Wenn Ideologie Bildung erschlägt
Alle Anstrengungen für bessere Bildung der letzten zwanzig Jahre sind verpufft. Zeitgleich mit dem Beginn des Krieges gegen den Terror in Afghanistan wurde mit der PISA-Studie eine Erneuerung des Bildungs- und Schulwesens ins Werk gesetzt. Verpufft all das, was man als Bildung verstehen könnte?
Auf die Darstellung der damaligen Verheißungen verzichte ich hier. Unaufhörlich wurden wir jedenfalls mit Vokabeln, wie Wissensgesellschaft, Kreativitätssteigerung, Marktgerechtheit traktiert. Und was erleben wir in diesen Tagen?
Der Erste Bürgermeister der Freien (!) und Hansestadt Hamburg Tschentscher kann sich hinstellen und verkünden, dass die Inzidenzen der Geimpften um ein Mehrfaches höher seien als bei Ungeimpften. Die örtliche Lokalpresse (Journalismus?) plappert dass in großen Teilen nach. Ein Kunststück der Fälschung und interessengeleiteter Datenerhebung und -interpretation. Wie un(aus-)gebildet muss man sein, um keinen Gedanken darauf zu verwenden, dass sich Geimpfte kaum mehr testen lassen (müssen), Ungeimpfte dieses aber sehr wohl auf sich nehmen müssen? Ist es da ein Wunder, wenn unter solchen Versuchsbedingungen bei Geimpften kaum Fälle auftauchen? Eine Beleidigung der Intelligenz wie Norbert Häring schreibt.
Die staatlich praktizierte Irrationalität geht noch weiter. Zahlreiche Studien legen nämlich nahe, dass sich die Anfälligkeiten für so genannte Infektionen bei Geimpften und Ungeimpften ziemlich nahe kommen. Einige Studienergebnisse sind vom Redaktionsnetzwerk Deutschland hier genannt.
Geht so Bildung oder ist das Anpassung und Gefügigmachen?
Währenddessen veröffentlicht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (!) eine Studie, die sie in Auftrag gegeben hatte mit dem rigorosen Tenor, den wir schon aus dem März-Papier (2020) des Innenministeriums kennen (und leider auch aus einem Folgepapier, das einige Psychologieverbände unterschrieben).
Aus dem systematischen Literaturüberblick lässt sich schließlich ableiten, dass sich Furchtappelle und Verlust-Frames bei jungen Zielgruppen unter bestimmten Bedingungen zur Förderung des coronabezogenen Schutzverhaltens eignen dürften – vor allem dann, wenn diese mit sachlichen Informationen, positiven Botschaften sowie klaren Handlungsempfehlungen kombiniert werden, um so potenziellen Reaktanzreaktionen entgegenzuwirken. Auch eine Aufbereitung der Botschaftsinhalte in narrativer Form erweist sich als vorteilhaft, wohingegen von der Nutzung von Humorappellen im Kontext von COVID-19 abgeraten werden muss.
Die Empfehlung spekuliert unter anderem darauf, dass Jugendliche »zeigen« können, »dass sie die Pandemie ernst nehmen und zur Eindämmung beitragen können.« Vermutlich auf der Basis eines vorher entstandenen/erzeugten Mangels an Vertrauen in die Welt der Institutionen und an Beachtung/Anerkennung. Die Pandemie und die vor allem die Maßnahmen als Heilmittel für verfehlte Politiken. Und weiter:
Empfehlenswert ist daher eine Kombination aus sachlichen Informationen, Furchtappellen/ Verlust-Frames und selbstwirksamkeitssteigernden Handlungsempfehlungen sowie die Verwendung von Narrativen, idealerweise kombiniert mit der Möglichkeit, die eigene Geschichte (in Video oder Textform) zu erzählen.
Man kann das so verstehen, dass man sich (schon vor Corona) bestehende Probleme und Nöte – nicht zuletzt erzeugt durch eine lückenhafte Schul- und Sozialpolitik mit der Folge von Ängsten vor der Zukunft und Zugehörigkeitsverlust, sowie Ohnmachtsgefühlen – nun zunutze machen möge. Ihre Bedürftigkeit sollte die Jugendlichen nun für »Botschaften« empfänglich gemacht haben. Ihr Mitmachen soll ihnen die Anerkennung verschaffen, die man ihnen jahrelang vorenthalten hatte. Am Ende winkt dann wohl die Rückkehr in den Schoß der Vernünftigen und Etablierten. Die Kränkungen der Vergangenheit sollen vergessen sein.
Wir sehen eine unselige Mischung aus Ideologisierung und (zunächst noch sozialwissenschaftlich verbrämtem) Autoritarismus. Andererseits ist die Frage, ob nicht schon viele Jugendliche Erfahrungen mit den Überzeugungskampagnen der Vergangenheit gemacht haben und sie nun vor der Prüfung stehen, was heute glaubwürdiger ist als bisher und ob sie sich ihre Skepsis und ihre vielleicht mehr gefühlte als gewusste »Reaktanz« abkaufen lassen.