»Die Lehrer tragen Verantwortung«

Vielleicht hilft es, hier noch einmal auf Argumente hinzuweisen, die zeigen, wie dringlich eine Aufarbeitung der Coronazeit im Bildungsbereich ist.

Und möglicherweise hilft auch dieser Artikel zu erkennen, wie fundamental die Eingriffe in den Bildungsbereich waren. Und wie tiefgreifend die Möglichkeiten eigenständigen und unabhängigen Denkens waren und sind.

Psychologinnen und Psychologen als „Change agents“

Es ist schon ein paar Tage her, dass die Nachdenkseiten einen Text von mir veröffentlichten. Es ging wieder um den BDP. Es scheint mir, als habe er es darauf angelegt, sich ganz einer Regierungspolitik zu verschreiben, die alle einst mehr oder weniger selbstbestimmten Organisationen zu Gefolgsorganisationen der Regierung zu machen. Im Mantel einer fürsorglichen Begleitung des Bürgers und der Bürgerin werden Demokratie, Redefreiheit und Wissenschaftlichkeit geschliffen. So wie der BDP das „Klima retten“ will, wird das gesellschaftliche Klima ganz sicher leiden.

Kritik an der Abwehr einer Corona-Aufarbeitung

Sich wegzuducken ist eine nachvollziehbare Reaktion, wenn man sich Fehler eingestehen muss oder – schlimmer noch – wenn das eigene Verhalten mit den eigenen Werten und Selbstbeschreibungen kollidiert. Durch Schweigen aber wird es nicht besser. Im Gegenteil: Sich wegzuducken und zu ignorieren, wovon man selbst ein Teil war und ist, kostet Freiheit, Bewegungsfreiheit im Denken. Ich habe mich in den letzten Wochen noch einmal mit dem Thema „Aufarbeitung der Coronazeit und die Rolle der (Schul-) Psychologie“ befasst. Denn zu groß ist die Kluft einer menschenorientierten Psychologie, wie ich sie. mir vorstelle, und der in den letzten Jahren erlebten Praxis. Vielleicht geht es anderen ebenso.

Der Aufsatz ist gestern auf den Nachdenkseiten erschienen. Herzlichen Dank dafür. Erfreulich ist ebenso, dass das multipolar-magazin.de heute den Aufsatz in der Empfehlungsspalte erwähnt.

Schulpsychologie eigenständig und kritisch oder doch wieder gesellschaftsblind?

Wie sich leicht erkennen lässt, wird dieser Platz von mir kaum mehr bespielt. Zum einen gibt es kaum noch Veröffentlichungen von Verbänden, die Themen oder kontroverse Themen ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Wenn es etwas zu lesen gibt, hat man es mit glattgebügelten Formulierungen zu – alles im schönsten Regierungssprech gehalten. Die Rubriken „Aktuelles“ enden spätestens 2023 – und danach ist offensichtlicht nicht mehr viel geschehen, was in der schulpsychologischen Welt von Relevanz oder aktuell wäre. Eine öffentliche Schulpsychologie, in der Einzelpersonen oder Verbände mit Stellungnahmen und Debatten öffentliche Schulpsychologie „machen“, findet kaum mehr statt. Und das, wo es doch gerade heutzutage vieles zu bedenken und zu besprechen gäbe.

Darüber möchte ich aber doch berichten

Nun erfuhr ich, dass es quasi nicht anders geht als nicht-öffentlich zu agieren. Dass man sich damit von Betroffenen, Beteiligten und Interessierten abschneidet, scheint nicht ins Gewicht zu fallen. Mir wurde gesagt, dass die ehrenamtliche Arbeit an die Belastungsgrenze rühre und mehr Debatte nicht leistbar sei.

Abteilungen mit multiplikatorischer Funktion seien nah ans Ministerium angebunden. Wichtige Arbeiten finden nach der Auskunft auf regionaler und lokaler Ebene statt. Man kann die Erläuterung in dem Sinn lesen, dass ein Berufsverband einfach nicht mehr „hinterherkommt“. Und dass das Lokale und Regionale – gewollt oder hingenommen – das Dominierende ist und vermutlich seine eigene Dynamik entfaltet. Vielleicht ist es so, dass jede/r und jede Ebene sehen muss, wie er und sie allein zurechtkommt. Das heißt, die kleinräumige Anpassung an die obrigkeitlichen und regierungsamtlichen Interessen brauchen sich immer weniger mit fachlichen Leitlinien, wie Berufsverbände sie entwickelten, herumschlagen. Das Diktat des aktuell Machbaren gilt; man muss sehen, wo man bleibt. Vielleicht nicht zu vermeiden, aber wohl kein Zeichen umsichtiger (Interessenvertretungs-) Politik.

