Das Schweigen zur Zeitenwende

Wie man hören kann, befinden wir uns in einer Zeitenwende. Wenn das stimmt, hätte das bestimmt auch Folgen für die Schulpsychologie und für Schule. Wenn überhaupt, ist jedoch wenig von den Berufsverbänden und von den Gewerkschaften dazu zu vernehmen. Es scheint so, als hielten alle die Luft an in der Hoffnung, die schlechten Gerüche der Gegenwartspolitik würden vorüberziehen und wir könnten bald wieder frei atmen.

Solche Art Lähmung überrascht, stellen doch Berufsverbände und Gewerkschaften in ihren Satzungen und Verlautbarungen immer wieder ihre humanistischen Ambitionen heraus. Und wer wollte bestreiten, dass in diesen Zeiten die Würde des Menschen, die Persönlichkeitsrechte auf Entwicklung und Entfaltung gefährdet sind? Allein schon die Ausweitung der Gewaltzonen fern und nah und die Verächtlichmachung von Diplomatie, Zuhören, die Untergrabung der Beritschaft zur Rollenübernahme, die Zerstörung der Fähigkeit zu historischer Analyse sind Schäge gegen Grundprinzipien der Pädogogik und Psychologie.

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Stimmen für Aufarbeitung

Wenn Berufsverbände und Gewerkschaften Interessenvertretung sein möchten, könnten sie sich in die Corona-Aufarbeitung einmischen und für die Gesellschaft wichtig werden. Tun sie es nicht, wird das ihrer Reputation schaden. Hier noch einmal in prägnanter Form einige der kritschsten Punkte:

»Was ich von verantwortlichen Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern und Richtern erwarte, ist deshalb nicht die Aussage „Ich habe es nicht besser gewusst“, sondern „Ich habe mich geirrt, wir haben unseren Entscheidungen falsche Annahmen zugrunde gelegt und viele derjenigen, die wir kritisiert, geschädigt, ausgegrenzt und diffamiert haben, hatten recht mit ihrer Kritik an unseren falschen Entscheidungen, und deshalb bitten wir sie um Entschuldigung“. Darüber hinaus wären nicht nur juristische Konsequenzen für die Verantwortlichen sowie Entschädigungen für die Opfer der Corona-Politik erstrebenswert, sondern vor allem sollte durch eine breite gesellschaftliche Debatte sichergestellt werden, dass sich ein solches Unrecht nicht wiederholen kann.«

aus der Berliner Zeitung und zum vollständigen Artikel.

Wie halten wir es mit der Digitalisierung der Schulen?

Eine Leseempfehlung: Einsprüche zur geplanten Schuldigitalisierung – Ein Lehrer meldet sich zu Wort

Die Corona-Krise, die eine Politik-, Medizin-, Medien- und Berufsverbände-Krise war, sollte mit Hilfe von Digitalisierung der Schulen gelindert werden. Sie sollte, wovon schon vor Corona die Rede war, Wissen leicht zugänglich machen und die Lernprozesse individualisieren. Von solchen Erfolgen ist nichts zu hören. Vielmehr hören und lesen wir davon, dass noch immer Schülerinnen und Schüler unter den Folgen der Krise leiden und ganz besonders diejenigen, die aus den „falschen Elternhäusern“ kommen. Die soziale Frage also war und ist wieder einmal ausschlaggebend dafür, dass sich für diese bestimmte Gruppe die Nachteile ganz besonders anhäuften.

Offensichtlich ist es so, dass unreflektierte und unkritische Digitalsierung deutlich mehr Schaden anrichtet als dass sie Nutzen schafft. Eine von menschlicher Beziehung und Bindung „befreite“ Digitalisierung scheint zu einer Atomisierung, Zersplitterung und Vereinsamung der Menschen zu führen – mit einem Anwachsen selbstzerstörerischer und sozial zerstörerischer Folgen. In Schweden und Dänemark hat man dazu Fforschungen angestellt und nun die Bremse gezogen. „Zurück zum Buch“ ist eine der Schlussfolgerungen – samt der Bitte um Entschuldigung von Ministern gegenüber der Schülerschaft für die überzogene Digitalisierung des letzten Jahrzehnts.

Wir sind mit den Risiken einer Reduzierung von menschengebundener Autorität konfrontiert. Das beschreibt Bernd Schoepe in einem längeren Artikel, (Einsprüche zur geplanten Schuldigitalisierung – Ein Lehrer meldet sich zu Wort) aus dem hier nur kurz zitiert sei:

Das geht jetzt schon einher mit dem Verlust des Ansehens und der Autorität der Lehrpersonen. Der Lehrer wird nicht mehr als eine Instanz des Wissens, der Kritik und der gesellschaftlichen Integration und als fachliche, aber auch ethisch-moralische Autorität in der für die Ziele von Schule notwendigen erzieherischen Praxis anerkannt, und zwar weder von den Schülern noch den Eltern noch gar von den Schulverwaltungen. Vielmehr wird er
auf die Rolle des Dienstleisters reduziert, der sich im Auftrag der IT-Industrie auf das Moderieren, Überwachen und Nachsteuern von Lernprozessen beschränkt, die an einen messenden und sich auto-regulativ steuernden Maschinenkreislauf mit kybernetischen
Feedbackschleifen delegiert werden sollen.

