Maske und Maskenpflicht zwischen Verbot der Gesichtsverhüllung und Gesundheitsschutz

Manchen gilt die Maske als Demutsgeste und Einverständniserklärung mit der Regierungspolitik (und lehnen sie ab), anderen gilt sie als ein leicht zu nutzendes Mittel, wenigstens „etwas“ gegen die Pandemie tun zu können. Zwischen fraglicher Evidenz, Solidaritätbekundung mit den Gefährdeten und Belastung für Träger’innen tun sich zahlreiche Widersprüche auf. Christof Kuhbandner hat sich mit den Empfehlungen der Regierungen für die Maske, den möglichen Folgen für Träger’innen und den negativen Folgen einer Gesichtsverhüllung, wie Regierungen sie einst formulierten, befasst.

Übrigens befasst sich Christof Kuhbandner (ebenfalls bei Heise.de) in mehreren Artikeln mit den methodischen Unzulänglichkeiten und Schwächen der Datenerhebung zu Corona und ihrer Kommunikation in die Öffentlichkeit befasst. Nützlich für alle, die sich mit Statistik und ihren Methoden befassen (müssen).

Kränkung: Gar nicht so neu – jetzt mit Neurobiologie

Im Beitrag auf Deutschlandfunkkultur wird das Thema Kränkung abgehandelt, als sei man vollständig neuen Einsichten auf die Spur gekommen. Nachdem er hart an der Grenze zur Psychologisierung und zur Vernachlässigung der sozialen Seite des Themas entlangwandelt, greift er aber doch dankenswerterweise die Möglichkeit der Ablenkung von sozialen Konflikten auf, die in der Kaprizierung aufs Individuum liegt. Deshalb: bitte bis zum Ende durchhalten.😉

Bildung als Tauschhandel

PISA – hört das denn nie auf

Der schlechte Zustand der Schülerinnen und Schüler in unserem Land wird wieder einmal beklagt. PISA. Ach ja PISA. Es werden bald 20 Jahre sein, dass es so geht. Und immer wieder wird uns verkündet, dass es jetzt aber endlich losgehe. Wir ganz vorne. BRD ist jetzt Bildungsrepublik D. Famos. Und nun wieder das. Einige Punkte schlechter. Besessen von der Magie der Zahl, unberührt von Ungenauigkeiten der Messung, unberührt von der Frage, was da eigentlich gemessen wird, wird wieder Stimmung gemacht. Die verflüchtigt sich dann bald wieder. Bis zur nächsten PISA-Untersuchung.

Fatal: Zählen, Messen, Vergleichen

Man könnte so vieles machen: Sich fragen, was da gemessen wird. Sich fragen, was als Leistung gilt und wie sie in Zahlen gefasst werden kann. Und ob es nicht gerade der Fetisch des Messens, Zählens und Vergleichens sein könnte, der in die Abgründe des Versagens führt. Sie wissen nicht, was gemeint sein könnte? Lernen sollte einen Sinn haben, Fragen und Themen berühren, die mich betreffen. Geschieht das nicht? Immer weniger. Wie das?

Kompetenzorientierung

Zum Beispiel mit der Kompetenzorientierung. Da kommt es nicht auf die Inhalte an, mit denen man sich auseinanderzusetzen hätte. Die Inhalte dienen als Mittel zum Erwerb von Methoden. Das Lernen wird mehr und mehr kontextfrei. Der Knackpunkt dabei ist: Die Suggestion, etwas lernen zu können, ohne sich mit konkreten Inhalten beschweren zu müssen. So beschreibt es Ralf Klausnitzer im Freitag Nr. 48 vom 28.11.2019. Das Lernen für die Prüfung, für credit Points, entfremdet persönliches Erkenntnisinteresse und Lernen.
Sich auf einen Inhalt einzulassen, ist eher hinderlich. Das, was gelernt werden könnte oder sollte, zerbröselt zu bedeutungslosen Puzzlestücken. Sie ergeben keinen Sinn, schon gar nicht für das eigenen Leben. Bestenfalls sind sie kurzfristig für Prüfungen abrufbar.

