Begrenzte Lernfähigkeit pädagogischer und sozialer Organisationen

Über die Schwierigkeit, Fachlichkeit und Kommunikation in »modern« rationalen Organisationen zu etablieren

Blickt man nach 15 bis 20 Jahren der Schulerneuerung auf die schulische Beratungslandschaft, muss man feststellen, dass trotz gelegentlichen Ausbaus der schulpsychologischen Dienste, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg und bei zahlenmäßig gutem Ausbaustand in Hamburg, trotz allfälligen Lobs für die immer wieder hervorgehobene »wichtige« Arbeit, mancher Zweifel bleibt, ob Beratung und Schulpsychologie auf einem guten Wege sind. In Niedersachsen wurden erst Stellen geschliffen – und sollen nun wieder neu geschaffen werden. Fraglich bleibt, wann und in welchem Umfang. In Thüringen wurde nach Erfurt viel versprochen, einiges gehalten und inzwischen wieder kassiert. Politik und Verwaltung scheinen unfähig oder nicht willens, die Problemkerne zu erfassen. Das hat Folgen.

Eine gute und verbesserte Personalausstattung ist sicherlich Grundvoraussetzung für Beratung – das ist trivial. Damit aus verbesserter oder guter Personalausstattung neue Möglichkeiten für Adressaten entstehen, bedarf es demokratischer Kommunikation. Die Fachleute gleicher und unterschiedlicher Berufszweige wie auch die Adressaten müssen in ein sach- und fachgerechtes Verhältnis zueinander gebracht werden. Dazu dient »Organisationsentwicklung«. Sie benötigt ein »Leitbild« und es muss durch sie entwickelt werden. Beinhaltet es grundlegende Widersprüche und Mehrdeutigkeiten, kommt es in zentralen Systemen, wie beispielsweise Schule und Jugendhilfe, zu Blockaden und Entwicklungsstörungen. Weiterlesen „Begrenzte Lernfähigkeit pädagogischer und sozialer Organisationen“

Ein Literaturhinweis zum Thema Amoklauf

Rezension

„Wenn Eltern und Familien ihre eigentlichen Erziehungsfunktionen nicht mehr oder nicht ausreichend wahrnehmen, sollten nach allgemeiner Auffassung die Schulen deren Defizite kompensieren. Eisenberg weist darauf hin, dass es nach dem Schulmassaker von Erfurt einen breiten Konsens darüber gegeben habe, dass es einen Zusammenhang zwischen einem einseitig leistungsfixierten Schulklima und der wachsenden Gewaltbereitschaft von Schülern gibt. Aber derartige Schlussfolgerungen aus dem Massaker seien schnell wieder beiseite gedrängt worden, als der sog. PISA-Schock die allgemeine Aufmerksamkeit erregte. „Seither wird weiter an der Leistungsschraube gedreht, und es wird standardisiert, evaluiert und modularisiert, was das Zeug hält. In dem Maße, wie Schulen sich als effiziente Zuliefererbetriebe für Industrie und Markt begreifen, werden sie verschärft zu Orten der Konkurrenz, der Selektion und damit auch der Kränkung. Da gleichzeitig bei den Heranwachsenden die Fähigkeit zur angemessenen Kränkungsverarbeitung immer weniger erworben wird, entsteht hier jede Menge schulischer Sprengstoff.““

Und hier der Link zur Buchbesprechung: Rezension des Buchs von Götz Eisenberg über Amok

Götz Eisenberg, Damit mich kein Mensch mehr vergisst. Warum Amok und Gewalt kein Zufall sind.
Pattloch Verlag 2010
303 Seiten
Preis: 16.95 Euro

Ist die Reformpädagogik kinder- und jugendgefährdend?

Die Reformpädagogik-Diskussion muss aufgenommen werden

Nicht nur die katholische Kirche ist unter Druck geraten. Sondern auch die Reformpädagogik. Das mit der ersteren etwas nicht stimmen konnte, wussten oder ahnten wir seit Jahren. Gehörte aber die Reformpädagogik nicht auf die Seite der Guten? Hoffnung derjenigen, die auf Emanzipation setzten? War Hartmut von Hentig nicht Garant und Leuchtturm einer humanen Grundlage der Pädagogik? Und sprach er nicht auch vielen Psychologinnen und Psychologen aus dem Herzen, die der Überzeugung waren und sind, dass sich Persönlichkeitsentwicklung und andere Ideale einer emanzipatorischen Psychologie sich in einer reformierten Pädagogik umsetzen ließen? Weiterlesen „Ist die Reformpädagogik kinder- und jugendgefährdend?“

Lob der Gleichheit

„Wir haben uns angeschaut, wie sich die Einkommensverteilung in 21 reichen Industrieländern auf diese Probleme auswirkt. Und wir haben herausgefunden, dass Länder, in denen die Kluft zwischen Arm und Reich gering ist, durchweg besser abschneiden. In den Ländern, in denen die Einkommensunterschiede groß sind, gibt es dagegen durchweg mehr Gewalt, mehr Gefängnisinsassen, mehr Teenagerschwangerschaften, schlechtere Schulabschlüsse, weniger soziale Mobilität. Die sozialen und gesundheitlichen Probleme sind größer. Die Mordraten sind in ungleicheren Gesellschaften zehnmal so hoch wie in gleicheren. Die Zahl der psychisch Kranken ist dreimal so hoch. In ungleichen Gesellschaften bringen sechs- bis achtmal so viele TeenagerKinder zur Welt.“

