»Warum wir den Mut brauchen, psychische Erkrankungen wieder in ihrem gesellschaftlichen Gesamtkontext zu sehen.«

heißt es im Artikel, auf den hier verlinkt wird.

Erfreulich, dass ein Artikel, der sich gegen die Gesellschaftsblindheit der Psychologie und Psychiatrie wendet, an prominenter Stelle, wie Spektrum, erscheinen kann.

Um so bedauerlicher, dass ein Denken dieser Art in deutschen Studiengängen, geschweige denn in Schulbehörden nur schwer zu finden ist.

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Unter den fünf, für das Ausstellen einer Depression erforderlichen Symptomen, muss gemäß DSM-5 zwingend eins der beiden Hauptsymptome auftauchen: Depressive Stimmung oder Verlust von Interesse und Freude.[1] Ist dies nicht der Fall, so ist es der Definition nach auch keine Depression. Für die Diagnose ist dabei die Ursache der Symptome unerheblich, es kommt lediglich auf ihre Präsenz oder Abwesenheit an. Dies macht es auch nebensächlich, ob die Symptome inmitten einer schweren Lebenskrise auftreten oder ohne äußeren, erkennbaren Grund. In beiden Fällen gilt die Person als depressiv erkrankt, diagnostiziert mit einer psychischen Störung.

An markanten Beispielen, wie der Deutung psychischer Erkrankungen von Frauen, zeigt die Autorin, wie zeit- und gesellschaftsgebunden psychologische Diagnostik sein kann:

Aus heutiger Sicht auf damalige Verhältnisse ist wohl allen klar, dass die Umstände an den Pranger gestellt werden müssen, nicht die Frauen selbst. Es wäre fatal, wenn jene Hausfrauen sich still und leise mit der Krankheit Depression identifiziert hätten, anstatt für bessere Lebensbedingungen auf die Straße zu gehen.

Lesenswert.

Gewissensfragen der Schulpsychologie und Schulberatung

Wie überholt ist das denn? Oder ist es überfällig,

sich damit zu befassen?

Ich habe mich mit dem Thema befasst. Ein Aufsatz dazu ist erschienen. Ich beschreibe eine Lage zwischen Lethargie und Unbehagen, in der sich Schulpsycholog’inn’en und Schulberater’innen befinden. Ich weise auf tatsächliche Einschränkungen beraterischer Praxis und Konzepte hin und auf die hohen ethischen Ansprüche, mit denen Berufsverbände Schulpsychologie versehen. Fremd- und Selbstbeschränkungen im beruflichen Handeln drohen ethische Ansprüche zur Fiktion werden zu lassen und werfen Gewissensfragen auf.

Die Themen des Aufsatzes sind unter anderem

Vermessung der Persönlichkeit

Resilienz und Emotionsregulation

Wissenschaftliche Neutralität und Gesellschaftsblindheit

die Umsetzung von Inklusion

und andere mehr. Der Aufsatz ist im Handbuch der Schulberatung bei mgo-fachverlage erschienen. Das Handbuch präsentiert ein breites Spektrum schulberaterischer Praxis.

Nachdenken über Gesellschaftsblindheit in der Psychologie

Heiner Keupp animierte mich mit seinem Vortrag und Aufsatz »Das verlorene Selbst der Psychologie. Für die Überwindung der Gesellschaftsblindheit« zu einem eigenen Text. Der drohte mir aus den Fugen zu geraten, steht hier nun aber doch bereit, um gelesen zu werden.

Nachdenken über Gesellschaftsblindheit

»Das erschöpfte Selbst der Psychologie«

Psycholog’inn’en in der Ohnmachtsfalle?

Kürzlich war in Hamburg eine Vorlesung von Heiner Keupp zu hören. Das erschöpfte Selbst der Psychologie. Für die Überwindung ihrer Gesellschaftsblindheit«, war sein Thema. Ich war verblüfft, als ich eine Woche zuvor eine Einladung erhielt. Wie aus der Zeit gefallen wirkte es, von so einer Veranstaltung an einer Uni zu hören. (Hier ein ähnlicher Text von Heiner Keupp, hinzugefügt am 29.1.2018)

Heiner Keupp berichtete über die Entwicklung der Psychologie in den letzten 30, 40 Jahren. Über den Aufbau einer Gemeindepsychiatrie in Hamburg, den er mitbetrieb, über ähnliche Initiativen in anderen Städten, zum Beispiel München, wo Heiner Keupp lange Jahre als Professor arbeitete. Er blickte auf ein Werk zurück, das Spuren hinterlassen habe. Tatsächlich gibt es die Irrenhäuser von „damals“ nicht mehr; stattdessen gibt es ein komplexes System gemeindenaher sozialpsychiatrischer Hilfen.  (Hier seine Standpunkte zur Entwicklung der Sozialpsychiatrie)

Seine Bemühungen und die vieler Gleichgesinnter galten einer Humanisierung der „Welt“. Sie wollten Beiträge zu mehr Selbstbestimmung der Menschen leisten. Diese brachten in der Patientenbewegung ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse ein, nicht selten zur Irritation der Professionellen.

Aber irgendwann riss der Faden des emanzipatorisch gemeinten Projekts

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