»Warum wir den Mut brauchen, psychische Erkrankungen wieder in ihrem gesellschaftlichen Gesamtkontext zu sehen.«

heißt es im Artikel, auf den hier verlinkt wird.

Erfreulich, dass ein Artikel, der sich gegen die Gesellschaftsblindheit der Psychologie und Psychiatrie wendet, an prominenter Stelle, wie Spektrum, erscheinen kann.

Um so bedauerlicher, dass ein Denken dieser Art in deutschen Studiengängen, geschweige denn in Schulbehörden nur schwer zu finden ist.

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Unter den fünf, für das Ausstellen einer Depression erforderlichen Symptomen, muss gemäß DSM-5 zwingend eins der beiden Hauptsymptome auftauchen: Depressive Stimmung oder Verlust von Interesse und Freude.[1] Ist dies nicht der Fall, so ist es der Definition nach auch keine Depression. Für die Diagnose ist dabei die Ursache der Symptome unerheblich, es kommt lediglich auf ihre Präsenz oder Abwesenheit an. Dies macht es auch nebensächlich, ob die Symptome inmitten einer schweren Lebenskrise auftreten oder ohne äußeren, erkennbaren Grund. In beiden Fällen gilt die Person als depressiv erkrankt, diagnostiziert mit einer psychischen Störung.

An markanten Beispielen, wie der Deutung psychischer Erkrankungen von Frauen, zeigt die Autorin, wie zeit- und gesellschaftsgebunden psychologische Diagnostik sein kann:

Aus heutiger Sicht auf damalige Verhältnisse ist wohl allen klar, dass die Umstände an den Pranger gestellt werden müssen, nicht die Frauen selbst. Es wäre fatal, wenn jene Hausfrauen sich still und leise mit der Krankheit Depression identifiziert hätten, anstatt für bessere Lebensbedingungen auf die Straße zu gehen.

Lesenswert.

Die Psychologie lässt den Menschen im Stich

So kann man die Antworten Nora Rucks in einem Interview mit dem Freitag vom 5.7.2018 deuten

Psychologie und Psychotherapie lassen Menschen im Stich, indem sie in aller Regel von den gesellschaftlichen, sozialen Entstehensbedingungen von Krankheiten absehen und diese – die gesellschaftlichen Bedingungen – nicht diagnostizieren (oder sie unter den Tisch fallen lassen). Allein dem Individuum wird die Verantwortlichkeit für seine Besserung „aufgehalst“, möglicherweise unter Verschweigen  dieser „unmöglichen“ Verkürzung um die Gesellschaftlichkeit des Menschen. Die Gesellschaft und der soziale Rahmen werden nicht angetastet. Damit werden Psycholog’inn’en und Psychotherapeut’inn’en zu stabilisierenden Helfern der Institutionen.

Der Text liegt hinter einer Bezahlschranke, so dass ich nicht auf ihn verlinken kann. Vielleicht mag sich jemand am Kiosk oder an der Bahnhofsbuchhandlung den Freitag kaufen. (Freitag.de)

Hier noch ein Link zu Nora Ruck

Psychiatrie als Hilfspersonal für die Polizei?

Das Polizeigesetz in Bayern ist schon ein Schritt in Richtung Willkür. Der nebulöse Begriff des Gefährders (und der Gefährderin) eignet sich für die Ingewahrsamnahme nach gusto.

Der Entwurf eines neuen Psychiatriegesetzes setzt diese Linie fort. Wer psychisch krank ist, ist ein Fall für die Polizei. Darüber berichtet die Süddeutsche Zeitung und Heribert Prantl kommentiert.

Wer mag, kann bei change.org protestieren.

Ob Ärzteverbände, Psychologie-, Psychotherapeut’inn’enverbände und Psychotherapeutenkammern schon protestiert haben, ist mir nicht bekannt.