Lob der Gleichheit

Aggressive Abschottung der Eliten im Namen der Gerechtigkeit und der Wissenschaft

Es stockt einem der Atem,

wenn man die Kampagne der Initiative „Wir wollen lernen“ verfolgt und wenn man erlebt, in welch großer Zahl Hamburger Bürger das Volksbegehren gegen die Schulreform in Hamburg unterschrieben haben. Bei genauerer Betrachtung wird aber auch deutlich, dass die Befürworter einer Schule mit mehr gemeinsamem Lernen Fehler gemacht haben und machen. Ohne eine tiefgreifende Analyse und ohne eine Bildungsbewegung wird das Schulsystem in der Sackgasse bleiben. Eine Meinung von Jürgen Mietz. Weiterlesen „Aggressive Abschottung der Eliten im Namen der Gerechtigkeit und der Wissenschaft“

Warnhinweis: Entfremdetes Lernen gefährdet Gesundheit und Leben

Im Zusammenhang mit dem Tod von Robert Enke haben wir sehr viel gehört von Leistungsdruck und Stress, davon, wie sehr die Angst zu versagen Menschen beschämen und in die Verzweiflung treiben kann – bis zum Tod. Seine Geschichte – nicht zuletzt eine der Versagensangst – druckte der Spiegel eine Woche nachdem der Artikel über Stress und entfremdetes Lernen an Gymnasien erschienen war. (Einen Link gab‘ in diesem Blog) Mehr als eine zufällige Reihung oder doch Ausdruck einer Lebensform am Rande der (Selbst-) Zerstörung?

Hier  Links zu einigen Texten im Zusammenhang mit Robert Enke und unserer Lebensform:

Spiegelfechter, taz-Artikel zu Robert Enke, Micha Hilgers in der FR

Ministerin Sommer plädiert für Reduktion – ist sie damit schon auf dem Weg einer Humanisierung der Schule?

Ministerin Sommer will mal anhören, was die Schüler zu sagen haben … und sie sich kommen lassen. Jetzt sollen es die Schulen richten, die Lehrpläne zu entrümpeln, im Namen der Eigenverantwortung. Weiterlesen „Warnhinweis: Entfremdetes Lernen gefährdet Gesundheit und Leben“

Schulpsychologen haben eine hohe Duldungsfähigkeit

Der Deutschlandfunk berichtete am 12.11.2009 über die Lage in den Schulen, 9 Jahre nach PISA. Ein Satz daraus:

„Kinder sind in dem Alter, im neunten, zehnten Lebensjahr in hohem Maße intensiv deprimiert. Es gibt eine ganz hohe Inzidenz von Depression, Belastung, von Albträumen. Die Schulpsychologen können ein Lied davon singen. Als Dulder dieser Auslese sind sie außerordentlich tangiert, es sei denn, sie kommen aus privilegierten Gruppen.“

Es gab aber noch mehr Interessantes zu hören: Gute Zusammenfassungen und Kommentare. Gut geeignet, um sich in Zeiten des Wortgetümmels um Bildung nicht kirre machen zu lassen.

DLF, 9 Jahre nach PISA

Die gemobbte Gesamtschule und falsche Vergleiche

Ein erheblicher Teil schulpsychologischer Kapazität wird durch die Kollateralschäden des vielgliedrigen Schulsystem absorbiert. Ängste und Positionskämpfe, Empfehlungen der Lehrkräfte, die die real existierenden Benachteiligungsmechanismen des Gymnasiums zur Grundlage haben binden nicht selten die Ressourcen schulpsychologischer Dienste. Mit einer echten Gesamtschule wäre das nicht passiert. Valentin Merkelbach stellt die Leistungen dieser Schulform ins Licht – und wirft damit die Frage auf, ob das Zwei-Säulen System, das uns in einigen Bundesländern erwartet, ein wirklicher Fortschritt ist. Gemobbte Gesamtschule

„Die verstärkte Zustimmung von Eltern zur Gesamtschule, die seit Jahren zu beobachten ist und in einem engen Zusammenhang steht mit dem Niedergang der Hauptschule, erfährt durch das Gymnasium einen weiteren Attraktivitätsschub. Seit die Bundesländer begonnen haben, die Gymnasialzeit in der Sekundarstufe I auf fünf Jahre zu verkürzen, wird die Gesamtschule auch für bislang gymnasial orientierte Eltern akzeptabel. Hat die Gesamtschule, also nur an Akzeptanz gewonnen, weil andere Schulformen an Zustimmung eingebüßt haben?“

Das Beratergeschäft der Bertelsmann-Stiftung

Privat besser als öffentlich, ist das Credo der Bertelsmann-Stiftung und großer Teile der Politik. Aber Zweifel sind angebracht

Die Bertelsmann-Stiftung arbeitet in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft. Angeblich dem Gemeinwohl verpflichtet, aber immer mit dem Tenor, dass Privatisierung besser ist als öffentliche Hand und öffentliche Kontrolle. In Schule und Hochschule treibt sie die Ökonomisierung voran, von demokratischer Kontrolle und Entwicklung kritischen Denkens hört man bei ihr nichts. Die Bertelsmann-Stiftung wird schon als das heimliche Bundesbildungsministerium bezeichnet. Und eröffnet sich und dem Bertelsmann-Konzern neue Geschäftsfelder. Im Folgenden ein Beispiel, wie die Stiftung auf die Privatisierung kommunaler Dienstleistungen hinarbeitet – und dabei auf Widerstand stößt. Ein Artikel von Werner Rügemer in verdi-publik:

Zweifelhafte Beratung durch Bertelsmann