Der Vormarsch pharmakologischer Verhaltenssteuerung − kein Problem?

Götz Eisenberg konstatiert einen »pharmakologischen Seelenmord«

In der Bildung und in den Berufsverbänden der Psychologinnen und Berater spielt die pharmakalogisch und medizinisch fundierte Verhaltensoptimierung keine Rolle. Diese Form der »Optimierung«  bricht jedoch mit allem, was Bildung und Berufsverbände als Ziel und Zweck von Schule beschreiben. Dennoch halten sich Kritik und Verurteilung in engen Grenzen, sowohl von staatlicher Seite als auch von der Seite der Professionen.

Eltern beschreiten den Weg zu Arzt und Apotheker auch deswegen, weil sie sich selbst an den Modus der pharmakologischen Moderation von Konflikten gewöhnt haben und bei jeder Gelegenheit irgendein Medikament einnehmen. Das als „Unternehmer seiner selbst“ konzipierte Subjekt muss bei Strafe des Untergangs lernen, sein als Störfaktor auftretendes Seelenleben mittels Drogen und Medikamenten zu regulieren und auf Vordermann zu bringen.

Sind die Verstrickung und Verwobenheit, vielleicht auch die mehr oder weniger geahnte Komplizenschaft der Institutionen und Menschen größer als wir wahrhaben wollen? Können wir den »pharmakologischen Seelenmord« hinnehmen, obwohl die vermeintliche Optimierung doch tief in die Körper und Persönlichkeiten eingreift?

Götz Eisenberg breitet unterschiedliche Facetten des Themas aus und regt an, die eigenen und gesellschaftlichen Werte / Leitlinien des Unterrichtens und Beratens zu hinterfragen

 

 

Wütest du schon oder brütest du noch?

Über den Zusammenhang von Depression und Aggression und über die Dynamik des Verschweigens

Wieder einmal beschreibt Götz Eisenberg in einem Aufsatz, der den Zusammenhang von Subjekt und Gesellschaft am Beispiel von Katastrophe und Amok plausibel aufzeigt, dass es absolute Sicherheit nicht gibt. Und dass die Sicherheit, die wir haben können, wesentlich durch soziale Sicherheit und Bindung zu schaffen ist und nicht durch technische und bürokratische Kontrolle. Nicht zuletzt ist es eine Frage der Schule, welchen Zielen sie sich verpflichtet. Leistungsdruck, Erfolgszwang und Wettbewerbsorientierung tragen perspektivisch die Verachtung desjenigen in sich, der versagt. So gut es geht, mag er oder sie sich an den leuchtenden Zielen ausrichten. Was aber, wenn es nicht gut geht? Leicht können wir es dann mit mehr oder weniger versteckten Formen der Depression oder Aggression zu tun bekommen.

Diese Gesellschaft setzt nach Katastrophen, wie der gerade erlebten, auf den Ausbau technisch-instrumenteller Sicherheit, auf Überwachungs- und Kontrolltechniken, an denen gewisse Industrien gut verdienen. Dabei böte allein soziale Sicherheit langfristig erheblich mehr Schutz. Soziale Sicherheit ist ein dynamischer Faktor, der im Wesentlichen durch das in einer Gesellschaft herrschende Klima bestimmt wird, das zwischenmenschliche Akzeptanz und Vertrauen erzeugt oder eben eher unterbindet. Der vom Wettbewerbswahn entfesselte Sozialdarwinismus erzeugt eher ein Klima des Misstrauen und der gegenseitigen Verfeindung.

Aber auch in einer freieren, weniger repressiven Gesellschaft werden wir mit gewissen Risiken leben müssen. Wer nach perfekter, lückenloser Sicherheit strebt, kommt darin um.