Schulreform in Hamburg braucht Oppositionsparteien – und Niedersachsen Schulpsychologen

Endlich hat das Feilschen ein Ende. Vielleicht waren die sechs Verhandlungen zwischen „Wir wollen lernen“ und dem Senat dafür gut, zu erkennen, dass es den Verhandlungsführern der Initiative um die Rettung des Prinzips „Wir sind wir und ihr bleibt draußen“ ging. GAL und CDU machten Kompromisse, die den Unterstützern der Reform arge Schmerzen bereiteten. Nun kommt es darauf an, ob Linke und SPD Gefallen an den Konzepten der Regierungsparteien finden können – und diese an denen der Opposition. Dazu ein taz-Artikel: Mitwirkung der Oppositionsparteien

Niedersachsen hat in den vergangenen Jahren massiv Stellen für Schulpsychologie abgebaut. Nun ist es doch gelungen, diesen Skandal öffentlich zu machen. GEW und BDP stellten eine Studie vor, die zeigt, wie dringlich der Ausbau ist. Sollte es zu einem Ausbau oder besser: Wiederaufbau kommen, möchte man allen Beteiligten wünschen, dass sie nicht nur auf die Quantität schauen, sondern auch darauf, wie sich sicherstellen lässt, dass die Psychologie eine größtmögliche multiplikatorische Wirkung entfalten kann. Dazu würde gehören, dass sie nicht nur auf das Kind fokussiert ist, sondern auch darauf, dass die Lehrer selbst unterstützt werden, sich besser auf Kinder einstellen zu können, dass sie Kooperationsformen entwickeln können, die das Schulklima verbessern.

Hier ein Kommentar Was ist rentabel?

Und hier der Artikel Niedersachsen schwach

Literaturhinweis Stiftungen

Stiftungen als Ausdruck von Bürgersinn und Wohltätigkeit?

Gerne werden Stiftungen als Ausweg aus den Notlagen beschworen, die der angeblich arme Staat hinterlässt, nicht zuletzt in der Bildung. Jedoch: Zweifel sind angebracht. „Philanthropie ist fast immer zutiefst undemokratisch insofern, als die wohlhabende Elite ihre Ressourcen einsetzt, um ihre eigene Vorstellung von öffentlichem Wohl durchzusetzen.“ Diese Einschätzung stammt nicht aus der Gegenwart, sondern aus der Zeit der Aufklärung und der aufkommenden Demokratie.

Robert Jacobi macht in seinem Buch: „Die Goodwill-Gesellschaft. Das Milliardenspiel der Stifter, Spender und Mäzene“. Murmann Verlag, Hamburg 2009, 250 Seiten

unter anderem darauf aufmerksam, dass das Stiftungswesen keineswegs so bürgerschaftlich und demokratisch ist, wie es uns von Stiftern und Politik nahegelegt wird. Hier die Buchbesprechung vom Deutschlandradio Kultur: Literaturhinweis Stiftungen

Marktgläubigkeit untergräbt Zusammenhalt, Unmut bei Bürgern wächst

„Das erfordert u.a. den Verzicht auf einen gnadenlosen und ungesunden Konkurrenz- und Leistungsdruck, die Aufteilung der Lebensarbeitszeit in Phasen der Beschäftigung und der Weiterbildung und vor allem die Beseitigung aller Nachteile, die den Frauen heute durch die Entscheidung für ein Kind, entstehen. Parallel dazu, muss unser selektionsorientiertes Bildungssystem zu einem finanziell und personell gut ausgestatteten System der Begabungsförderung für Kinder- und Jugendliche aus allen sozialen Schichten werden, in dem kein Kind mehr zurückgelassen werden darf.“

Das ist ein Auszug aus einem Essay von Joachim Weiner, der am 25.12.2009 im Deutschlandfunk zu hören war. In aller Klarheit zeigt der Autor, in welch gigantischem Ausmaß die Bildungspolitik, aber auch die Gesamtpolitik auf Ziele ausgerichtet ist, die die Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft untergräbt.

Der Unmut über diese Politik wächst, auch wenn sich das bisher nicht in Wahlergebnissen niederschlägt. Nachzulesen hier Unzufriedenheit mit Politik wächst oder hier Unzufriedenheit mit Politik wächst – Bertelsmann-Stiftung

Hier der Link zum vollständigen Essay Joachim Weiner und hier noch ein Auszug aus dem Essay: Weiterlesen „Marktgläubigkeit untergräbt Zusammenhalt, Unmut bei Bürgern wächst“

Aggressive Abschottung der Eliten im Namen der Gerechtigkeit und der Wissenschaft

Es stockt einem der Atem,

wenn man die Kampagne der Initiative „Wir wollen lernen“ verfolgt und wenn man erlebt, in welch großer Zahl Hamburger Bürger das Volksbegehren gegen die Schulreform in Hamburg unterschrieben haben. Bei genauerer Betrachtung wird aber auch deutlich, dass die Befürworter einer Schule mit mehr gemeinsamem Lernen Fehler gemacht haben und machen. Ohne eine tiefgreifende Analyse und ohne eine Bildungsbewegung wird das Schulsystem in der Sackgasse bleiben. Eine Meinung von Jürgen Mietz. Weiterlesen „Aggressive Abschottung der Eliten im Namen der Gerechtigkeit und der Wissenschaft“

Unterfinanzierung der Bildung bald behoben?

