.

Wenn eine Mehrheit der Leiter von Stadtteilschulen in Sorge ist,

sorgt das den Senator Ties Rabe nicht. Sein Lösungsvorschlag: Die Schulleiter sollten ihre Arbeit tun

Vor den Sommerferien veröffentlichten 51 von 59 Schulleitern einen Brief, in dem sie davor warnten, die Stadtteilschulen könnten scheitern.

Hier der Bericht der Welt und hier ein Interview in der Zeit.

Hier eine karge Pressemitteilung, von der man nicht genau weiß, ob sie sich auf die Angelegenheit bezieht.

Nach den Ferien kam die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze zu Wort.

Man darf vermuten, dass die Schulleiter es sich mit ihrer Wortmeldung nicht leicht gemacht haben. Der Senator ist bekannt dafür, dass er mit Kritikern rabiat umgehen kann. Beteiligung und Fachwissen der Praktiker einzubeziehen, ist seine Sache nicht. Noch dazu, wenn sie sich seinen Großplanungen und seiner Tonnenideologie („Graf Zahl“) nicht beugen.

Der Mikrokosmos der Bildungsbenachteiligung

oder die Ordnung der Dinge

Somit stellt sich die Frage, wie stark die Erfahrungen der Lehrer_innen in der Entwicklung des Bildungssystems überhaupt berücksichtigt werden und ob die Logik des mehrgliedrigen Schulsystems nicht längst überholt ist.

Hier geht es zum Artikel Das Fundament der sozialen Schere

http://wasbildetihrunsein.de/2016/09/12/das-fundament-der-sozialen-schere/

 

Von Tests, Algorithmen, Persönlichkeit, Individualität, Genen und Umwelt

Von Tests zu Algorithmen ist es kein weiter Weg. Was in beiden Verfahren auf der Strecke bleibt, ist die Sensibilität für die besonderen Umstände des jeweiligen „Falls“, der ja immer ein lebendiger Mensch ist, dem das Recht auf und die Fähigkeit zur Veränderung nicht abgesprochen werden darf.

Götz Eisenberg befasst sich mit dem anscheinend unaufhaltsamem Drang, menschliches Verhalten industriell und in großem Maßstab vorherzusagen und zu kontrollieren. Nahezu zwangsläufig mündet das in eine Gesellschaft voller Überwachung. Das Überprüfen und Sortieren mit mehr oder weniger verlässlichen Tests nimmt nicht zuletzt in Schule zu, im Namen der Gerechtigkeit und bestmöglicher Förderung.