Wie fehlender Gesellschaftsbezug die Inklusion beschädigt und sie ins Gegenteil verdreht

Anmerkungen zu einem Vortrag von Birgit Herz

»Eine öffentliche Debatte über „Armut und Inklusion“ in schulischen und außerschulischen Institutionen von Bildung und Erziehung ist derzeit eher eine Leerstelle, obwohl sich hier das ganze Dilemma einer verfehlten Bildungs- und Sozialpolitik offenbart,« heißt es in einem pointierendem Artikel der Professorin Birgit Herz. Inklusionsrhetorik statt Inklusion könnte man sagen. Sie zeigt, wie der Mainstream der deutschen Erziehungswissenschaft Inklusionskonzepte von Autoren des Auslands anpasst, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass die Konzepte in ihrer gesellschaftsbewussten Substanz verändert wurden. Explizit gesellschaftskritische Ansätze werden demnach für eine naive inklusionspädagogische Strategie gemodelt. Weiterlesen „Wie fehlender Gesellschaftsbezug die Inklusion beschädigt und sie ins Gegenteil verdreht“

WDR Feature: Der geborene Lehrer

Ohne Persönlichkeit geht gar nichts

Ein sehr facettenreiches Bild zeichnete der Journalist Karl-Heinz Heinemann in einem Feature des WDR. Ein wesentliches Fazit: Die Persönlichkeit des Lehrers, der Lehrerin (und wie die Lehrkraft damit Beziehung gestaltet) ist der zentrale Schlüssel für eine veränderte Lernkultur und für die Motivation der Schüler. Weite Strecken des Features lassen sich in dem Sinn verstehen, dass es dringlich ist, Schulpsychologie für die Schule und für die Unterstützung der Lehrkräfte zu entdecken. (Diesem Thema widmet sich ein Seminar für schulpsychologische Berufseinsteiger auf dem Bundeskongress Schulpsychologie).

Hier der Link zur Sendung

Zur Sendung Der geborene Lehrer (zeitlich begrenzt)

und zum Manuskript der Sendung mit einer Literaturliste

WDR Feature

Hartz IV-Kinder: Bildungspaket, Bildungspäckchen, Bildungskrümel

Wie sehr das so genannte Bildungspaket die angeblichen Adressaten verfehlt, zeigt dieser Kommentar in verdi-publik. Befürchten muss  man, dass das, was als große Geste daherkommt die gegenteilige Wirkung von dem hat, die sie angeblich haben soll. Statt Ermunterung und Gleichstellung könnte bei nicht wenigen Ernüchterung, Wut oder Demütigung die Folge sein. Schwer vorstellbar, dass mit solchen Methoden, Absentismus, Lernschwierigkeiten, Separierung vorgebeugt werden kann.

Hier geht es zum KOmmentar: Böser geht es kaum noch

Offener Brief zur Inklusion von Brigitte Schumann an die EKD-Synode

Klare Worte

hat Brigitte Schuman in ihrem Offenen Brief gefunden. Unter anderem wird deutlich, dass Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe zu verstehen ist. Sie in das schulische Verwaltungshandeln und in den fachinternen Streit um Stunden und Ressourcen, also in den alltäglichen Kampf um Bildungskrümel zu übergeben, heißt, sie in ihrer menschlichen und gesellschaftlichen Bedeutung aufzugeben.

Offener Brief von Brigitte Schumann

Eine kleine Presse- und Literaturschau

Ich hoffe, mich in Zukunft wieder etwas regelmäßiger melden zu können. Aber als Einzelkämpfer (was die Aufrechterhaltung des Blogs angeht) kommt doch immer mal was dazwischen.

Wer mit Meinungen, Zusammenfassungen von Gelesenem, Artikeln mitmachen möchte, kann sich gern melden.

Als Einstieg nach der Pause hier eine kleine Liste mit interessanten Themen. Weiterlesen „Eine kleine Presse- und Literaturschau“

Klaus Kinkel radikal für eine andere Bildung

„Es geht nicht nur um die Hauptschulen, sondern auch um bestimmte städtische Viertel, in denen sich die Probleme der Migration und des schwachen sozialen Hintergrunds oftmals konzentrieren. Die Hauptschulen sind nur ein Symbol dafür, was unser Schulsystem Kindern teilweise zumutet: Es konzentriert die Verlierer und schafft, verzeihen sie, Lumpensammlerschulen. Es entstehen sehr ungleiche Startchancen. Aber das muss uns alle angehen, weil wir diese Kinder und ihre Talente alle wertschätzen müssen – und weil sie für unsere Zukunft einfach brauchen!“

Wer sich da so empört ist unser ehemaliger Bundesaußenminister Kinkel, heute Vorstandsvorsitzender der Telekom-Stiftung und als solcher zu ganz neuen Einsichten fähig. Mochte er noch vor wenigen Wochen nicht ganz so radikal sein, weil er beim Volksentscheid in Hamburg oder bei den NRW-Wahlen hätte Farbe bekennen müssen – auch gegen seine Parteifreunde? Egal. Vielleicht erreicht seine Stimme elitäre, abwehrende bildungsfern Schichten. Nachzulesen im taz-interview Kinkels Sicht auf Bildung

Lernwiderstände, Leistungslernen und Schulreform

Uwe Findeisen

Über Lernunlust, falsche Anerkennungsformen und die Deformierung des Wissensbegriffes.

