Aufarbeiten, aufarbeiten, aufarbeiten …!

Heute wieder ein Hinweis auf einen Artikel, der weder ein schulpsychologisches noch ein schulisches Thema zum Inhalt hat – gleichwohl aber die Praxis von Schule und Schulpsychologie stark beeinflussen könnte. Und darüber hinaus, die Art und Weise, wie wir in dieser Gesellschaft zusammenleben werden.


Bernd Schoepe, auf den hier (gemeinsam mit seinem Kollegen Finn Jagow) schon hingewiesen wurde, befasst sich in einem längeren Aufsatz mit der Dringlichkeit einer Aufarbeitung der Corona-Pandemie und und mit der weithin spürbaren Abneigung, eben das zu tun. Er schlägt dabei einen weiten historischen und demokratietheoretischen Boden. Bedauerlich, dass solche Gedanken angesichts des Konzepts „des Fahrens auf Sicht“ (oder ist es vielleicht noch nicht einmal das?, denn tatsächlich handelt es sich wohl um ein Fahren im Datennebel) weder in den Qualitätsmedien, noch in den alltäglichen Debatten eine Rolle spielen.) Gleichermaßen beunruhigend und einer Aufarbeitung würdig ist demgegenüber die Bereitschaft zu Totalitarismus und Autoritarismus. Im Gegenzug ist das Erziehungsziel der Mündigkeit schwer infrage gestellt:


»Warum Mündigkeit so wichtig ist? Weil sie das Immunsystem unserer Demokratie ist! Die Aufgabe der Mündigkeit (im doppelten Wortsinn!) wäre daher auch das Thema oder genauer Gesagt die offene Wunde, die uns die Corona-Krise hinterlässt und die zu ihrer Aufarbeitung uns anhalten sollte.«

Soll auf dem Sediment der Scherbenhaufen der verwilderten, verängstigenden, isolierenden, auf Macht und Kontrolle basierenden Maßnahmen eine demokratische, solidarische Gesellschaft entstehen? Das wird nicht gehen. Gelingt die Aufarbeitung nicht, werden sich die Folgen der Deformierungen hinter unserem Rücken vollziehen und den Kreativitätsfluss und Gestaltung der Zukunft behindern.

Unbedingte Leseempfehlung.

Zu Beginn dieses Posts wurde auf die Untersuchung hingewiesen, die Bernd Schoepe und Finn Jagow mit Hamburger Schulklassen durchführten. Sie haben dazu eine Ergänzung verfasst. Unter anderem schildern die beiden Lehrer die Wirkungen ihrer Studie.

Die GEW Ansbach veröffentlicht auch zahlreiche rührende, nachdenkliche, analytische Texte von Götz Eisenberg

Die Lage der Kinder und Jugendlichen in der Post-Corona-Epoche und die politische Lähmung

»Die betroffenen Kinder fühlten sich der Pandemie hilflos ausgeliefert, ohnmächtig und handlungsunfähig. Hatten sie schon vorher unter familiären Problemen gelitten, plagten sie nun vermehrt Zukunftssorgen. Psychosozial am meisten belastet waren Kinder und Jugendliche, die ohnehin unter großem Stress standen und Ess-, Schlaf- oder Zwangsstörungen hatten. Sie wurden teilweise noch ängstlicher, schweigsamer und lustloser. Viele gerieten völlig aus dem seelischen Gleichgewicht, was sich mit dem Ende der Pandemie nicht automatisch erledigt haben dürfte. Selbst wenn die Pandemie für immer überwunden sein sollte, hat sie zu einer Krise der Kindheit geführt und Kinder der Krise hinterlassen. Kinderrechte und Kinderschutz wurden in der Pandemie entweder vernachlässigt oder sogar ausgehebelt.«

Christoph Butterwegge


Trotz solcher Einschätzungen scheint es in der veröffentlichten Meinung kaum mehr jemanden zu geben, der (oder auch die) artikuliert, zu artikulieren wagt, dass zwei Großereignisse (Pandemie und Ukraine-Krieg), die in ihrer Wirkungstiefe noch nicht wirklich erfasst sind, auf Schulpsychologie und Pädagogik immensen Einfluss haben. Meines Erachtens reicht es da nicht aus, auf einen Ausbau der Schulpsychologie hinzuweisen, auf eine intensivere Nutzung von therapeutischen Hilfen, mehr Angebote zu machen etc. Das könnte am Ende noch darauf hinauslaufen, man wolle vom Elend profitieren und gleichzeitig Förderer ggf. problematischer Politiken sein.

Weiterlesen „Die Lage der Kinder und Jugendlichen in der Post-Corona-Epoche und die politische Lähmung“