Nun haben wir es also mit zwei Verwüstungen zu tun: mit der der Digitalisierung und mit der mit ihr verwobenen Verwüstung der Schulschließungen in Verbindung mit Corona. Und immer noch schweigen die Gewerkschaften und Berufsverbände.

Tatsächlich sind auf Lehrer- und auf Schülerseite aus demokratischem, volkswirtschaftlichem und aus menschlich-ethischem Interesse Persönlichkeiten gefragt, die Beziehung und Bindung eingehen können und wollen, die in der Lage sind, eigenständig zu denken und Veranwortung übernehmen – und fähig sind, zu hinterfragen.

Aufarbeitung dringend erforderlich

Vier Jahre ist es her, dass die Pandemie ausgerufen wurde. Ein beispielloses Unternehmen der Reglementierung, Einschüchterung und der Außerkraftsetzung wissenschaftlicher Regeln begann. Wissenschaftler, Politiker und last but not least Journalisten waren in dieses fragwürdige Unternehmen verwickelt.

Zu diesem Jahrestag gab es einige leise Stimmen. Einigen Menschen wird bewusst, welch prägende, destruktive Wirkung ein Weiterso bedeuten würde. Es ist wie mit Missbrauch und Gewalterfahrung, wenn sie nicht ans Licht und an das Bewusstsein gelangen dürfen. Sie entziehen Lebenskraft und verhindern Vertrauen. Hier eine Einzelstimme, die ein Plädoyer für Aufarbeitung ist:

Schließlich wende ich mich der Rolle von Wissenschafts- und Medizinerorganisationen zu. In diesen Fällen muss man strengere Maßstäbe anlegen. Ein Politiker kann sich auf fehlende Kompetenz und fehlerhafte Beratung berufen. Ein Wissenschaftler oder Mediziner, der wegen seiner selbst wahrgenommenen Kompetenz in die Öffentlichkeit gegangen ist, kann das nicht.

Der Kampf um Demokratie und die eigene Angst


Die Schulministerin für NRW, Dorothee Feller, ruft in der Neuen Westfälischen dazu auf, dass Lehrer und Lehrerinnen, am besten mit ihren Schülerinnen und Schülern, zu Demos gegen rechts, gegen Rechtsextremismus, gegen Demokratiefeinde gehen sollen. Offensichtlich soll dieses Nudging, dieses Anstubsen und Schubsen Lehrer und Schüler in eine regierungsgenehme Richtung zu drängen. Von selbst kämen sie wohl nicht darauf, in eigener, freier und urteilsfähiger Entscheidungskraft zu Demonstrationen zu gehen, könnte man meinen.

Die Ministerin will sich an die Spitze einer Bewegung stellen, sie selbst habe kürzich an einer Demonstration teilgenommen, berichtet sie. Gutes bewirken, wo doch sonst so wenig gelingt, Wählerstimmen verloren zu gehen drohen, der Sinn und Zweck vieler politischer Entscheidungen so schlecht kommunizierbar erscheinen, die Menschen also einfach nicht begreifen wollen, wie gut die Regierenden es doch meinen.

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Raus aus der unreflektierten Digitalisierung

Dänemark und andere skandinavische Länder wollen die Dichte und (Fast-) Auschließlichkeit digitaler Arbeitsmaterialien zurückfahren. Dazu gibt es hier einen Artikel aus der Süddeutschen und einen Tagungshinweis (Mitte April) der Gesellschaft für Bildung und Wissen.

Beim BDP war „Digitalisierung“ hier schon einmal Thema (Februar 2023). Von der Sektion Schulpsychologie habe ich auf der Website keine Stellungnahme gefunden. Dem Anschein nach hat Digitalisierung vermutlich überwiegend im Zusammenhang mit Datenschutz und dem Gesundheitswesen eine Rolle gespielt.

Sehr ablehnend gegenüber der bisherigen Praxis hat sich die Verbraucherschutzorganisation „Diagnose: Funk“ positioniert. Sie weist auf die Folgen von Strahlung, von Bewegungsmangel und auf schädliche Folgen für die Augengesundheit hin.

Über die, die an der Sache und für die Sache arbeiten (Sachbearbeiter) …

… und über die Meta-Beschäftigten

Einen anregenden Artikel hat Gunnar Jeschke über Organisationsentwicklung geschrieben und über die korrespondierenden politischen Prozesse .

