Psychologinnen und Psychologen für Aufklärung und Evidenzbasiertheit – gegen Manipulation und Propaganda

Kritisch-hinterfragende Haltung

Mit großer Überraschung und Freude habe ich heute über die Nachdenkseiten (hier die Erläuterung) erfahren, dass Psycholog’inn’en aufstehen können. Noch fehlen in der Reihe derjenigen, die sich zusammengeschlossen haben, die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Auch wenn der Aufruf und die Veröffentlichung nahelegen, dass es psychotherapeutisch Arbeitende sind, wären die Schulpsycholog’inn’en dort vermutlich nicht „verkehrt“, werden doch auch Kolleg’inn’en der Organisations-, Wirtschafts- und forensischen Psychologie genannt, die an dem Versuch mitarbeiten, Menschenrechtlichkeit und Sachlichkeit in die Corona-Debatte hineinzutragen.

Die Stellungnahme des BDP, die vermutlich den Widerspruch der Kolleg’inn’en auslöste, zeigt bedauerlicherweise eine völlige Übereinstimmung mit den angewendeten Maßnahmen. Wie sollen sich Menschen, die zweifeln, an den Maßnahmen leiden, Vertrauen fassen, wenn sie von ihrem Therapeuten oder ihrer Beraterin lesen oder hören, dass „alles richtig sei“ und es darum gehe,

Normen eindeutig und nachvollziehbar [zu] kommunizieren und so deren Einhaltung [zu] optimieren.

Menschen also zum Objekt eines Erziehungsprozesses werden, in dem sie durch Gelegenheit zur »aktiven Mitwirkung [ihr] Kontrollgefühl steigern« und »dem Ärger über Einschränkungen (Reaktanz) vorbeugen« sollen.

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V. (DGPs)
Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID)
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die als Autoren dieses Papiers genannt sind, dienen sich dem vormundschaftlichen Staat an und formieren ihn.

Psycholog’inn’en auf der Seite der Macht

Im Sinne dessen, dass alles so, wie es ist, richtig ist, üben sich die Autoren der Stellungnahme in Weitsicht und Schutz der politischen und sozialen Verhältnisse :

Für die langfristigen psychischen Folgen der COVID-19-Krise ist es daher von äußerster Bedeutung, ob die gegenwärtigen Ereignisse im Nachhinein als kollektive Bewältigungserfahrung und damit als gemeinsames Erfolgserlebnis oder als Misserfolgserlebnis mit Betonung gesellschaftlicher Unterschiede und negativer Erfahrungen im Gedächtnis abgespeichert werden. Im ersteren Fall werden sich die psychischen Folgen in Grenzen halten, in zweiten Fall droht dagegen eine weitere Verschärfung des bereits bestehenden Trends zu stark wachsender Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung aufgrund von Angststörungen und Depressionen.

Die Verbände plädieren für die Organisierung von Erfolgserlebnissen und bieten sich im Framing des großen Ganzen als vernünftiges Bestehendes an. Sie beugen einer möglichen »Betonung gesellschaftlicher Unterschiede und negativer Erfahrungen im Gedächtnis« vor – als ob das eine unzulässige Variante einer Verarbeitung der Krisenfolgen wäre. Man könnte dazu neigen, das für eine Verschwörung einiger psychologischer (Fach?) Verbände halten.

In Sprache und Duktus kommt die Einlassung der Verbände selbst wie eine Verordnung daher: technokratisch, imperativ, militärisch. Die Subjekte der Stellungnahme sind verschleiert. Nicht: Wir stellen Erfolgserlebnisse dar, sondern (unter Maßnahmen): Erfolgserlebnisse darstellen. Da ist für Sprachanalytiker noch viel zu holen.

BDP und andere gekapert?

Klarer und offener haben sich Verbände der Psychologinnen und Psychologen wohl nie auf die Seite der Macht geschlagen – und damit eine Vertrauenskrise heraufbeschworen. Ein Dokument der Zeitgeschichte, würde ich sagen. Wer hat den Autor’inn’en die Hand geführt? Das Innenministerium, das sich mit einem Strategiepapier schon Ende März einschaltete und als wichtiges Steuerungswerkzeug die Angsterzeugung empfahl bzw. die Autor’inn’en, denen das Innenministerium einen Auftrag gab? Ob die Fassung, die mit Datum vom 28.4.2020 im Netz steht, mit der vom März identisch ist, kann ich im Augenblick nicht beurteilen.

In der Tat gibt es zwischen dem Strategiepapier aus dem Innenministerium und dem Verbändepapier Ähnlichkeiten, wie ich finde.

Um so dringlicher und notwendiger die Reaktion der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die aufstehen.

Aus dem Leben eines Berufsverbandes

Psycholog’inn’en sind anfällig für die Verführung der Macht

So viel vorweg: Der hier verlinkte Artikel bezieht sich auf die amerikanische APA, für deutsche und internationale psychologische Berufsverbände wohl eine orientierende Größe. Sie war allerdings vor einigen Jahren in Verruf geraten, weil sie sich an Folterprogrammen beteiligt bzw. darin verwickelt war. Dieses Thema wird in dem Aufsatz noch einmal aufgenommen.

Interessant ist der Aufsatz aber noch aus anderen Gründen. Er beschreibt die Verstrickung eines Berufsverbandes mit den politisch Mächtigen. Demgegenüber missachtet er die eigene Fachlichkeit und ethische Grundsätze. So geht die Unabhängigkeit der Beratung verloren. Diese Frage taucht für den hiesigen Praktiker und die hiesige Praktikerin auf, (wenn er/sie es noch bemerkt) wenn er/sie dafür für Organisationen und Behörden für die Umsetzung einer bestimmten Politik eingesetzt sind.

Anschmiegung kann Karriere fördern und vielleicht sogar Stellen. Zu welchem Preis?

„Maulkorb von der Stadt“

Schule der Öffentlichkeit entziehen – wie demokratisch ist das denn?

Die GEW-Hamburg hatte einen Plan. Sie wollte unter Teilnahme von Lehrern, Eltern und Schülern den Stand der Dinge in Sachen Inklusion vor dem Rathaus öffentlich machen. Die Schule in den öffentlichen Raum tragen. Das kann man nachvollziehen – ist doch die Ausstattung  dieser Reform (fraglich, ob es eine Reform zum Besseren ist) umstritten. Ebenso umstritten ist, welches Verständnis von Inklusion die Behörde hat. Und schließlich geht Schule alle an – oder?

So viel Öffentlichkeit ging der Behörde zu weit, obwohl doch bei dem Projekttag auch davon die Rede sein sollte, was alles schon erreicht worden sei. Sie verbot diesen Projekttag. Der Pressesprecher der Behörde sagte laut taz, Schulen dürften selbstverständlich Projekttage durchführen, nur sich eben nicht „politisch betätigen“.

Im Newsletter der Behörde vom 7.10 – ansonsten nicht verlegen um pr-geübtes Preisen der Schulpoltik – war von der Sache nichts zu lesen.

Dank der taz darf man erfahren, was Teil der Kritik sein könnte

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