Entwicklungsstau, Lebensfeindlichkeit, Zerstörungsfähigkeit

Wenn wir ehrlich sind, dann hat die nationale Schlafmützigkeit nicht erst mit Corona begonnen. Das Eindämmen, Beschwichtigen und Beruhigen beherrscht das Land schon seit Jahren. Die Vorliebe für gedämpfte und ausgeglichene Stimmungen, das Vermeiden von Konflikten und Auseinandersetzungen, das Herumlavieren um entschiedene Standpunkte. Es sind nicht allein die Studenten, die etwas von Prokrastination verstehen. Es gibt einen Entwicklungsstau, der sich schon vor Corona zu einer echten Kulturkrise ausgewachsen hatte.

heißt es in einem Aufsatz von Michael Ley und Carl Vierboom, der sich den tieferen Bedeutungen der so genannten Coronakrise nähert. Das, was uns als unvermeidliche Hinnahme eines Naturereignisses und der daraus folgenden klugen Fürsorgepolitik von Regierungen dargebracht wird, ist Ausdruck eines langjährigen Vermeidens gesellschaftlicher und menschlicher Probleme. Wir haben es mit der Zuspitzung einer Stillstellung, die uns retten soll. Sie wird es aber so wenig tun, wie die Abwiegelung und das Ausweichen es in der Vergangenheit getan haben. Der Stillstand beruhigt aber nicht. Er setzt unter Druck, beginnend mit Hoffnungslosigkeit oder auch Gereiztheit, mit dem Verlangen nach Autorität als Mittel der Erlösung. Oder auch nach einem Donnerschlag.

Besonders gebeutelt werden einzelne vulnerable Gruppen, allen voran Kinder und Jugendliche, und zwar weltweit – wobei es in vielen armen Regionen für sie buchstäblich um Leben und Tod geht. Sodann und beschämenderweise wird die Krise auf den schmerzenden Rücken der Alten und Pflegebedürftigen (teils in Heimen lebend, teils allein und einsam in ihren Privatwohnungen) ausgetragen; man hat sie nicht ausreichend gegen das Virus geschützt und setzt sie obendrein mit schockierender Eiseskälte den inhumanen Anti-Corona-Maßnahmen aus.

Ulrich Teusch sieht in den Maßnahmen keinen Ausdruck von Fürsorglichkeit, sondern von Zerstörungsfähigkeit und -bereitschaft. Er fragt sich, ob überhaupt die Fähigkeit für Aufbau und Entwicklung vorhanden ist. Wenn wir das, was mit uns und um uns herum geschieht, verstehen wollen, müssen wir uns wohl mit solch unangenehmen und bestürzenden Möglichkeiten auseinandersetzen.

»Neue Autorität« soll sich erklären

Am 25.1.2019 machte die taz-Hamburg mit der Schlagzeile auf: »Psycho-Druck gegen Klassenkasper« . Die Autorin der taz bezog sich auf einen Artikel, der im ersten Quartal 2018 im Magazin der Schulbehörde »Hamburg macht Schule« erschienen war, geschrieben von zwei pädagogischen Experten, die das Konzept »Neue Autorität« seit Jahren in Hamburg zu entwickeln versuchen. Sie sind Lehrer und Mitarbeiter am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, sowie freie Supervisoren, Coaches, Trainer. Das Konzept befindet sich seit Jahren in kritischer Diskussion (zum Beispiel Dierbach).

Politik diskutiert mit

Neu ist, dass mit Sabine Boeddinghaus eine Schulpolitikerin (der Linksfraktion) sich in die Debatte einschaltet. Die Vorwürfe wiegen schwer: Junge Lehrer würden »in die falsche Richtung gepolt«, das Konzept sei ein »Psycho-Rohrstock«, »repressive Maßnahmen« kennzeichneten das Konzept (Zitate aus der taz). Genaueres lässt sich auch in der Kleinen Anfrage an den Senat nachlesen.

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