Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden

Schule und Beratungssysteme zwischen Selbst- und Fremdbestimmung

Voll die Verantwortung – eingeschränkt die Gestaltungsmöglichkeiten

Die Wirklichkeit der Schule und – weniger im Blick der Öffentlichkeit – der Beratung in und für Schule ist von Widersprüchen gekennzeichnet, die die Betroffenen und Beteiligten sich fragen lassen, ob sie eigenen und fremden Ansprüchen an die Fachlichkeit ihres Tuns genügen können. Und das, wo doch Kommentierungen der regelmäßig auf den Markt der Skandalisierung und politischen Instrumentalisierung geworfenen Untersuchungen (PISA a bis z) Glauben machen, nun solle doch endlich allen Beteiligten klar sein, dass die Reform zu beginnen habe. Schließlich ist mittlerweile im zehnten Jahr der Stillstand konstatiert.

Stattdessen erleben die Praktiker und Praktikerinnen, wie sie mit hohem Einsatz, Fortbildungsengagement etc. an die Grenzen ihrer Möglichkeiten kommen, andererseits aber wachsende Teile der Kinder und Jugendlichen Schule nicht als einen Ort erleben, an dem sie sich entwickeln können.

Für nicht wenige Beschäftigte des Schulsystems stellt sich die Frage nach Rolle und Funktion im System Schule. Nicht zuletzt geht es um die Frage: Wie sehr leisten die Pädagogin und der Pädagoge und der psychologische (oder anders ausgebildete) Berater einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, zu seiner Mündigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit? Wie kann das in einem schulischen und gesellschaftlichen Umfeld gelingen, das behauptet, diese Einstellungen und Fähigkeiten haben zu wollen, aber de facto ein System aufbaut, in dem es um Konkurrenz, Orientierung an Ökonomisierung, um Einstimmung auf ökonomische Selbstverwertung geht? Wenn Lehrer und Berater Menschen dazu verhelfen wollen und sollen, nützliche Mitglieder der Gesellschaft zu werden, taucht die Frage auf, worin Nützlichkeit besteht. Was definiert diese Gesellschaft als nützlich? Diese Fragen stehen im Raum, sie werden aber in der Kakophonie der Bildungsuntersuchungen und in den »Sachzwängen« des Alltags nicht beantwortet und diskutiert.

Professionelle erleben sich in einem Meer der Fremdbestimmung aus Verfahren, Reformen, Rücknahme von Reformen nur in beschränktem Rahmen als wirksam – entgegengesetzt zu den eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen. Der Gefahr einer Selbstlähmung ob solcher Aussichten will das Konzept der »Selbstwirksamkeit« entgegenwirken. Der Begriff legt nahe, mit einer unternehmerischen Lehrerschaft ließe sich durchaus Wirkung erzielen. Vorausgesetzt die Handlungsfelder sind sorgfältig ausgewählt und beziehen sich nicht auf Systemfragen, die auf anderer Verantwortungsebene zu beantworten seien. Das Konzept der »Selbstwirksamkeit« legt nahe, dass es Handlungsspielräume gebe, die allerdings gut ausgewählt sein müssten. Die Systemfragen seien nicht unwichtig, aber man solle doch seine Zeit nicht mit »lähmenden« Debatten verbringen.

Das Konzept ermöglicht einerseits die Erfahrung, dass Kollegialität, Austausch und Planung neue Handlungsansätze schaffen können. Andererseits kann es im ungünstigen Fall ein entpolitisierendes Konzept sein, wenn die Systembedingungen des weiteren Umfelds einverständig ausgeklammert bleiben und die Selbstbescheidung an die Stelle der Reflexion pädagogisch-politischer Grundfragen tritt. Der Begriff steht in der Gefahr, die Gesellschaftlichkeit schulischer Wirklichkeit zu ignorieren und einem Subjektivismus das Wort zu reden. Immerhin ermöglicht der Begriff, an die Frage anzuknüpfen, wie denn die Subjekte Verfügungskraft über ihr Leben und Arbeiten gewinnen sollen.

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