Zeit für Einmischung. Sonst Reputationsverlust

Die Passivität der Psychologen oder gar die Kollaboration mit den Mächtigen und Herrschenden war hier schon häufiger Thema. Nun ist zu diesem Thema ein sehr lesenswerter Aufsatz von Michael Ley und Carl Vierboom erschienen, auf den ich hier verlinke.

Das überrascht um so mehr, als Psychologen in der Vergangenheit keineswegs unpolitisch waren. Der kritische Blick auf gesellschaftliche und politische Zusammenhänge gehörte einmal zum Selbstverständnis der Psychologen dazu. Es gab eine Zeit, in der sich bestimmte Gruppierungen innerhalb der Psychologie sogar ausdrücklich zu einer „Kritischen Psychologie“ bekannten. Davon abgesehen gibt es kaum ein soziales oder politisches Phänomen, zu dem sich einzelne Psychologen oder ihre Zunft im ganzen nicht geäußert hätten: angefangen bei Fragen zur Erziehung, über die Auswüchse des Städtebaus oder beim Medienkonsum bis hin zur Atomkraft oder zur Lage in den Gefängnissen und Psychiatrien.

Warum machen die dabei mit und verleugnen alles, was sie einmal als Grundlage ihrer Wissenschaftichkeit gelernt haben?

Dass man absolute Zahlen nicht hochrechnen kann, wenn man dafür nicht einen Vergleichsmaßstab heranzieht, gehört zum Basiswissen, das den Studierenden in allen sozialwissenschaftlichen Studiengängen von Anfang an eingetrichtert wird, das im Fall der Inzidenzwerte aber anscheinend komplett ignoriert wird. Später lernen die Psychologen zudem, dass man keinen Test anwenden kann, wenn man ihn nicht zuvor gründlich validiert hat: Man muss schon wissen, was ein Test misst, ehe man mit irgendwelchen Zahlen hantiert. Beim PCR-Test setzt man jeden positiven Messwert dagegen umstandslos mit einem „Fall“ gleich – ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie ein solcher Messwert zustande kommt, welche Rolle das Messinstrument dabei spielt und wie dieser Wert nach statistischen Regeln einzuordnen ist. Der einzige, der diese Widersprüche öffentlich anspricht, ist der Regensburger Psychologe Kuhbandner (2020), der dafür prompt in die Ecke der Corona-Leugner gestellt wird.

Was können wir von einer solchen Psychologie erwarten?

Corona könnte Abschluss und Höhepunkt dieser Entwicklung sein. Über Corona wird man vielleicht später einmal sagen, dass dies der Zeitpunkt war, zu dem die Psychologen ihre Seele verkauft haben.

Entwicklungsstau, Lebensfeindlichkeit, Zerstörungsfähigkeit

Wenn wir ehrlich sind, dann hat die nationale Schlafmützigkeit nicht erst mit Corona begonnen. Das Eindämmen, Beschwichtigen und Beruhigen beherrscht das Land schon seit Jahren. Die Vorliebe für gedämpfte und ausgeglichene Stimmungen, das Vermeiden von Konflikten und Auseinandersetzungen, das Herumlavieren um entschiedene Standpunkte. Es sind nicht allein die Studenten, die etwas von Prokrastination verstehen. Es gibt einen Entwicklungsstau, der sich schon vor Corona zu einer echten Kulturkrise ausgewachsen hatte.

heißt es in einem Aufsatz von Michael Ley und Carl Vierboom, der sich den tieferen Bedeutungen der so genannten Coronakrise nähert. Das, was uns als unvermeidliche Hinnahme eines Naturereignisses und der daraus folgenden klugen Fürsorgepolitik von Regierungen dargebracht wird, ist Ausdruck eines langjährigen Vermeidens gesellschaftlicher und menschlicher Probleme. Wir haben es mit der Zuspitzung einer Stillstellung, die uns retten soll. Sie wird es aber so wenig tun, wie die Abwiegelung und das Ausweichen es in der Vergangenheit getan haben. Der Stillstand beruhigt aber nicht. Er setzt unter Druck, beginnend mit Hoffnungslosigkeit oder auch Gereiztheit, mit dem Verlangen nach Autorität als Mittel der Erlösung. Oder auch nach einem Donnerschlag.

Besonders gebeutelt werden einzelne vulnerable Gruppen, allen voran Kinder und Jugendliche, und zwar weltweit – wobei es in vielen armen Regionen für sie buchstäblich um Leben und Tod geht. Sodann und beschämenderweise wird die Krise auf den schmerzenden Rücken der Alten und Pflegebedürftigen (teils in Heimen lebend, teils allein und einsam in ihren Privatwohnungen) ausgetragen; man hat sie nicht ausreichend gegen das Virus geschützt und setzt sie obendrein mit schockierender Eiseskälte den inhumanen Anti-Corona-Maßnahmen aus.

Ulrich Teusch sieht in den Maßnahmen keinen Ausdruck von Fürsorglichkeit, sondern von Zerstörungsfähigkeit und -bereitschaft. Er fragt sich, ob überhaupt die Fähigkeit für Aufbau und Entwicklung vorhanden ist. Wenn wir das, was mit uns und um uns herum geschieht, verstehen wollen, müssen wir uns wohl mit solch unangenehmen und bestürzenden Möglichkeiten auseinandersetzen.

Tiefenwirkungen von Testen, Impfen etc.

Der hier verlinkte Artikel stellt eine Ebene von Corona in den Vordergrund, die in aller Regel keine Beachtung findet. Insofern muten manche Inhalte zunächst überraschend oder gar schräg an – was sie aber nicht sind. Vielmehr geht der Autor Michael Ley Aspekten nach, die viele von uns vielleicht schon einmal selbst in einem Anflug des Aufmerkens „dachten“ (was geschieht hier eigentlich gerade?) , dann aber im rationalen (?) Lebensbewältigungsprozess wieder „vergaßen“ – zumal die „anderen“ und die Medien davon ebenfalls keine Notiz nahmen. Die Beiläufigkeit von Wirkungen ist aber noch kein Beleg für ihre Folgenlosigkeit.


So erklären „wir“ uns bereit, Schmerzen in Kauf zu nehmen, Opfer zu bringen, wenn wir uns einem PCR-Test unterziehen. Wir lassen Eingriffe zu, die wir „normalerweise“ ablehnen. Ley stellt Verbindungen her zu Ritualen, die Novizentum beinhalten und Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften durch Initiationsriten besiegeln, eine Verpflichtung auf ein Lebensbild der Gesellschaft verkörpern. Wer will, kann hier Verbindungen zur Biopolitik herstellen und zu Interessen, neue Regulierungsprozeduren zu etablieren, nachdem in vielen Gesellschaften und weltweit „Grenzenlosigkeiten“ die bekannten Kontrollkonzepte schon vor Corona infrage stellten. Wenn hier jemand neu regulieren will, hat er und hat sie eigene Interessen, die sich umso besser durchsetzen lassen dürften, wenn von bisher üblichen Regeln wissenschaftlich-rationaler und dialogischer Gestaltung, die der Aufklärung entstammen, Abstand genommen wird.


Das lässt sich nicht einfach von der Hand weisen. Beispielsweise gibt es nach einem Jahr noch immer keine repräsentativen Untersuchungen über den Grad der Virusverbreitung in der Bevölkerung. Hier werden wir zielstrebig in Unwissenheit gehalten.