Bildung – Kultur – Barbarei – Zivilisation

Zum Jahresbeginn ein etwas längerer Artikel von Gert Heidenreich. Was braucht die moderne Gesellschaft, die häufig eine Wissensgesellschaft oder Informationsgesellschaft sein soll? Wird der kompetenztrainierte Mensch den Anforderungen gerecht?

»den eigenen Ort in der Welt (zu) finden und (zu) verstehen. Genau das ist offenbar kein Ziel der Pädagogik mehr – die Inhalte, die dafür nötig wären, werden zurückgedrängt zugunsten anderer Curricula, deren unmittelbar nützliche Anwendbarkeit im Berufsleben hervorgehoben wird. Der trainierte Mensch, der dabei entsteht, hat als Idealbild der sogenannten Informationsgesellschaft den gebildeten Menschen abgelöst.«

Hier geht es zum Text von Gert Heidenreich

Politisch-ministeriale Durchsteuerung oder Fachlichkeit?

Es ist schon einige Tage her, dass ich diesen Artikel in der Süddeutschen fand. Und zwar in der Abteilung Medien. Was die mit Bildung und Schulpsychologie zu tun haben, erschließt sich vielleicht erst auf den zweiten Blick. Es geht um das Verhältnis der Macher und Gestalter vor Ort und ihrer allmählichen Entmachtung zugunsten der politisch und ministerial Verantwortlichen, die gemäß ihres Verständnisses entscheiden und verfügen — was nicht unbedingt von Fachlichkeit und Demokratie durchdrungen ist.

Demokratie am Ende – oder mehr Demokratie wagen?

In zahlreichen Organisationsentwicklungsansätzen ist die Rede davon, dass es darum gehe, die die Erfahrungen und Potenziale der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzubeziehen. Nicht selten mündete dies darin, Spielwiesen für Interessierte einzurichten. Nicht selten walzte später eine Maschine von Sachzwängen über zarte Pflänzchen der Beteiligung hinweg. Parallel wurden in nicht wenigen Bundesländern die die Mitbestimmungsrechte eingeschränkt (in NRW wurden sie nach der letzten Wahl von Rotgrün teilweise wieder hergestellt).

Was in Fragen der Finanz- und Europapolitik immer mal wieder zu hören ist, ist eine Klage über den Demokratiemangel: In Hinterzimmern würden keine oder nur schwach legitimierte Ausschüsse anordnen und verfügen, so der Ex-SPD-Europapolitiker Günter Verheugen. Gleiches lässt sich aber auch in der Bildungspolitik beobachten. Schulen und neueinzurichtende Dienststellen und Abteilungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Umsetzung der Inklusion, sehen sich zu einer Manövriermasse von Politik und Verwaltungen degradiert. Was in Schule noch ohne Widerstand hingenommen wird, entwickelt sich an anderen Stellen gegenteilig. Der Anti-S21-Virus wird zu einer Horror-Vision der Großstragegen, die zu wissen meinen, was gut und richtig ist. Inzwischen gibt es offen Forderungen, die demokratischen Rechte einzuschränken, mit Sympathie in zahlreichen Medien verbreitet.

Das ist ein Hinweis darauf, dass Ziele wie Inklusion, Bildungsgerechtigkeit, Bildung als Mittel der Emanzipation und auch Beratung als Mittel emanzipatorischer (Selbst-) Aufklärung auf eine breite Bewegung für Bildung angewiesen sind. Das Denken in Kategorien von Wahlperioden, der Zuständigkeit von Parteien greift zu kurz. Vorbild: die Anti-Atombewegung – oder die Bewegung gegen S21. Kleiner scheint es nicht zu gehen.

 

Bertelsmann durch Rot-grün wieder im Bildungsgeschäft

Wer hätte das gedacht: Rot und Grün holen die Bertelsmann-Stiftung in die NRW-Schulpolitik zurück. Die Bertelsmann-Stiftung ist wohl nur noch formal als gemeinnützig anzusehen. Tatsächlich versucht sie seit Jahren das neoliberale Wirtschaftsmodell in der Gesellschaft zu etbablieren.

