Matheprobleme: Eine bemerkenswerte Debatte

Damit konnte man nicht rechnen

Es war mehr oder weniger Zufall. Ich suchte in der Parlamentsdatenbank nach Informationen zu einem Thema. Dabei stieß ich noch mal auf die »Matheprobleme«, die ja hier schon Thema waren. Ein markanter Punkt war, dass der Hamburger Schulsenator Ties Rabe als Reaktion auf das schlechte Abschneiden die Mathenoten per Verordnung „verbesserte“. Das hatte eine Menge Wirbel ausgelöst. Die Hintergründe dieser Entscheidung blieben im Nebel.

Nun kann man tatsächlich klarer sehen. Am 21.2.2017 debattierte der Schulausschuss der Bürgerschaft. Es gab eine inhaltsreiche Debatte. Alle Diskutant/inn/en blieben sachlich, verzichteten auf Polemik. So kann man als Leser des Protokolls tatsächlich schlauer werden. Kriterien und Entscheidungsprozesse werden erkennbar. Ich habe nicht geprüft, ob die Medien von der Schulausschusssitzung berichteten – mir ist zumindest nichts dergleichen aufgefallen. Das Skandalpotenzial der Debatte war sehr niedrig.

Auffällig: Im Wesentlichen sind die Stundenpläne, Abweichungen durch Sonderregelungen, Zusammensetzung der Schülerschaften, Traditionen der Schwerpunkte so unterschiedlich, dass man sich fragt, ob die Ländervergleichsuntersuchungen überhaupt einen Sinn haben. (Trotzdem kann es sich Herr Rabe nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass Hamburg gegenüber Bayern bei xy ganz weit vorne liegt).

Und man erfährt, dass immer wieder neue Gruppen zusammengestellt werden, damit Stichproben dann (hoffentlich) doch endlich vergleichbar sind. Wer hat etwas von den Vergleichsuntersuchungen? Und wie wäre es, wenn man dieses Geld, denn es wird ja ausgegeben, für andere Zwecke einsetzen würde? Man könnte untersuchen, wie sich individuelle Lern- und Erkenntnisprozesse gestalten, wie sie von der Lebenssituation, von Vorerfahrungen, von Bindung und Beziehung, Fremdheit und Vertrautheit etc. abhängen.

Man kann auch ins Grübeln kommen, ob denn der Zentralisierungmechanismus des Einheitsabiturs nicht viele Varianten auslöscht, die es verdienen erhalten zu werden. So werden die Mathematikaufgaben in Hamburg (anderes als in anderen Bundesländern) laut Herrn Rabe „kontextabhängig“ gestellt. Das kann man für sinnvoll halten. Wenn Hamburg sich nun mit dieser Richtungsentscheidung nicht durchsetzen kann, wird Hamburg diese Orientierung aufgeben. Was wäre damit gewonnen?

Hier noch einmal der Link zum Sitzungsprotokoll

Auf diesen Seiten waren immer auch mal skeptische Ansichten zur Kompetenzorientierung zu lesen. Ich erinnere noch mal an die Veröffentlichungen der Gesellschaft für Bildung und Wissen (auf der Startseite auch das Thema Mathematik und Zentralbitur). Mit diesem Thema beschäftigte sich vor einigen Monaten  die hamburgische Bürgerschaft. Das war ein Beispiel dafür, wie Parlamentarier/innen aneinander vorbeireden können und sich in Verächlichkeit üben. Erkenntniszuwachs geht gegen Null.

Mathe-Schwächen in Hamburg II

Das schlechte Abschneiden Hamburger Schüler

in Mathe-Vorklausuren und die behördlich verordnete Anhebung der Noten schlagen weiter hohe Wellen.  Von der SPD hört man erstmal nichts. Es bleibt bedauerlicherweise der CDU überlassen, auf grundlegende Mängel an Konzepten, wie Kompetenzorientierung hinzuweisen. Auf dieser Website ist das schon geschehen, aber fundiert und häufig durch die Gesellschaft für Bildung und Wissen.

Die Linksfraktion macht darauf aufmerksam, dass die Stadtteilschulen von Lehrern abgewählt würden und sie sich für das Gymnasium entschieden. Die Klausur solle am besten gar nicht bewertet werden.

Was die anderen Fraktionen sagen, kann man hier nachlesen.

Was die GEW hinsichtlich PISA kritisiert, lässt sich auch als weiterführenden Beitrag für die Notendiskussion lesen.

