von Jürgen Mietz
Diesen Satz hörte ich, als ich nach Gespräch, Test und ersten Vorschlägen der Mutter eines Erstklässlers und ihm selbst sagte, dass sie sich nun auf den Weg machen könnten. Er komme dann noch gut zur dritten Stunde in der Schule an. Aber die Mutter, der ihr Kind nicht egal ist, sagt: „Das lohnt sich doch nicht.“
Diese Mutter will, dass ihr Sohn seine Entwicklungsrückstände aufholt, dass er nicht zur Sonderschule muss. Diese Mutter weiß, dass die Lehrerin um den Jungen kämpft und dass sie sich keine bessere Lehrerin wünschen könnte. Und der kleine spiddelige Sohn zählt am Ende der ersten Klasse mit Stolz die meisten Buchstaben des Alphabets auf und fast kann er die Zahlen bis zwanzig aufsagen. Die ganz einfachen Wörter kann er lesen, aber die einzelnen Laute in einem etwas komplizierteren Wort kann er kaum erkennen.
Warum sollen sich dann zwei Stunden Schule nicht lohnen? Ich habe die Mutter danach gefragt und sie kann nur den Satz wiederholen „Das lohnt sich doch nicht!“ Ich lasse es dabei und rätsele.
Nein. Die Mutter ist nicht gleichgültig. Wie viele Mütter schaffen den Weg in die Beratungsstelle, wenn sie allein erziehend und von einer Krankheit bedroht sind, ein Kind zur Adoption „frei“ gegeben haben, die Armut an der Frisur, an den Zähnen, an der Kleidung sichtbar wird?
Sucht sie bei allen Wünschen für eine gute Entwicklung des Kindes danach, es in der Nähe zu haben? Unterstellt sie eine Anstrengung, die der Junge auf sich nehmen müsste und die für ihn eine Zumutung sein könnte? Erinnert sie sich an ihre Schulzeit, die eine Folge von Niederlagen und Beschämung gewesen sein mag? Ist es vielleicht eine Zumutung und entwürdigend, das gezeichnete Kind in der Öffentlichkeit zu wissen, tatsächlich oder vermeintlich beschämt? Und schämt sie sich mit? Vielleicht erinnert sie sich an die eigene Beschämung und weiß wie fremd und fehl am Platze man sich am Ende der Leistungskette fühlt. Vielleicht möchte sie ihrem Jungen zeigen: „Ich will dir etwas Gutes tun und ich bin froh, wenn du in meiner Nähe bist.“
Vielleicht schämt sie sich. Vielleicht aber hat sie auch Angst, den Jungen zu verlieren – an die Lehrerin?
Lernen – ein riskantes Projekt.