Schulpsychologie eigenständig und kritisch oder doch wieder gesellschaftsblind?

Wie sich leicht erkennen lässt, wird dieser Platz von mir kaum mehr bespielt. Zum einen gibt es kaum noch Veröffentlichungen von Verbänden, die Themen oder kontroverse Themen ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Wenn es etwas zu lesen gibt, hat man es mit glattgebügelten Formulierungen zu – alles im schönsten Regierungssprech gehalten. Die Rubriken „Aktuelles“ enden spätestens 2023 – und danach ist offensichtlicht nicht mehr viel geschehen, was in der schulpsychologischen Welt von Relevanz oder aktuell wäre. Eine öffentliche Schulpsychologie, in der Einzelpersonen oder Verbände mit Stellungnahmen und Debatten öffentliche Schulpsychologie „machen“, findet kaum mehr statt. Und das, wo es doch gerade heutzutage vieles zu bedenken und zu besprechen gäbe.

Darüber möchte ich aber doch berichten

Nun erfuhr ich, dass es quasi nicht anders geht als nicht-öffentlich zu agieren. Dass man sich damit von Betroffenen, Beteiligten und Interessierten abschneidet, scheint nicht ins Gewicht zu fallen. Mir wurde gesagt, dass die ehrenamtliche Arbeit an die Belastungsgrenze rühre und mehr Debatte nicht leistbar sei.

Abteilungen mit multiplikatorischer Funktion seien nah ans Ministerium angebunden. Wichtige Arbeiten finden nach der Auskunft auf regionaler und lokaler Ebene statt. Man kann die Erläuterung in dem Sinn lesen, dass ein Berufsverband einfach nicht mehr „hinterherkommt“. Und dass das Lokale und Regionale – gewollt oder hingenommen – das Dominierende ist und vermutlich seine eigene Dynamik entfaltet. Vielleicht ist es so, dass jede/r und jede Ebene sehen muss, wie er und sie allein zurechtkommt. Das heißt, die kleinräumige Anpassung an die obrigkeitlichen und regierungsamtlichen Interessen brauchen sich immer weniger mit fachlichen Leitlinien, wie Berufsverbände sie entwickelten, herumschlagen. Das Diktat des aktuell Machbaren gilt; man muss sehen, wo man bleibt. Vielleicht nicht zu vermeiden, aber wohl kein Zeichen umsichtiger (Interessenvertretungs-) Politik.

Möglicherweise ist das Lob (?) des Regionalen und Lokalen tatsächlich das Allgemeine und Angestrebte, die Freiheit von Bevormundung gewissermaßen. Aber auch die Einsetzung des Rechts des Mächtigen. Die allmähliche Auflösung eigenständiger und unabhängiger und zur Geltung gebrachter Fachlichkeit. In dem Zusammenhang war es interessant zu hören, dass es bei der teilweise gewollten und sinnvollen Annäherung der Schulpsychologie an Schule zu einer Vereinnahmung der Schulpsychologie durch Schule gekommen sein könnte. Und dass es bei einer tendenziellen Annäherung an das System Schule schwierig werde, eine Metaperspektive einzunehmen. Die einst viel gepriesene Unabhängigkeit der Schulpsychologie scheint dabei unter die Räder zu kommen.

Die Dienstbarkeit der Schulpsychologie kommt also voran. Man kann das auch an Programm und Grußwort zum Bundeskongress Schulpsychologie im September 2024 erkennen. Angesichts der Ereignisse allein der vergangenen vier Jahre das Motto „Psychisch gesund in die Zukunft“ auszugeben ohne auch nur Corona und eine verfehlte Maßnahmenpolitik zu erwähnen, verdeutlicht schon eine sehr tiefe Einbettung in die Narrative der herrschenden Politik und medialen Kommunikation.

Der Bundeskongress hätte doch angesichts der Faktenlage und angesichts der nun offengelegten RKI-Files die Möglichkeit und die Pflicht, die Schädigungen zu benennen und auf dem Kindeswohl zu bestehen, das gern in den Mund genommen wird. Und auch das laute und rufschädigende Schweigen der Schulpsychologenschaft sollte ein Ende finden. Denn wie sich Schulpsychologinnen und Schulpsychologen die statistischen Grundlagen ihrer Berufsanerkennung haben entwenden lassen, ist betrüblich. Es waren nicht nur Politiker und Journalisten, wie in diesem Interview erwähnt, die geschwiegen haben.

An dieser Stelle wird es sehr interessant. Ihre Formulierung, wonach die „Anwendung einer einfachen Grundrechenart“ ausgereicht hätte, um aufzuzeigen, wie fragil die als unumstößlich präsentierten Inzidenzen sind, wirft eine Frage auf. Wie konnte eine ganze Medienlandschaft, bestehend aus Journalisten, von denen die meisten über Abitur oder gar ein abgeschlossenes Studium verfügen, an einer einfachen Grundrechenart scheitern? Auch wenn es bisweilen heißt, es gäbe Defizite in der Gesellschaft, was Mathematik angeht: Das kann doch nicht sein, dass Journalisten die Fragilität der Inzidenzen nicht erkannt haben? Haben Sie eine Erklärung?

Doch, das kann sein, und es zeigt, wie autoritätsgläubig und konformistisch unsere Gesellschaft ist und wie selten wirklich kritisches und eigenständiges Denken ist, wenn ein Konsens in der Wissenschaft suggeriert wird. Das wird einem erfolgreich in den Indoktrinationsanstalten der Bildungslandschaft abtrainiert, auch den Journalisten.

Nun. Vielleicht kommt es anders. Und Widerstand und Eigenständigkeit artikulieren sich in neuen Formen.