Fundamente der Gesellschaft geraten ins Rutschen

Egoismus der Wenigen – Zerstörung der Lebensgrundlagen der Vielen

Was als unzusammenhängende, schicksalhafte Chaotisierung gesellschaftlicher Verhältnisse erscheint, hat seine Ursachen in einer Wirtschaftspolitik, deren Priorität es ist, alle Lebensbedürfnisse zu einer Quelle von Profit zu machen. Wie eine Religion durchdringt diese Denkweise unser Leben. Ein Problem der Bildung und Aufklärung. Helfen können dabei ein frischer Artikel in der Süddeutschen und ein älterer.

Bildung käuflich

Aufstieg durch Bildung ist ein schönes Versprechen.

Viele Generationen haben daran geglaubt. Manchmal hat es funktioniert. Aber nie anhaltend. Und die so genannten Eliten haben es immer wieder verstanden, sich neue Orte und Gelegenheiten der Rekrutierung ihresgleichen zu verschaffen. Die USA, Modell und Vorreiter der Wertegemeinschaft, der auch wir angehören sollen, hat nun ein Beispiel von Exzellenz geliefert, wie dieSüddeutsche gestern schrieb.

In der gleichen Ausgabe fand sich ein Bericht, der leider hinter der Paywall liegt, aber in seiner Überschrift das Wesentliche zum Ausdruck bringt.

Hier geht es zum abstract der Fachzeitschrift, die von der Süddeutschen zitiert wurde.

Auch das noch: Deutschland schreibt immer schlechter

Neues Ungemach droht: Digitalisierungspakt geschafft – Handschrift versaut. Wissensgesellschaft am Ende.

Kaum scheint die Modernisierung mit der Digitalisierung der Schule geschafft, da kommt die nächste Bedrohung hinterm Busch hervor. Es war aufgefallen, dass Schreiben mit der Hand das Gehirn trainiert. Und weil Schreiben mit der Hand aus der Mode kommt, droht der geistige Verfall. Was nun? Auf jeden Fall: Empör! Empör!

War vor Kurzem die Digitalisierung noch die Rettung vorm Untergang, ist es nun die Rettung der Handschrift. Schaut man genau hin, weiß man mal wieder, dass man nichts Genaues weiß. Hauptsache scheint, den ganzen Bildungs- und gesellschaftlichen Betrieb als Geschäftigkeit von Irren darzustellen. Verwirrung als Herrschaftsmittel. Wir sollen uns abwenden. Damit wollen wir nichts zu tun haben. Oder?

Kann das mal jemand untersuchen?

Die Sache selbst hätte es verdient, dass man ihr nachginge. Es fällt auf, dass es wenig verlässliche Untersuchungen über die Auswirkungen des Schreibens auf die Hirnentwicklung gibt. Noch weniger scheinen wir darüber zu wissen, welche Vor- und Kontexterfahrungen Kinder haben müssen, um analoges/digitales Schreiben nutzen zu können. Gewöhnung an Tipp und Click mit unmittelbar folgenden Rückmeldungen zwecks Konsum und Ablenkung mögen das Nervensystem in einen Zustand geringer Durchhalte- und Knobelbereitschaft versetzen. Das wiederum ist womöglich nicht mit den Forderungen des komplexen handschriftlichen Schreibens und Formens von Buchstaben vereinbar. Welchen Zusammenhang mag es zwischen geistiger Aktivität und taktilen, motorischen, emotionalen und kognitiven Prozessen geben? Kann das mal jemand untersuchen?

Die Erinnerung an den Nutzen der Handschrift erscheint wie ein verzweifelter Versuch der massiv geförderten Digitalisierung, die ihren Nutzen für Bildung noch nicht nachweisen konnte, pädagogisch und analog etwas entgegenzusetzen. Angesichts der sachlich kaum zu begründenden Digitaloffensive, würde man den Verfechtern der Handschrift Unrecht tun, wenn man sie als Alarmisten oder Kulturpessimisten abtäte.

Nachträglich eingefügt folgender Artikel

Das Betrübliche und Beunruhigende ist, dass wir wenig wissen, was das eine und das andere mit dem Gehirn (und mit noch anderem) macht. Für eine Gesellschaft, die sich gern als Wissensgesellschaft beschreibt, ist das kläglich und entbehrt jeder Rationalität.

Schulpflicht und Persönlichkeitsrechte im Konflikt

Die Schulpflicht in Deutschland gehört zu den Paradoxien, in denen wir uns wohl alle zurechtfinden mussten, mal mit mehr Erfolg, mal mit weniger. Auch ansonsten eher kritisch eingestelle Zeitgenoss’inn’en reagieren auf Zweifel mit einer Verteidigung des Zwangs. Der Schulbesuch auch unter der Bedingung des Zwangs biete die Chance, benachteiligenden Lebensbedinungen oder desinteressierten oder überforderten Eltern zu entkommen. Ob allerdings eine andere Art der Fremdbestimmung und Unterwerfung dem Ziel der Persönlichkeitsbildung gerecht wird, darf bezweifelt werden. Die Zweifel werden in diesem Artikel dargestellt.

