In einem längeren Interview äußert sich der Psychoneuroimmunologe Christian Schubert zum Selbstverständnis der Medizin und der Psychologie. Seine Kritik der Effizienzgesellschaft gilt nicht allein ihren Wirkungen auf die Gesundheit und auf das Gesundheitssystem. Man kann sie meines Erachtens auch auf das Schul- und Bildungssystem beziehen.
»Wirkliche Aufklärung haben wir in den letzten Jahrhunderten viel zu wenig betrieben, sonst wäre es wahrscheinlich auch nicht zu dieser Entmenschlichung und Entfremdung durch den Kapitalismus und die Industrialisierung gekommen. Und es wäre möglicherweise nicht zu den immer wiederkehrenden Kriegen des letzten Jahrhunderts gekommen, sondern zumindest zu einer ganzheitlicheren Aufarbeitung der schrecklichen Geschehnisse. Aber die hat ganz klar gefehlt. Letzten Endes wurde wieder die Ratio und die kühle Mechanisierung bedient, das konnte man gut an den Trümmerfrauen erkennen.«
Selbst wenn man der Schule eine größere Nähe zum Menschen und seiner „Beziehungshaftigkeit“ zubilligen möchte als man das für die Gesundheit tut, kann sie (die Schule) sich nicht ihrer dienenden Rolle für die von Schubert kritisierte Effizienzgesellschaft entziehen. Der von Schubert vorgeschlagene „kritische Blick“ ist für Schule und Bildung vonnöten, wie auch für das Gesundheittssystem. Gesundheit und Lernen sind nicht zuletzt Kulturfragen.
Das Interview regt zu einer Reflexion schulischer und schulpsychologischer Selbstverständnisse an – und zu einer Reflexion der Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten, die wir haben.