Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (VI)

Welchen Nutzen kann Beratung haben?

Eine Hilfe bei der Widerspruchs- und Spannungsverarbeitung können Beratungssysteme sein. In der Tat ist institutionalisierte Beratung als Reaktion auf die Unübersichtlichkeit der Moderne entstanden. Sie hat einen aufklärerischen, demokratischen Impuls: Die Subjekte sollen durch Beratung in ihrer Urteilsbildung und Handlungsfähigkeit gestärkt werden, jenseits von Zuschreibungen einer Krankheit oder Störung. Dazu müssen einige Minimalanforderungen erfüllt sein. Die Beratungsinstitution und ihre Mitarbeiter selbst benötigen einen Rahmen, in dem sie theoretisch und praktisch jenseits der Zugehörigkeit zu »ihrem Haus« (im Falle einer Schulberatungsstelle oder einer schulpsychologischen Beratungsstelle beispielsweise zur Schulbehörde; im Falle eines Beratungslehrers zur Schule) unabhängig, allparteilich und neutral sein können. Beratung muss ergebnisoffen sein können, so sehr manchen Entscheider, der doch nur will, dass die Dinge funktionieren, das verdrießen mag.

Weder privat-kommerziell noch staatlich oder öffentlich organisierte institutionalisierte Beratung ist gänzlich unabhängig. Deshalb sind die Verpflichtungen der Berater an Kontrolle und Selbstkontrolle zur Einhaltung der Grundregeln guter Beratungsfachlichkeit so wichtig. Dazu gehört unter anderem sich möglicher gegenläufiger Interessen bewusst zu sein und gegebenenfalls darauf aufmerksam zu machen. Gegenüber dem »eigenen Haus« muss die Unabhängigkeit der Beratung immer wieder verteidigt werden, wie auch – bezogen auf den Beispielfall – die Schulbehörde oder die Schulleitung »wissen« muss, was es an einer eigenen Beratungseinrichtung hat und das Beratung ein geschützter Raum ist, auf den eine Behörde oder Leitung nicht durchgreifen sollte.

Die Beobachtungen zeigen, dass ihr das nicht immer leicht fällt. Nicht zuletzt dann, wenn Behörde und Beratungsorganisation keinen Weg finden, wie die Nützlichkeit und Qualität der Beratungsarbeit nachgewiesen werden können. Es muss dann ein Modus gefunden werden, wie Misstrauen abgebaut und Vertrauen aufgebaut werden können. Operationen mit dem Schwert helfen vermutlich nicht weiter. Auch müssen Konzepte und Praxen von Beratungseinsrichtungen mit unterschiedlich »beratungsaffinen« Berufsgruppen, immer wieder ausgewertet und an den Prinzipien der Beratungsfachlichkeit gemessen werden.

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