Gewalt und Verachtung − gängige Mittel der Durchsetzung

Wenn die Politik sich überrascht von der Gewalt gibt, ist das ein Täuschungsmanöver. Wer wollte, konnte es besser wissen

Ein Interview mit Wilhelm Heitmeyer zeigt das

Wir haben auch auf das Phänomen einer „rohen Bürgerlichkeit“ hingewiesen, weil wir feststellten, dass sich hinter der glatten Fassade wohlgesetzter Worte oft ein Jargon der Verachtung verbirgt. In neuerer Zeit zeigt sich auch die Tendenz, Menschengruppen nach Kriterien der Effizienz, Verwertbarkeit und Nützlichkeit zu bewerten. Das sind Gesichtspunkte, die in der kapitalistischen Wirtschaft funktional sind. Das Fatale ist, dass sich diese Maxime in die sozialen Lebenswelten hineingefressen haben. Es ist eine der verhängnisvollsten Entwicklungen der letzten Jahren. Der Kapitalismus ist übergriffig geworden.

Was meinen Sie, wenn Sie von Integration sprechen?

In unserem Verständnis geht es erstens darum, ob jemand Zugang zu den Funktionssystemen wie z. B. Arbeit hat und dadurch Anerkennung erwerben und genießen kann. Zweitens stellt sich die Frage, ob man als Einzelner oder als Gruppe bei öffentlichen Angelegenheiten eine Stimme hat und wahrgenommen wird, denn dadurch entsteht moralische Anerkennung als Bürger. Drittens geht es um die Anerkennung der individuellen Integrität und die der eigenen Gruppe, um dadurch emotionale Anerkennung und Zugehörigkeit zum Gemeinwesen zu entwickeln.

Auch viele der sogenannten seit Generationen hier lebenden Deutschen sind nicht integriert, insbesondere was die Anerkennungsgefühle und –erfahrungen angeht.

Fordern und Fördern

Jetzt auch für Flüchtlinge

Da ist sie endlich in Gesetzesform gegossen: die staatliche Erziehungsmaschine, genannt Integrationsgesetz. Wie schon bei Hartz IV ern, bei nicht wenigen Beantragungen von Hilfen in der Schule, wird Flüchtlingen und Asylbewerbern erst einmal signalisiert: „Wir misstrauen dir. Wir gehen davon aus, dass du dir Mittel erschleichst und betrügst. Weil du ein undisziplinierter Mensch bist, kontrollieren wir dich. Dass du ein guter Mensch bist, nehmen wir dir nicht ab. Was du an Eigenheiten mitbringst, muss schon in unser Kontrollschema passen. Was du dann von uns bekommst, nennen wir Förderung.“

Ausführlich dazu Heribert Prantl in der Süddeutschen

Ist die Inklusion die Steigbügelhalterin für die Privatisierung des Schulwesens?

Clemens Knobloch lässt mit seinem Aufsatz die Schwierigkeiten mit der Inklusion in einem neuen, und mir scheint, klarem Licht, verstehbar werden. Er bezweifelt die humanitäre Gesinnung, die allenthalben bekundet wird, wenn über Inklusion gesprochen wird. Die hoffnungsvollen (und anstrengungsbereiten) Befürworter der Inklusion müssen sich fragen, ob sie nicht einer Variante der neoliberalen Politik auf den Leim gegangen sind. Wie müssen Theorie und Praxis der Überwindung von Ausschluss aussehen, damit Inklusion mehr ist als ein moralischer Anspruch, mit dem Kinder, Eltern und Lehrer vorgeführt werden und zudem noch Agenten von Privatisierungspolitik werden?

In der neoliberalen Bildungsideologie ist das (kostenfreie) öffentliche Schulwesen als staatliche Restinstitution für diejenigen vorgesehen, die sich private Bildungseinrichtungen nicht leisten können. Der Staat hat sich nur um die zu kümmern, die nicht am Markt teilnehmen können. Viel zitiert wird in diesem Zusammenhang der OECD-Policy Brief Nr. 13 aus dem Jahr 1996, eine wahre Fundgrube nützlicher Ratschläge für Staatsakteure, die das öffentliche Bildungswesen gesund- oder besser kranksparen wollen, ohne dafür politische Rechnungen serviert zu bekommen (mehr dazu in Knobloch 2012: 115-118). Geraten wird da u.a. zum schrittweisen Absenken der angebotenen Schul- und Bildungsqualität im öffentlichen Bereich. Und wenn die auch noch politisch korrekt und moralisch geboten ist wie im Falle der Inklusion, kann man das getrost als das Ei des Kolumbus bezeichnen.