Die Neue Gesellschaft für Psychologie und ihre Zeitschrift „Journal für Psychologie“ beteiligen sich an dem Projekt des freien Zugangs zu Fachartikeln
Damit wird es leicht, sich zu informieren und wichtige Artikel unkompliziert zur Verfügung zu haben. So sind beispielsweise mehrere anregende Aufsätze zum Thema »Beratung« in der Ausgabe 1 / 2009 zu lesen.
Immerhin ist der Beratungsbegriff – auch in der Schulpsychologie und in der Schulberatung – vielfältig bis diffus und keineswegs vor dem Missverständnis geschützt, dass doch jeder Mensch beraten könne. Und zudem kommt es immer wieder vor, dass Institutionen mit Beratungsauftrag für bestimmte Zwecke instrumentalisiert werden. Dass damit Prinzipien wie Freiwilligkeit, Allparteilichkeit, Ergebnisoffenheit verletzt werden und die Vertrauensbasis – ein anderes zentrales Beratungsprinzip – riskiert werden, geht nicht selten auch den Experten durch. Eine Vergewisserung der Berufsgrundlagen kann da nur guttun.
Hier ein Auszug eines Aufsatzes, den ich für lesenswert halte:
Beratung und Ethik
Wenn sich die Bedeutung von Beratung tatsächlich in der skizzierten Richtung weiter entwickelt, ist sie mit einer ungeheuren gesellschaftlichen Verantwortung einerseits und einer speziellen Verantwortung für ihre einzelnen KlientInnen auf der anderen Seite verbunden. Die unter dieser kritischen Perspektive zu diskutierenden Fragen wären u.a., auf welche Weise und inwieweit eine institutionalisierte, hochprofessionelle Beratung auf sublime Weise zur nicht reflektierten „Verinnerlichung von Machtstrukturen“ (Foucault 1968a, 1968b) bis zu ihrer „Inkorporation“ (Bourdieu 1980) beiträgt – z.B. als Agentur für Individualisierungs- bzw. Subjektivierungsprozesse -, und wie umgekehrt erreicht werden kann, dass sie sich auch als Instanz einer kritischen Reflexion etabliert. Immerhin könnte Beratung grundsätzlich bevorzugt denen zu Gute kommen, die dafür (gut) bezahlen können, sie würde auf diese Weise soziale Unterschiede verstärken und verschärfen. Sie könnte sich auch zum Vollzugsagenten der Unterwerfung unter Ideologien entwickeln, was z.B. Scientology schon erkannt und für sich ausgenutzt hat, wovon auch die Kirchen im Zusammenhang der Schwangerschaftskonfliktberatung nicht ganz frei sind, zu schweigen von diversen wirtschaftlichen Interessen und staatlichen Überwachungs-und Kontrollphantasien. Ein institutionalisierter ethischer Diskurs wird umso dringlicher, wenn durch wissenschaftlichen Kriterien genügende Wissensgenerierung die Effektivität von Beratung deutlich gesteigert wird. Vielfältige Begehrlichkeiten sind also denkbar. Dem Schutz des (ergebnis-)offenen Diskurses und der Sicherung der Persönlichkeitsrechte muss deshalb höchste Priorität eingeräumt werden. Die Bewältigung dieser Themen können die BeraterInnen nicht individuell schultern, sondern Beratung muss so institutionalisiert werden, dass die BeraterInnen dieser Verantwortung in einem intensiven Diskurs gerecht werden können. Auf der anderen Seite könnte eine institutionalisierte Beratung als gesellschaftliches Frühwarnsystem fungieren, das sensibel sich entwickelnde Problemlagen erkennt, so dass bspw. politisch gegengesteuert werden kann.