Pausengespräch

Wovon reden wir, wenn wir von Beratung reden?

Nicht ums Verstehen geht es, sondern ums Erfassen

Ich Berichte über meinen Zustand als Pensionär. »Die Kontakte reißen ab. Ich kann mir dabei zusehen, wie ich bedeutungslos werde. Erst viele Versprechungen (à la „ich melde mich“), eigene Versuche enden an der Mauer des Kalenders auf der anderen Seite. Mein Gesprächspartner erklärt das als üblich. Diese ‚Wir-Sehen-Uns‘-Bekundungen seien Freundlichkeiten, die dem schnellen Tagesgeschäft nicht standhielten. Es müsse ja gar nicht um rein Freundschaftliches gehen. Das fachliche Interesse ende doch nicht an Altersgrenze – oder doch? Er erzählt von Organisationen, die Traditionen von Treffen der Ex-Mitglieder abhalten. Interessanterweise allesamt nicht psychosozial.
Vielleicht eine vorschnelle Annahme: Warum nicht die psychosozialen Menschen? Ich: »Sie haben keine Idee von Fachlichkeit, sondern nur vom Helfen und Gutsein«, ist meine These. (Letztlich handelt es sich wohl um Charity, wie ich jetzt denke.) »Fachliche Bezüge existieren kaum und sind kein Band.«
Er spricht von einem Phänomen der Praxis: Hatten wir das nicht schon mal? Wie haben wir das damals gesehen und bearbeitet. Das werde aber kaum in Betracht gezogen. Die Alten winkten oft ab: Das kennen wir schon. So haben wir das immer gemacht. Die Jungen fühlen sich nicht ernst genommen. Und sie fühlten sich entwertet. Haben sie denn nichts Wichtiges gelernt? Es gibt schon einen professoralen Begriff dafür, der mir leider entfallen ist.
Die Verachtung des Historischen führt zu einer Entwertung menschlicher und fachlicher Erfahrung und Arbeit. Der Gedächtnisverlust ist gewollt und bequem. Er ist Ausdruck der Gefügigkeitserwartung staatlicher Steuerungs- und Kontrollinteressen. Sie werden auch vermittelt über „freie“ Träger weitergegeben. Das hohe Tempo und die Kontrolldichte sickern als vermeintlich unausweichbare Ereignisse in die Gehirne der Psychosozialen/Helfer ein: das Historische (wie haben wir das früher gesehen und gemacht, wie ist es „dazu“ gekommen?) und damit die Erkennbarkeit von Strukturen der Arbeit, die wiederum das Arbeitsergebnis beeinflussen, haben den Charakter von verzichtbarem Lusxus angenommen. Die Verachtung des Historischen und seine Tabuisierung sind bequem, weil sie den Alten die Anstrengung der Kritik und Aus-einander-setzung erspart. Die Jungen, die das zurecht empörend finden, verachten die Alten. Und werden scharf auf Reform. Die ein Staat oder eine Großorganisation gern verspricht. Natürlich im Sinn der Rationalisierung und intelligenten Steuerung, s. Schule, siehe Jugendhilfe.

Man müsse versuchen zu verstehen, was die Klienten bewege, in welchen Widersprüchen sie sich sähen, sagte der ambitionierte Berater. Nein, nein sagt der staatliche Finanzier, geschult in Steuerung und Verkennzifferung; Sie müssen ihn erfassen.

Ende der Pause

%d Bloggern gefällt das: