Das geistige Erbe von Organisationen und Personen

Gründungsmotive als Leitlinie der Gegenwart

Die ursprünglichen Gründungsmotive sind nicht selten die Triebkraft und Leitbild von Organisationen und Institutionen – selbst dann, wenn schon mehrere Epochen von dem Anschein nach neuen Einflüssen über sie hinweggegangen sind. Ich habe das im Zusammenhang mit Schulpsychologie und Schule (einschließlich ihrer Verwaltung und politischen Nutzung) häufiger zu zeigen versucht (siehe auch rechte Spalte im Blog).

Misslungene Neuanfänge

Was einen Blick in die Geschichte und die Tradition einer Institution oder Organisation (oder auf ihren Namensgeber) erschwert oder unmöglich macht, ist in aller Regel die Behauptung, man sei doch heute an einem ganz anderen Punkt, die Welt sei eine ganz und gar andere, man arbeite modern und evidenzbasiert usw. Man kann zur „Widerlegung“ eine Reihe von prominenten erfolgreichen oder wohltätigen Menschen anführen, deren angebliche Unbescholtenheit für sich sprechen soll. Ist man bereit, den Vorhang der guten Taten und der kompletten Differenz einmal beiseite zu ziehen, könnte sich allerdings zeigen, dass es zwischen früher und heute Verwandtschaftlichkeiten gibt, handlungsleitende Wahrnehmungs- und Denkmuster, die damals wie heute wirken.

Der Kontext ist wichtig

Robert Koch, nach dem das uns allen bekannte Institut benannt ist, war nicht nur erfolgreicher Wissenschaftler, angetrieben vom Ehrgeiz, Menschen zu helfen. Er handelte immer auch im Kontext der Kolonialmedizin. Ihr ging es darum, den afrikanischen Kontinent mit seinen Menschen und Naturschätzen auszubeuten und beherrschbar zu machen. Menschenversuche in Afrika sollten helfen, den Menschen in Deutschland und Europa Gesundheit und Überleben zu sichern, wie es in einem Feature von Julia Amberger heißt.

Die Frage nach dem Zweck

Was macht sich das RKI von ihrem Namensgeber zu eigen, welche Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit sind handlungsleitend? Und welche nicht? Haben sie mit einer Tradition zu tun, wesentlich auf Pharmazie, auf eine „industrielle Produktion von Gesundheit“ zu setzen – und wenn ja: für welchen Zweck? Und nicht zuletzt: Welche Rolle spielt die Staatsnähe für das, was das RKI erforscht und verlautbart (und was nicht)?

Die Geschichte des Namesgebers des RKI wurde und wird nicht aktiv beforscht und aufgearbeitet, auch nicht etwa von der staatlich subventionierten Medizingeschichte, wie Werner Rügemer feststellt. Koloniale Zustände scheinen sich bei der Auswahl der Versuchspersonen für einen Impfstoff und für die schließliche Nutzung zu wiederholen, wie Emran Feroz in einem Artikel mit anderem Schwerpunkt schreibt.

Koloniale Verhältnisse neu aufgelegt, nach innen mit einem mit Verordnungen regierenden Staat, ohne auf die Schäden zu achten, und nach außen mit einer Privilegierung pharmazeutischer und digitaler Interessen, samt Versuchspersonen in fernen und wirtschaftlich schwachen/geschwächten Ländern?

Der Verweis auf Wohltätigkeit, Modernität und Humanität von Institutionen scheint ein guter Hinweis darauf zu sein, dass es einen Bedarf an Aufarbeitung von Traditionslinien geben könnte.

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