Ach ja. Noch was. Vor ein paar Tagen wies ich als weitere Hamburger Rechenschwäche darauf hin, dass Hamburg und Schleswig-Holstein gezwungen sein könnten, die HSH Nordbank mit 10 Milliarden Euro zu retten. Da sind wir inzwischen auch ein paar Schritte weiter. Im Abendblatt ist nun von 16 Milliarden die Rede.

Notorische Matheschwächen in Hamburg

Gute Note auf Verordnung

Die Schüler sollen nicht unter den Folgen kurzatmiger Politik leiden

Hätte Ties Rabe, Schulsenator in Hamburg, diesen Verwaltungsakt nicht vollzogen, hätte er vermutlich mit Klagen rechnen müssen; denn die Ergebnisse der Klausur gehen mit fünf Prozent in die Mathenote des Abiturs ein. Damit hält er sich vielleicht einen juristischen und medialen Shitstorm vom Hals. Man kommt jetzt darauf, dass man nicht weiß, ob die Aufgaben zu schwer gewesen sein könnten oder ob die Schüler zu schlecht vorbereitet wurden. Eine Vergleichsmöglichkeit mit anderen Bundesländern fehlt. Eine sehr mangelhafte Versuchsanordnung. Gehören Statistik und Versuchsanordnung nicht zur Methodik bei der Planung eines Großversuchs?

Die verwaltungsmäßige Heraufsetzung der Note bietet natürlich Anlass zu jeder Menge Häme. Im NDR-Fernsehen tauchte die Frage der Bilanzfälschung auf, aber nur rhetorisch und um dem Senator die Gelegenheit zu geben, einer solchen Schlussfolgerung zu widersprechen.

Eine andere Frage könnte sein, ob das Zentralabitur überhaupt eine gute Idee ist. Wir hören viel von der Vergleichbarkeit der Noten, also werden die Schüler alle auf ein und dasselbe Ziel trainiert. Zur Erinnerung: Wie war das noch mit der Vielfalt und dem Furor gegen die – selbstverständlich – sozialistische Einheitsschule? Was wissen wir darüber, was die Schülerinnen wirklich können, was sagen 0,7 Punkte Differenz zur letzten Leistung aus? Wir hörten in den letzten Jahren von den unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler – Stichwort soziale Herkunft -: wie verhält sich das zur Vereinheitlichung des Abiturs? 

Lernen für den Test

Rankings helfen, nicht mehr nach den Inhalten schauen zu müssen. Vielmehr wird verglichen und angetrieben, 0,3 Punkte Steigerung oder Abstieg. Hier noch eine technische Maßnahme, dort noch eine Stunde draufgesattelt. Man kann besichtigen, was aus dem Lernen wird: Pauken und Trainieren, Lernen für den Test. Mit Verstehen und Verantwortung für das Wozu hat das nicht viel zu tun. Jetzt werden von der Behörde und vom Abendblatt („Dabei stehen die Lehrer in der Verantwortung, ihren Schülern die bestmöglich Hilfe anzubieten“) die Lehrer und Lehrerinnen in die Pflicht genommen – wohlfeil.

Niemand ist perfekt, doch der Hamburger ist nah dran

Tatsächlich werden die Lehrer/innen in die Pflicht genommen. Sie müssen – vermutlich ohne zusätzliches Personal – die aufgelegten aufgelegten Förderprogramme umsetzen. Was müssen die Schulen weglassen, um die Forderungen erfüllen zu können? Dass damit wieder einmal von oben verordnet und nicht gemeinsam entwickelt wird, bleibt der GEW überlassen zu sagen.  Wir kehren zur Obrigkeitsschule im modernen Gewand zurück, dekoriert mit der Rede der selbstverantworteten Schule. Eine Probeklausur mag eine gute Idee sein. Aber im Übereifer, super und Erster sein zu wollen, ist Senator Rabe wie immer gestartet und hat sie schlecht vorbereitet. Nun stellt er sich als entschlossen, handlungsfähig und als Retter dar. Die Hamburger Medien werden sich kaum mit den Hintergründen der Angelegenheit der Sache befassen.

Möglicherweise ist der Matheschwäche nicht mit Förderprogrammen beizukommen. Sie scheint verbreitet zu sein. Sie ist bekannt, aber gegen sie ist kein Kraut gewachsen. Die Elbphilharmonie (Eröffnung heute) sollte knapp 80 Millionen kosten. Schließlich wurden es 800 Millionen. Von der HSH Nordbank hört man nicht mehr so viel, wird von den Medien so gar nicht erörtert. Und doch sind die Hamburger und Schleswig-Holsteiner bald dran. 10 Milliarden