Möglicherweise ist das Lob (?) des Regionalen und Lokalen tatsächlich das Allgemeine und Angestrebte, die Freiheit von Bevormundung gewissermaßen. Aber auch die Einsetzung des Rechts des Mächtigen. Die allmähliche Auflösung eigenständiger und unabhängiger und zur Geltung gebrachter Fachlichkeit. In dem Zusammenhang war es interessant zu hören, dass es bei der teilweise gewollten und sinnvollen Annäherung der Schulpsychologie an Schule zu einer Vereinnahmung der Schulpsychologie durch Schule gekommen sein könnte. Und dass es bei einer tendenziellen Annäherung an das System Schule schwierig werde, eine Metaperspektive einzunehmen. Die einst viel gepriesene Unabhängigkeit der Schulpsychologie scheint dabei unter die Räder zu kommen.

Die Dienstbarkeit der Schulpsychologie kommt also voran. Man kann das auch an Programm und Grußwort zum Bundeskongress Schulpsychologie im September 2024 erkennen. Angesichts der Ereignisse allein der vergangenen vier Jahre das Motto „Psychisch gesund in die Zukunft“ auszugeben ohne auch nur Corona und eine verfehlte Maßnahmenpolitik zu erwähnen, verdeutlicht schon eine sehr tiefe Einbettung in die Narrative der herrschenden Politik und medialen Kommunikation.

Der Bundeskongress hätte doch angesichts der Faktenlage und angesichts der nun offengelegten RKI-Files die Möglichkeit und die Pflicht, die Schädigungen zu benennen und auf dem Kindeswohl zu bestehen, das gern in den Mund genommen wird. Und auch das laute und rufschädigende Schweigen der Schulpsychologenschaft sollte ein Ende finden. Denn wie sich Schulpsychologinnen und Schulpsychologen die statistischen Grundlagen ihrer Berufsanerkennung haben entwenden lassen, ist betrüblich. Es waren nicht nur Politiker und Journalisten, wie in diesem Interview erwähnt, die geschwiegen haben.

An dieser Stelle wird es sehr interessant. Ihre Formulierung, wonach die „Anwendung einer einfachen Grundrechenart“ ausgereicht hätte, um aufzuzeigen, wie fragil die als unumstößlich präsentierten Inzidenzen sind, wirft eine Frage auf. Wie konnte eine ganze Medienlandschaft, bestehend aus Journalisten, von denen die meisten über Abitur oder gar ein abgeschlossenes Studium verfügen, an einer einfachen Grundrechenart scheitern? Auch wenn es bisweilen heißt, es gäbe Defizite in der Gesellschaft, was Mathematik angeht: Das kann doch nicht sein, dass Journalisten die Fragilität der Inzidenzen nicht erkannt haben? Haben Sie eine Erklärung?

Doch, das kann sein, und es zeigt, wie autoritätsgläubig und konformistisch unsere Gesellschaft ist und wie selten wirklich kritisches und eigenständiges Denken ist, wenn ein Konsens in der Wissenschaft suggeriert wird. Das wird einem erfolgreich in den Indoktrinationsanstalten der Bildungslandschaft abtrainiert, auch den Journalisten.

Nun. Vielleicht kommt es anders. Und Widerstand und Eigenständigkeit artikulieren sich in neuen Formen.

Das Doppelspiel der Bertelsmann-Stiftung

Seit den 1990er Jahren ist die Bertelsmannstiftung in der Öffentlichkeit präsent. Sie gibt sich als unermüdliche Beobachterin des Bildungswesens, des Gesundheitswesens. Die soziale Lage und die Entwicklung von Organisationen und Gesellschaft sind ihr Steckenpferd. „Das sind doch gute Menschen und wichtige Informationen“, möchte man sagen. Stimmt. Wenn da nicht der Fakt wäre, dass die Stiftung sehr wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Lage so miserabel ist, wie sie in ihren Monitorings beschrieben wird.

Dankenswerter Weise hat Ralf Wurzbacher diese Heuchelei noch einmal hervorgeholt. Vielleicht ein Impuls für Berufsverbände, wenn sie die Lage im Bildungswesen analysieren?

Das Schweigen zur Zeitenwende

Wie man hören kann, befinden wir uns in einer Zeitenwende. Wenn das stimmt, hätte das bestimmt auch Folgen für die Schulpsychologie und für Schule. Wenn überhaupt, ist jedoch wenig von den Berufsverbänden und von den Gewerkschaften dazu zu vernehmen. Es scheint so, als hielten alle die Luft an in der Hoffnung, die schlechten Gerüche der Gegenwartspolitik würden vorüberziehen und wir könnten bald wieder frei atmen.

Solche Art Lähmung überrascht, stellen doch Berufsverbände und Gewerkschaften in ihren Satzungen und Verlautbarungen immer wieder ihre humanistischen Ambitionen heraus. Und wer wollte bestreiten, dass in diesen Zeiten die Würde des Menschen, die Persönlichkeitsrechte auf Entwicklung und Entfaltung gefährdet sind? Allein schon die Ausweitung der Gewaltzonen fern und nah und die Verächtlichmachung von Diplomatie, Zuhören, die Untergrabung der Beritschaft zur Rollenübernahme, die Zerstörung der Fähigkeit zu historischer Analyse sind Schäge gegen Grundprinzipien der Pädogogik und Psychologie.