Ihre Aktivitäten sind verzweigt, leutselig in der Öffentlichkeit, verdeckt und zielstrebig bis aggressiv in der heimlichen Einflussnahme. Ihr Ziel ist die Privatisierung all dessen, was in öffentlicher Hand ist und Profit sowie Ideologieproduktion im Sinne des Neoliberalismus verspricht.

Der Bertelsmann-Stiftung gehört unter anderem RTL, ein Sender, der eifrig zur Verblödung beiträgt, aber auch das Bildungsverständnis offenbart.

Hier einige Links:

Kooperation Schulministerium – Bertelsmann-Stiftung

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Bertelsmannkritik

Gymnasium gesichert. Sekundarschule statt Gemeinschaftsschule. Weiterhin Gesamtschule, Realschule und Hauptschule. Die Kommunen sollen’s richten.

Kurz vor den Ferien oder in den ersten Tagen der Ferien gab es einige Meldungen, die aufhorchen ließen. Zweimal war es die rot-grüne Regierung in NRW, die mit sich selbst sehr zufrieden war.
Die rot-grüne Regierung verkündete einen so genannten Schulfrieden 2, den sie mit der CDU geschlossen hatte. Auf zwölf Jahre soll der angelegt sein.
Möglicherweise haben sich die Parteien SPD, Grüne und CDU jenseits aller versprochenen Schulpolitik des gemeinsamen Lernens damit den Frieden verschafft, den sie brauchen, wenn sie nach vorzeitigen Neuwahlen oder nach den nächsten regulären Wahlen untereinander koalitionsfähig sein und die Linkspartei von Einflussmöglichkeiten abschneiden wollen.

Diese sieht sich vor den Kopf gestoßen, war sie doch Sympathisantin des von Grünen und SPD propagierten gemeinsamen Lernens. Was es der Linkspartei erleichtert haben dürfe, der Minderheitsregierung ab und an ihre Stimmen gegeben zu haben. Hier ein Interview mit der Linkspartei

Die GEW pickt sich ihre Rosinen heraus, wenn sie sich auf neue Leitlinien für die Einrichtung von Sekundarschulen bezieht.
Dass bestimmte Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament Absprachen und Kompromisse erfordern, ist das eine. Ob sich die Handlungsfähigkeit der rot-grünen Koalition tatsächlich erhöht, wenn das gegliederte Schulsystem in der Verfassung neu verankert werden soll, dürfte allerdings fraglich sein. Die konservativen Kräfte werden sich das als Argument für ihre die Gesellschaft spaltende Schulpolitik und die Sicherung des Gymnasiums nicht nehmen lassen. So sicher das ist, so fraglich ist – zumal nach den Hamburger Erfahrungen – ob SPD und Grüne gewillt und in der Lage sind, um die Menschen zu werben, die am meisten auf gemeinschaftliches statt ausgrenzendes Lernen angewiesen sind. Einen saftigen Kommentar gibt es hier: Einen saftigen Kommentar gibt es hier

Und hier noch eine weitere Meinung von Attac Köln: Weiterlesen „Gymnasium gesichert. Sekundarschule statt Gemeinschaftsschule. Weiterhin Gesamtschule, Realschule und Hauptschule. Die Kommunen sollen’s richten.“

Wiederkehr der Stände

Abiturfeiern als Zeichen des Ständedünkels – das Diktat als Mittel der Disziplinierung

Die Rückkehr in die Vergangenheit schreitet voran. Ist in der Regel schon der Besuch des Gymnasiums eine Sache des Einkommens, so muss es auch gezeigt werden, dass man zu denen gehört, die dazugehören. Der Unterschied ist alles.  Protz und Pomp der Abiturfeiern sind Abklatsch der Inszenierung von Prominenz. Wo das Bedürfnis nach Anerkennung so stark ist, ist die Anfälligkeit für Betrug nicht weit. Hauptsache teuer. Aber keine Sorge. »Seriöse« Anbieter stehen sicherlich bereit, um die Ständegesellschaft auch diskret wiederherzurichten.