Der weltgeschichtliche Höhepunkt unserer wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit beruht auf einer nie vorher dagewesenen Qualität und Breite der Ausbildung, also auf einem hohen Anteil von Menschen, die auf ihrem Arbeitsgebiet tiefe Sachkenntnis besitzen. Zudem beruht dieser Höhepunkt auf einer nie vorher dagewesenen Organisiertheit der Gesellschaft. Die Arbeitsteilung ist fein ziseliert und die Verlässlichkeit der einzelnen Arbeiter und Institutionen sehr hoch. Was die Verlässlichkeit betrifft, so ist zumindest in Deutschland und der Schweiz der Höhepunkt bereits überschritten. Schon daraus folgt, dass es auch wirtschaftlich und gesellschaftlich tendenziell bergab gehen wird. Messungen, wie etwa die Pisa-Studien legen auch nahe, dass auch die Sachkenntniss im Durchschnitt abnimmt. Betrachtet man sie im Verhältnis zu dem sich immer noch rasant entwickelnden Stand von Wissenschaft und Technologie, so geht sie ganz sicher zurück.

Ich denke, ich habe die Wurzel dieses Problems ausmachen können. Es handelt sich, etwas vereinfacht, um einen Interessenkonflikt zwischen Sacharbeitern und Meta-Beschäftigten. In diesem Konflikt können sich die Meta-Beschäftigten fast grundsätzlich durchsetzen, weil ihre Gruppe die Macht hat.

https://blog-samstagern.ch/2024/01/21/die-grosse-entfremdung/

Der Elefant im Raum

Man wird sich an ihm stoßen, er nimmt Raum ein, auch wenn niemand ahnt, wer und was da Platz einnimmt und Bewegungs- und Denkfreiheit behindert. Eine Bürde mit Langzeitwirkung

Bernd Schoepe erinnert an eine der großen Entwicklungsbremsen der Schule.

Ende 2023 hatte es hingegen den Anschein, als wollten die Pädagogen sich tatsächlich in ihrer großen Lebenslüge bezüglich der skandalösen Corona-Politik „häuslich“ einrichten. Auch wenn ich bezweifle, dass ihnen das gelingen wird, bedeutet dies erst mal kein Innehalten in dem Hamsterrad der Lernfabriken, zu denen die Schulen im Land schon lange vor Corona geworden sind, und keine Chance für die bei uns ohnehin traurig unterentwickelte Fehlerkultur. Vor allem gibt es keine Solidarität mit den zahlreichen, euphemistisch als „Kollateralschäden“ bezeichneten und an den gesellschaftlichen Rand gedrückten Leiden.

Hier geht es zum vollständigen Text.

Wie im Namen der Effizienzsteigerung die Persönlichkeitsentwicklung in und durch Schule untergraben wurde

Passend zum vorigen Beitrag ist mir ein Aufsatz „untergekommen“, der ebenfalls das Thema erhellt. Wie konnte es eigentlich zu der Bildungsmisere kommen, die alljährlich beklagt wird und zum Jahresrhythmus zu gehören scheint, wie Sommer und Winter? Nicht zuletzt das Klima der Anpassung und Autoritätsgläubigkeit trägt dazu bei, dass für Individualität und persönliche Erfahrung (auf seiten der Lehrkräfte und auf Seiten der Kinder) immer weniger Raum bleibt. Die lähmende und entmutigende Wirkung der Maßnahmen zur angeblichen Effizienzsteigerung trägt zur Gefährdung der Demokratie und zu einem Absinken der Handlungsfähigkeiten in unterschiedlichen Sektoren des Bildungssektors und darüber hinaus bei.

Der hier verlinkte Aufsatz von Bernd Schoepe auf dem Portal der Gesellschaft für Bildung und Wissen macht präzise deutlich, dass in den vergangenen 30 Jahren Mitbestimmungsmöglichkeiten und Diskussionsbereitschaft mit Instrumenten der Organisationsentwicklung zielstrebig abgebaut wurden und sich Lehrer und andere Berufsgruppen haben einschüchtern lassen. Nicht zuletzt waren und sind es auch Schulpsychologen, die sich mit Konzepten von Change Management, Steuergruppen, Kompetenzorientierung und zweifelhaften Autonomiebegriffen haben faszinieren (oder auch ködern) lassen. Als jüngst hinzugekommener falscher Lösungsvorschlag lässt sich noch die Digitalisierung des Lernens nennen.

Bernd Schoepe weist am Ende des Aufsatzes auf Beschlüsse der Kultusministerkonferenz hin, die Ansätze bieten, eine Debatte zur Demokratieförderung zu beleben. Eine (selbst-) kritische Befassung mit den demokratiefeindlichen Brüchen im Namen der Modernisierung kann das nicht ersetzen.