Weiterlesen „Das Schweigen zur Zeitenwende“

Stimmen für Aufarbeitung

Wenn Berufsverbände und Gewerkschaften Interessenvertretung sein möchten, könnten sie sich in die Corona-Aufarbeitung einmischen und für die Gesellschaft wichtig werden. Tun sie es nicht, wird das ihrer Reputation schaden. Hier noch einmal in prägnanter Form einige der kritschsten Punkte:

»Was ich von verantwortlichen Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern und Richtern erwarte, ist deshalb nicht die Aussage „Ich habe es nicht besser gewusst“, sondern „Ich habe mich geirrt, wir haben unseren Entscheidungen falsche Annahmen zugrunde gelegt und viele derjenigen, die wir kritisiert, geschädigt, ausgegrenzt und diffamiert haben, hatten recht mit ihrer Kritik an unseren falschen Entscheidungen, und deshalb bitten wir sie um Entschuldigung“. Darüber hinaus wären nicht nur juristische Konsequenzen für die Verantwortlichen sowie Entschädigungen für die Opfer der Corona-Politik erstrebenswert, sondern vor allem sollte durch eine breite gesellschaftliche Debatte sichergestellt werden, dass sich ein solches Unrecht nicht wiederholen kann.«

aus der Berliner Zeitung und zum vollständigen Artikel.

Wie halten wir es mit der Digitalisierung der Schulen?

Eine Leseempfehlung: Einsprüche zur geplanten Schuldigitalisierung – Ein Lehrer meldet sich zu Wort

Die Corona-Krise, die eine Politik-, Medizin-, Medien- und Berufsverbände-Krise war, sollte mit Hilfe von Digitalisierung der Schulen gelindert werden. Sie sollte, wovon schon vor Corona die Rede war, Wissen leicht zugänglich machen und die Lernprozesse individualisieren. Von solchen Erfolgen ist nichts zu hören. Vielmehr hören und lesen wir davon, dass noch immer Schülerinnen und Schüler unter den Folgen der Krise leiden und ganz besonders diejenigen, die aus den „falschen Elternhäusern“ kommen. Die soziale Frage also war und ist wieder einmal ausschlaggebend dafür, dass sich für diese bestimmte Gruppe die Nachteile ganz besonders anhäuften.

Offensichtlich ist es so, dass unreflektierte und unkritische Digitalsierung deutlich mehr Schaden anrichtet als dass sie Nutzen schafft. Eine von menschlicher Beziehung und Bindung „befreite“ Digitalisierung scheint zu einer Atomisierung, Zersplitterung und Vereinsamung der Menschen zu führen – mit einem Anwachsen selbstzerstörerischer und sozial zerstörerischer Folgen. In Schweden und Dänemark hat man dazu Fforschungen angestellt und nun die Bremse gezogen. „Zurück zum Buch“ ist eine der Schlussfolgerungen – samt der Bitte um Entschuldigung von Ministern gegenüber der Schülerschaft für die überzogene Digitalisierung des letzten Jahrzehnts.

Wir sind mit den Risiken einer Reduzierung von menschengebundener Autorität konfrontiert. Das beschreibt Bernd Schoepe in einem längeren Artikel, (Einsprüche zur geplanten Schuldigitalisierung – Ein Lehrer meldet sich zu Wort) aus dem hier nur kurz zitiert sei:

Das geht jetzt schon einher mit dem Verlust des Ansehens und der Autorität der Lehrpersonen. Der Lehrer wird nicht mehr als eine Instanz des Wissens, der Kritik und der gesellschaftlichen Integration und als fachliche, aber auch ethisch-moralische Autorität in der für die Ziele von Schule notwendigen erzieherischen Praxis anerkannt, und zwar weder von den Schülern noch den Eltern noch gar von den Schulverwaltungen. Vielmehr wird er
auf die Rolle des Dienstleisters reduziert, der sich im Auftrag der IT-Industrie auf das Moderieren, Überwachen und Nachsteuern von Lernprozessen beschränkt, die an einen messenden und sich auto-regulativ steuernden Maschinenkreislauf mit kybernetischen
Feedbackschleifen delegiert werden sollen.

Nun haben wir es also mit zwei Verwüstungen zu tun: mit der der Digitalisierung und mit der mit ihr verwobenen Verwüstung der Schulschließungen in Verbindung mit Corona. Und immer noch schweigen die Gewerkschaften und Berufsverbände.

Tatsächlich sind auf Lehrer- und auf Schülerseite aus demokratischem, volkswirtschaftlichem und aus menschlich-ethischem Interesse Persönlichkeiten gefragt, die Beziehung und Bindung eingehen können und wollen, die in der Lage sind, eigenständig zu denken und Veranwortung übernehmen – und fähig sind, zu hinterfragen.