Ebenfalls zurück weist der Hamburger Senat mit der Rehabilitierung des Diktats. Als Mittel der machtbewussten Disziplinierung und Stresserzeugung passt es wieder in die auf Abgrenzung bedachte Ständegesellschaft.

Schulen immer abhängiger von der Wirtschaft

Schule ist noch dem Allgemeinwohl verpflichtet. Der Staat soll der Sachwalter des Allgemeinwohls sein. Mit dem wachsenden Einfluss der Bertelsmann-Stiftung, die dem Konzept des Neoliberalismus folgt und nur vermeintlich gemeinnützig ist, stattdessen aber den Ruf des heimlichen Bundesbildungsministeriums hat, ist das Prinzip der staatlichen Verantwortung schon seit einigen Jahren in Auflösung begriffen.

Wo die Bertelsmann-Stiftung seit Jahren die eigenen Geschäfts- und Unternehmensideen beackert, wollen auch andere Akteure ihre Felder bestellen. Die konsequente staatliche Unterfinanzierung des Schulwesens über viele Jahre hinweg, die Straffung durch Normen und Standards und fehlende Spielräume für ernsthafte pädagogische Entwicklung macht die Schule anfällig für Übernahmen durch die Wirtschaft. Die Bildungspolitik der letzten 20 Jahre hat diese Übernahme möglich gemacht.

Schwäche der Schule ist Stärke der Wirtschaftlobbyisten

Studie zum Wirtschaftslobbyismus an Schulen

Ergebnisse für deutsche Bildungspolitik unterirdisch

Knausern an der Bildung – ein Geschäftsmodell, das die Zukunft aufs Spiel setzt

Europas weitaus größte Wirtschaftsmacht, die durchsetzen möchte, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem deutschen Beispiel folgen und über Lohnsenkungen und Sozialabbau wieder wettbewerbsfähig werden, verspielt auf einem der wichtigsten Felder, nämlich der Bildung und Qualifizierung der nachrückenden Generation seine Zukunftsfähigkeit. Das belegt nicht nur der neue Bildungsbericht der EU-Kommission, das beweist auch das Scheitern der groß angekündigten „Qualifizierungsinitiative für Deutschland“. Zukunft wird verspielt

Schulreform pervertiert oder Desinformation der Medien?

Am 2.2. und am 3.2.2011 ließen Hamburger Abendblatt und Morgenpost (Meldung Morgenpost) die Alarmglocken klingeln. Was da zu lesen war, konnte einen in Scham, Wut und Empörung versetzen.
Scham, weil man sich nach den ersten Meldungen in all seinen Ambitionen, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen, hintergangen sah. Wie kann man Teil einer Behörde sein, die so gnadenlos die Grundlagen der Pädagogik und Menschenführung missachtet und sie durchKürzungswahn ersetzt? Und wie können Menschen in der Behörde, die in ihrem früheren Leben zu einem Teil Lehrer waren, sich zu solcher Desavouierung von Lehren, Lernen und Entwicklung hinreißen lassen?
Weiterlesen „Schulreform pervertiert oder Desinformation der Medien?“

Geschlossene Gesellschaft

Intelligenz – Genetik – Gymnasium – Grundschule – PISA

„Widersprüche und Ungleichheiten mit System“ könnte man als ein Fazit aus dem Interview festhalten. Man prüfe die Inhalte und lasse sich nicht davon abhalten, dass es sich bei dem Interviewten um einen Linken handelt.

Interview bei Telepolis, Teil 1

Interview bei Telepolis, Teil 2