Dieser Artikel macht mit den grundsätzlichen Widersprüchen schulischen Lernens bekannt. Wie sich Lehrer, Beratungslehrer und Schulpsychologen angesichts der Verrücktheiten, die das Schulsystem immer aufs Neue reproduziert, vernünftig verhalten wollen, ist eine interessante Frage. Vermutung: So wie Schüler im günstigen Fall eine taktische Haltung zur Schule gewinnen, so können Beratungsexperten ebenfalls nur auf eine bessere Taktik gegenüber der Schule und dem Lernen orientieren. Orientierung an Wissen und Wissensfortschritt bliebe einer Schulreform überlassen, die eine  Weiterlesen „Lernwiderstände, Leistungslernen und Schulreform“

Primarschule gescheitert – getrennt wird, was zusammenghören könnte

Einige Informationen und Kommentare zum Hamburger Volksentscheid, den die Reformgegner für sich entscheiden konnten

Erstaunlich und erschreckend – und für die zukünftige Auseinandersetzung um Bildungsgerechtigkeit zentral – ist, dass die Privilegierten ihr Wahlrecht nutzten – und dabei auf Abgrenzung setzten. Die Benachteiligten hingegen nutzten ihr Wahlrecht deutlich weniger, verstanden die Bedeutung der Wahl nicht und / oder sie haben sich schon von den Möglichkeiten der Demokratie verabschiedet.

Bildung sehen sie offensichtlich nicht als etwas an, das sie erlangen könnten. Warum sollen sie sich für etwas stark machen, das sie – in ihren Augen – doch nicht bekommen können? Hier basteln die politischen Eliten kräftig am Aufbau einer Parallelgesellschaft – sprich: Spaltung der Gesellschaft – mit.

An den Grenzen der auseinanderfallenden und aufeinanderprallenden Teile kann es durchaus heiß werden. Die Empörung über Gewalttäter und Versager wird groß sein, gezündelt hat niemand, neue Brandmauern werden errichtet werden. Weltoffenheit zu den Bedingungen der einen Klasse.

Wahlbeteiligung spiegelt Armutsverteilung

Die Primarschule ist gescheitert

Kommentar: Stillstand überall

Stellungnahme von Pro Schulreform

Tempo, Tempo

Wie Lernen als Drill zunimmt und wie Kinder und Lehrer sich vom Lernen entfernen – und damit auch von sich selbst

»Wir müssen damit rechnen, dass wir an den Rändern der Gesellschaft immer mehr Menschen verlieren, weil sie nicht die nötige Geschwindigkeit zum „take-off“ aufbringen.« Peter Hartz, Mitbegründer von Hartz IV, in: Job Revolution. Wie wir neue Arbeitsplätze gewinnen können. FAZ Buchverlag

Auch wenn die Datenbasis eines einzelnen Beraters oder einiger Berater oder Beraterinnen zu schmal ist, um wissenschaftlich aussagekräftig zu sein, so verstärkt sich doch der Eindruck, dass der Druck auf alle an Schule Beteiligten zunimmt – und jeder an der Schraube mitdreht. Das Wissen, dass Lernen und Erziehung Zeit brauchen, ist fast allen (noch) bekannt. In der Praxis aber ist die Versuchung groß, sich darüber hinwegzusetzen. Weiterlesen „Tempo, Tempo“

Ein Literaturhinweis zum Thema Amoklauf

Rezension

„Wenn Eltern und Familien ihre eigentlichen Erziehungsfunktionen nicht mehr oder nicht ausreichend wahrnehmen, sollten nach allgemeiner Auffassung die Schulen deren Defizite kompensieren. Eisenberg weist darauf hin, dass es nach dem Schulmassaker von Erfurt einen breiten Konsens darüber gegeben habe, dass es einen Zusammenhang zwischen einem einseitig leistungsfixierten Schulklima und der wachsenden Gewaltbereitschaft von Schülern gibt. Aber derartige Schlussfolgerungen aus dem Massaker seien schnell wieder beiseite gedrängt worden, als der sog. PISA-Schock die allgemeine Aufmerksamkeit erregte. „Seither wird weiter an der Leistungsschraube gedreht, und es wird standardisiert, evaluiert und modularisiert, was das Zeug hält. In dem Maße, wie Schulen sich als effiziente Zuliefererbetriebe für Industrie und Markt begreifen, werden sie verschärft zu Orten der Konkurrenz, der Selektion und damit auch der Kränkung. Da gleichzeitig bei den Heranwachsenden die Fähigkeit zur angemessenen Kränkungsverarbeitung immer weniger erworben wird, entsteht hier jede Menge schulischer Sprengstoff.““

Und hier der Link zur Buchbesprechung: Rezension des Buchs von Götz Eisenberg über Amok

Götz Eisenberg, Damit mich kein Mensch mehr vergisst. Warum Amok und Gewalt kein Zufall sind.
Pattloch Verlag 2010
303 Seiten
Preis: 16.95 Euro