Nein.  Nicht wirklich. Aber buchhalterisch schon.

Nur ein paar Zahlentricks – aber so kommen schon einige Milliarden zusammen, die die Finanzierungslücke zumindest für die propagandistische Ausrufung der Bildungsrepublik Deutschland verkleinern.

„Hochgerechnet würden Pensionen für Beamte (bis zu 4,6 Milliarden Euro), fiktive Unterbringungskosten für Hochschulen, Schulen und Kitas (zehn Milliarden Euro) oder private Kosten für Bildung. Mit allen Tricks müssten Bund und Länder nach Vorstellungen der Länder 13 Milliarden Euro zusätzlich investieren, der Bund sieht eine Lücke von 16 Milliarden. Vor einem Jahr war noch von 28 Milliarden Euro die Rede.“ (taz)

Die buchhalterische Lösung der Bildungsmisere

Schulpsychologen haben eine hohe Duldungsfähigkeit

Der Deutschlandfunk berichtete am 12.11.2009 über die Lage in den Schulen, 9 Jahre nach PISA. Ein Satz daraus:

„Kinder sind in dem Alter, im neunten, zehnten Lebensjahr in hohem Maße intensiv deprimiert. Es gibt eine ganz hohe Inzidenz von Depression, Belastung, von Albträumen. Die Schulpsychologen können ein Lied davon singen. Als Dulder dieser Auslese sind sie außerordentlich tangiert, es sei denn, sie kommen aus privilegierten Gruppen.“

Es gab aber noch mehr Interessantes zu hören: Gute Zusammenfassungen und Kommentare. Gut geeignet, um sich in Zeiten des Wortgetümmels um Bildung nicht kirre machen zu lassen.

DLF, 9 Jahre nach PISA

Wie wollen wir lernen, wie wollen wir leben?

Angstlernen macht krank und ist entwürdigend

Nicht zuletzt die Zahl der Nachhilfestunden, die erforderlich sind, um das Abitur zu ereichen, sind ein Hinweis darauf, dass mit dem System des Lernens und Lehrens etwas nicht stimmen kann. Losgelöst von persönlichem Sinn gehen Schüler morgens in die Lernfabriken und mittags oder nachmittags hinaus. Von Bildung als Weg zur Mündigkeit, zur Einführung in die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, zu Mitgefühl und Urteilsfähigkeit lässt sich kaum noch sprechen. Welche Rolle spielen die Schulpsychologen in diesem Zirkus? Wie steht es um ihre ethische Selbstverpflichtung, der Individualiät Respekt zu verschaffen? Und dafür gemeinsam eine Kritik des Systems zu wagen? Diese Fragen können einem wieder einmal kommen, wenn man den spiegel-online-Bericht aus der Welt des Gymnasiums liest: entfremdetes Lernen

„Bei einer anonymen Umfrage unter rund 55.000 Gymnasialeltern kam heraus, dass bei den Sechstklässlern fast jeder fünfte, bei Siebt- bis Neuntklässlern schon fast jeder vierte Schüler Nachhilfestunden nimmt. Und das ist nur das Ende der Kette: Häufig haben sich vorher schon die Eltern mit ihren Kindern abgemüht, sich an ihnen abgekämpft, bis sie für diese Ersatzschule am Küchentisch keine Zeit oder keine Nerven mehr hatten.“

 

Die gemobbte Gesamtschule und falsche Vergleiche

Ein erheblicher Teil schulpsychologischer Kapazität wird durch die Kollateralschäden des vielgliedrigen Schulsystem absorbiert. Ängste und Positionskämpfe, Empfehlungen der Lehrkräfte, die die real existierenden Benachteiligungsmechanismen des Gymnasiums zur Grundlage haben binden nicht selten die Ressourcen schulpsychologischer Dienste. Mit einer echten Gesamtschule wäre das nicht passiert. Valentin Merkelbach stellt die Leistungen dieser Schulform ins Licht – und wirft damit die Frage auf, ob das Zwei-Säulen System, das uns in einigen Bundesländern erwartet, ein wirklicher Fortschritt ist. Gemobbte Gesamtschule

„Die verstärkte Zustimmung von Eltern zur Gesamtschule, die seit Jahren zu beobachten ist und in einem engen Zusammenhang steht mit dem Niedergang der Hauptschule, erfährt durch das Gymnasium einen weiteren Attraktivitätsschub. Seit die Bundesländer begonnen haben, die Gymnasialzeit in der Sekundarstufe I auf fünf Jahre zu verkürzen, wird die Gesamtschule auch für bislang gymnasial orientierte Eltern akzeptabel. Hat die Gesamtschule, also nur an Akzeptanz gewonnen, weil andere Schulformen an Zustimmung eingebüßt haben?“