Im Psychologiestudium finden sich immer weniger Gelegenheiten für subjektwissenschaftliche Ansätze, also solche, die das Individuum, seine Interessen und Bedürfnisse zum Ausgangspunkt nehmen und ihm eigene Erkenntnis und Handlungsfähigkeit zubilligen. Die Positionierung und Identifikation der/des psychologischen Beraterin/s ist weniger eine „anwaltlich“ unterstützende als eine vormundschaftliche.
Die Sozialisation im Studium geht in die Richtung, Wissen zu absorbieren und es nicht in seiner praktischen Verwertung kritisch zu hinterfragen. Psychologie und allgemein die Sozialwissenschaften durchlaufen im Sinne einer subjektorientierten Psychologie einen Entwertungsprozess. Als Ausweg wird empfohlen, sie sollten nach naturwissenschaftlichen Kriterien ihre Nützlichkeit beweisen. Um Forschungsgelder zu akquirieren, müssen sie mehr oder weniger, früher oder später dem Geldgeber von Nutzen sein, dem Funktionalitätsmodell, wie es als rational und effizient dargestellt wird, dienstbar sein.
Die um das Subjekt gekürzte Psychologie
Absolvent/inn/en des Studiums machen in der Regel Phasen von Frustration und Verunsicherung durch: Sie arbeiten in Stellen, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen, sie arbeiten auf befristeten Stellen, sie müssen sich den Gegebenheiten anpassen, bekommen wenig Autonomie und Gestaltungsspielraum zugebilligt. Nicht selten stellt sich heraus, dass das Gelernte in der Praxis nur in geringem Maße anwendbar ist. Das macht Angst und fördert Anpassung, eine Dienstbarkeit gegenüber Menschen und Organisationsebenen, die Inhalte bestimmen und Verträge verlängern, Zeugnisse schreiben etc.
Gelingt es, eine unbefristete Stelle zu erlangen, geht es um Sicherung, Bewährung und Anerkennung, sowohl gegenüber der Institution als auch gegenüber dem eigenen Selbst. Das geht nur mit dem erworbenen, zur Verfügung stehenden Instrumentarium. So unzureichend es „nach menschlichem Ermessen“ sein mag, drängt es nach Anwendung. Ein anderes Instrument gibt es ja nicht.
Hier nun ergänzen sich das im Laufe der Jahre nach betriebswirtschaftlichen, managerialen Kriterien rationalisierte Schulkonzept und ein gleichsinnig rationalisiertes Studienkonzept. Gute Chancen für Konzepte des Messens, der Zuweisung, der Steuerung.
Ältere, „unmoderne“ Ansätze, wie jene der k(K)ritischen Psychologie, der Psychologie als Subjektwissenschaft, gilt es zu ignorieren – Wissenschaftsfreiheit hin oder her. Der Austrocknungsprozess dieses Zweiges der Psychologie (wie auch anderer Zweige der Sozialwissenschaften) stellt sich immer wieder her und entfaltet seine praktische Wirkung aufs Neue. Da sich die naturgegebene Subjekthaftigkeit des Menschen jedoch nicht dauerhaft auslöschen lässt, bricht sie hervor, thematisiert sich gar mehr oder weniger selbst – und sei es in Gestalt einer Störung.
In dieser Unberechenbarkeit kann Subjekthaftigkeit ängstigen – in der Schulklasse oder im „Team“. Der Managerin, die steuert, können und dürfen die Menschen nicht zu nahe kommen. Täte sie es – im Sinne einer empathischen Identifikation, einschließlich der Fähigkeit zu distanzierender Reflexion – geriete sie in Widerspruch zur eigenen Qualifikation, wie auch in Widerspruch zur „nährenden“ Institution.
Tatsächlich scheint das Bedürfnis nach Anerkennung (nach den Regeln der herrschenden Institution/des herrschenden Systems) mächtig zu sein. Sie/es stellt die Prämien zu Verfügung, nach der sich die nach so viel Mühe und Frustrationen angekommene psychologisch/beraterische Fachkraft sehnt. Sie akzeptiert den Kontext der Steuerung, des Ellenbogens und der Konkurrenz. Nicht immer, aber auch nicht selten. Häufig wird dann (weg-) gebissen, wenn die Leitung gefühlt abwesend ist. Hoffnungsfroh stimmt es, wenn die Vertriebene in einer anderen Beratungseinrichtung aufgenommen wird, und diese das Gefühl hat, einen guten Fang gemacht zu haben.