In fast jedem Schulcurriculum deutscher Bundesländer heißt es, Schüler/innen sollen „Freude am Lernen“ und ein Interesse am eigenen Lernfortschritt entwickeln. Doch wie soll Freude und Interesse da sein, wenn Lernen Pflicht ist? Die „Lernzuwächse“ sind nicht freiwillig erworben, werden dazu permanent und ungefragt bewertet — „das ist, als würde man ohne sein Einverständnis zu einem Wettbewerb angemeldet und dann auch noch für sein schlechtes Abschneiden kritisiert“.

Pharmazeutisch-technische Zurichtung/Normalsierung von Heimkindern

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, kam 2015 durch eine Doktorarbeit heraus, dass zwischen 1950 und 1975 zahlreiche Kinder, die sich in Obhut des Jugendamts oder der Landschaftsverbände befanden, in großem Maßstab gräßlichen medizinischen und pharmazeutischen Experimenten ausgesetzt waren. Deutschlandfunkkultur widmete dem Geschehen ein Feature.

Aus dem Leben eines Berufsverbandes

Psycholog’inn’en sind anfällig für die Verführung der Macht

So viel vorweg: Der hier verlinkte Artikel bezieht sich auf die amerikanische APA, für deutsche und internationale psychologische Berufsverbände wohl eine orientierende Größe. Sie war allerdings vor einigen Jahren in Verruf geraten, weil sie sich an Folterprogrammen beteiligt bzw. darin verwickelt war. Dieses Thema wird in dem Aufsatz noch einmal aufgenommen.

Interessant ist der Aufsatz aber noch aus anderen Gründen. Er beschreibt die Verstrickung eines Berufsverbandes mit den politisch Mächtigen. Demgegenüber missachtet er die eigene Fachlichkeit und ethische Grundsätze. So geht die Unabhängigkeit der Beratung verloren. Diese Frage taucht für den hiesigen Praktiker und die hiesige Praktikerin auf, (wenn er/sie es noch bemerkt) wenn er/sie dafür für Organisationen und Behörden für die Umsetzung einer bestimmten Politik eingesetzt sind.

Anschmiegung kann Karriere fördern und vielleicht sogar Stellen. Zu welchem Preis?

Herkunft und Status der Eltern definieren Chancen

Alle Jahre wieder

Wie verkümmert muss das Verantwortungsgefühl von Politikern und sonstigen Verantwortlichen sein (einschließlich der im Schulsystem Beschäftigten, denen die Kinder doch anvertraut sind), wenn sich diese Meldungen Jahr für Jahr wiederholen?

Herkunft und Status der Eltern definieren Chancen (zum Nachhören)

Auf derselben Seite finden sich weitere Links zum Thema.

Auf den Nachdenkseiten findet sich darüber hinaus ein Zitat aus einem OECD-Papier, das ein Licht auf die OECD wirft.

„Um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, sind sehr substanzielle Einschnitte im Bereich der öffentlichen Investitionen oder die Kürzung der Mittel für laufende Kosten ohne jedes politische Risiko. Wenn Mittel für laufende Kosten gekürzt werden, dann sollte die Quantität der Dienstleistung nicht reduziert werden, auch wenn die Qualität darunter leidet. Beispielsweise lassen sich Haushaltsmittel für Schulen und Universitäten kürzen, aber es wäre gefährlich, die Zahl der Studierenden zu beschränken. Familien reagieren gewaltsam, wenn ihren Kindern der Zugang verweigert wird, aber nicht auf eine allmähliche Absenkung der Qualität der dargebotenen Bildung, und so kann die Schule immer mehr dazu übergehen, für bestimmte Zwecke von den Familien Eigenbeiträge zu verlangen, oder bestimmte Tätigkeiten ganz einstellen. Dabei sollte nur nach und nach so vorgegangen werden, z.B. in einer Schule, aber nicht in der benachbarten Einrichtung, um jede allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung zu vermeiden.“

Hat also auch die OECD selbst nicht mit dazu beigetragen, dass das deutsche Schulsystem – höflich formuliert – bestenfalls suboptimal funktioniert?

So etwas dürften die meisten nicht von der OECD erwartet werden.

Zurück in die Zukunft?

Wir kratzen an der Oberfläche, wir reden und schreiben uns die Finger wund, nichts wird besser

Vielleicht hat das damit zu tun, dass wir das, was uns bewegt und schiebt nicht oder nur ungenau verstehen. Der Artikel von Cornelia Koppetsch im Merkur könnte helfen zu erfassen, was gerade geschieht.

Der Artikel ist frei zugänglich. Man sollte sich mit weiteren Beiträgen im Merkur beschäftigen.