Verstehen

Es geht ums Verstehen. »Verstehen ist schwer. Es gibt dafür keine Rezepte mit wohlfeilen Anweisungen«, schreibt Johannes Berning in der derselben Zeitung. Es scheint so, als käme es in Universitäten (immerhin die Ausbildungsstätten der Lehrer’innen) und Schulen immer weniger aufs Verstehen an. »Inhalte haben keinen Gebrauchswert mehr… Inhalte interessieren vielmehr nur noch ihres Tauschwerts wegen: Leistung gegen Guthaben.« Damit wird der geistige Leerlauf gepflegt und gepäppelt. »Erst verschwinden die Inhalte. Dann das Denken.« Da hilft keine Methodenverfeinerung. Sondern nur Denken. Mit Inhalten.

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Regulieren, steuern, optimieren – ist das die Zukunft der Schulpsychologie?

Anmerkungen zur Emotionsregulation

Emotionsregulation. Das muss ein immenser Markt sein, wenn man sich den Auswurf zu Gemüte führt, der einem entgegenschwallt, gibt man den Begriff in die Suchmaschine ein. Der Zugriff aufs Subjekt treibt die Forscherinnen an. Nun im neuen Gewand und – vielleicht – mit noch größerer Präzision, in technischer, dem Anschein nach neutraler Redeweise. Weiterlesen „Regulieren, steuern, optimieren – ist das die Zukunft der Schulpsychologie?“

Respekt vor Persönlichkeit oder Klassifizierung?

Unzulänglichkeiten der Typisierungskataloge von ICD und DSM

Das hier zur Debatte stehende Thema ist wahrhaftig nicht nur eines der Psychiatrie, sondern auch der Psychologie und psychologisch fundierter Beratung. Psychologie in Schule und Gesundheitswesen und anderen Einrichtungen steht unter dem Druck, sich für die geforderten Anpassungsaufgaben als nützlich zu erweisen. Sie gibt dafür in Ausbildung und Praxis der Illusion nach, menschliches Verhalten ließe sich vermessen. Sie gibt der Illusion nach (und sie verstärkt sie), typ- und symptomgerecht − also industrialisiert und kostengünstig  − die geforderte Leistung erbringen zu können. Zum Schaden der Empfänger von Hilfe, der Professionellen selbst und der beteiligten Professionen.

Der Psychiater Norbert Andersch schreibt hier in einem Artikel der jungen welt, welche Probleme aus der reduktionistischen ICD, DSM,Evidenzbasierungs-Logik entstehen. Und er macht Vorschläge, welche Richtung Psychiatrie und Psychologie einschlagen könnten, damit die Dinge besser werden. Wer sich weiter damit befassen möchte, findet wohl hier weiteren Aufschluss.

 

Nur wenige junge Psychiater, Neurologen und Psychologen haben noch Zeit und Lust, die Vereinnahmung in einen industrialisierten Medizinbetrieb zu hinterfragen. Aufgewachsen in der scheinbar verifizierbaren Welt evidenzbasierter Psychiatrie, und widerstandslos adaptiert an das »Processing« ihrer Patienten durch standardisierte Behandlungsschritte toleriert die große Mehrheit die Schubladendiagnosen der Klassifikationssysteme und deren philosophische Grundierung durch eine phänomenologische Psychopathologie, vermittelt diese doch zumindest auf dem Papier den Eindruck, der einzelne Patient werde gehört und seine Individualität bestimme den Gang der Therapie – auch wenn jeder Mitarbeiter psychiatrischer Einrichtungen weiß, dass das pure Fiktion ist.

Hilfreich für das wirkliche Verständnis der komplizierten Kommunikationsstörungen, die psychischen Erkrankungen zugrundeliegen, wäre ein tätigkeits- und gestaltorientiertes Modell, das als interaktive, muster- und symbolbasierte Matrix menschlicher Bewusstheit verstanden werden sollte.

 

Uns geht’s doch gut

Oder haben wir es mit struktureller Gewalt zu tun?

In diesem Artikel der Nachdenkseiten wird uns die Einkommensentwicklung der letzten Jahrzehnte dargelegt. Ich erwähne ihn, weil es nicht zuletzt die Einkommen und Existenznöte von Kindern, Eltern und Lehrern sind, die Lern- und Lehrklima und die Motivationen prägen.

Der Vormarsch pharmakologischer Verhaltenssteuerung − kein Problem?

Götz Eisenberg konstatiert einen »pharmakologischen Seelenmord«

In der Bildung und in den Berufsverbänden der Psychologinnen und Berater spielt die pharmakalogisch und medizinisch fundierte Verhaltensoptimierung keine Rolle. Diese Form der »Optimierung«  bricht jedoch mit allem, was Bildung und Berufsverbände als Ziel und Zweck von Schule beschreiben. Dennoch halten sich Kritik und Verurteilung in engen Grenzen, sowohl von staatlicher Seite als auch von der Seite der Professionen.

Eltern beschreiten den Weg zu Arzt und Apotheker auch deswegen, weil sie sich selbst an den Modus der pharmakologischen Moderation von Konflikten gewöhnt haben und bei jeder Gelegenheit irgendein Medikament einnehmen. Das als „Unternehmer seiner selbst“ konzipierte Subjekt muss bei Strafe des Untergangs lernen, sein als Störfaktor auftretendes Seelenleben mittels Drogen und Medikamenten zu regulieren und auf Vordermann zu bringen.

Sind die Verstrickung und Verwobenheit, vielleicht auch die mehr oder weniger geahnte Komplizenschaft der Institutionen und Menschen größer als wir wahrhaben wollen? Können wir den »pharmakologischen Seelenmord« hinnehmen, obwohl die vermeintliche Optimierung doch tief in die Körper und Persönlichkeiten eingreift?

Götz Eisenberg breitet unterschiedliche Facetten des Themas aus und regt an, die eigenen und gesellschaftlichen Werte / Leitlinien des Unterrichtens und Beratens zu hinterfragen

 

 

Und? Was wird nun aus Europa?

Abschied von der Demokratie – und ihren Bildungszielen

Ab und zu ist es notwendig, den mehr oder weniger fachlich begrenzten Blick zu heben. Wenn er sich dann auf das allgemeinpolitische Geschehen richtet, kommen Beunruhigung und Unglaube zum Vorschein. Genau genommen läuft es jedoch andersherum. Die Nachrichten lassen einen fragen: Welche Wirkung hat das politische Geschehen auf Bildung, Beratung, Lernen? Die Verfassungen und Schulgesetze legen uns nahe, Schule und Erziehung auf Humanität und Solidarität auszurichten, auf die Achtung der Menschenwürde. Und nicht zuletzt auf eine Demokratie, die der Humanität verpflichtet ist.
Und was erleben wir in diesen Tagen, wenn auch nicht erst in jüngster Zeit? Eine Erosion der Demokratie, des Mitgefühls, der Vernunft, der Humanität. Weiterlesen „Und? Was wird nun aus Europa?“

Depression – das erschöpfte Selbst. Eine Ausstellung

In Hamburg gibt es für wenige Wochen eine Ausstellung — Krankheit als Metapher —, die Depression und ihre Entstehung in einen sozialen Kontext stellt. Der Bericht in der taz ist informativ und anregend. Im Unterschied zu den gängigen Interpretationsweisen, wie sie nicht zuletzt in Schule eine Rolle spielen, gilt der diagnostische und therapeutische Blick nicht allein dem überforderten Individuum. Auf die Einengungen und Unzulänglichkeiten des Depressionsbegriffs bin ich hier schon einmal eingegangen.