Wer bestimmt: Geist oder Hirn?

Die Folgen der Ergebnisse aus der Gehirnforschung Gerd Roths sind radikal. Folgt man seinen Interpretationen, sind Freiheit und Verantwortung des Menschen ein Chimäre. Zugespitzt und zu ende gedacht heißt das: Es bedarf Hierarchie und Führung durch jene, die Wissen und Verantwortung besitzen. Aber woher nehmen die ihre Berechtigung? Sind sie nicht auch Menschen und damit ebenso dem Gesetz unterworfen?

Zitat aus dem Text von Freerk Huisken, weiter unten der Link zum Text:
»Das führt zu der alles entscheidenden Frage, woher Roth eigentlich weiß, dass der Mensch sich seine Willensfreiheit nur einbildet, woher er weiß , dass diese nur das „Konstrukt eines ihm unzugänglichen Gehirns“ ist – wo ihm als frei forschendem Wissenschaftler doch die Konstruktionsprinzipien des/seines Gehirns, wie er behauptet, unzugänglich sind? Wenn er behauptet, das tatsächlich zu wissen, also darüber zutreffende Erkenntnisse ermittelt zu haben, dann ist ihm als forschendem Subjekt das „reale Gehirn“ als getrenntes Objekt der Erkenntnistätigkeit zugänglich. Dann hat er Kenntnisse über das Funktionieren des Gehirns und über den Zusammenhang von Hirn und geäußertem Willen. Wenn aber dies der Fall ist, dann befähigt ihn dieses sein gesichertes Wissen auch dazu, den „inneren Antrieb des Gehirns“ selbst zu erfassen, dann wäre er als bewusstes Forschersubjekt nicht mehr bewusstloses Anhängsel des Schleimklumpens unter der Hirnschale, sondern sein geistiger Herr. Folglich enthält die Roth´sche Erkenntnis zugleich die Widerlegung ihrer Behauptung. Denn auf der Grundlage des durchschauten Zusammenhangs von Gehirn und Willen bzw. Bewusstsein ist der Mensch in seinem willentlichen Tun gerade nicht mehr willenloses Anhängsel der Hypophyse, des Thalamus, des limbischen Systems usw. Er hätte ein Bewusstsein von sich selbst als Anhängsel, könnte also zwischen wahrem Trieb und eingebildetem Willen unterscheiden. Das aber, behauptet Roth in seiner zentralen These, könne der Mensch gerade nicht.
Seine Theorie enthält also ein – in sich – unauflösbares Paradoxon und ist darin falsche Theorie: Besteht Roth darauf, dass seine Behauptung stimmt, also Wissen, Erkenntnis ist, dann hätte er sie gar nicht ermitteln können, weil die Behauptung die theoretische Unzugänglichkeit ihres eigenen Gegenstands einschließt. Hält man aber an der Theorie fest und wendet sie auf Roths eigenen Erkenntnisprozess an, dann muss es sich bei ihr auch um bloß eingebildete Geistesleistungen handeln, die in Wirklichkeit etwas sind, was man – im strengen Sinne des Wortes – nicht wissen kann. Bleibt man aber dabei, dann sind seine „geistigen Leistungen“ nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.«

Wird der Geist durch biologische Vorgänge determiniert?

Depressive Symptome in der Schule

Auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Schulpyschologie wird beim Thema »Depression« sehr stark auf ihren medizinischen und klinischen Begriff abgehoben. Diese Sicht infrage zu stellen, heißt nicht, ihn zu leugnen. Wie selbstverständlich wird jedoch die medizinische Nomenklatur und ihre Denkweise aufgenommen und vorausgesetzt. Nicht dass »Depression« keine medizinische, biologische oder klinische Seite hätte – nur sie zu sehen und sich auf ihr implizites Denk- und Theoriemodell einzulassen, hieße aber, Möglichkeiten der Interpretation und Einwirkung auszublenden. Weiterlesen „Depressive Symptome in der Schule“

Lehren und Lernen sind persönlich und subjektiv

Plädoyer für Psychologie in der Schule – statt Verschulung der Psychologie

Das Individuelle, die Persönlichkeit, die Eigendynamiken von Personen und Organisationen zu verstehen und sie in einen entwicklungshaltigen Austausch zu bringen, sind zentrale Themen der Psychologie, nicht zuletzt der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Wenn man den Schulbehörden wohl will, könnte man sagen, dass sie einsichtsfähig waren und sind: Die schulpädagogische Praxis konnte in den vergangenen Jahrhundert bis auf den heutigen Subjekte und staatlich-unternehmerische Steuerungsinteressen nicht versöhnen, aber die Schulbehörden haben sich in Gestalt der Psychologie das Subjekthafte des Lernens und Erziehens »hereingeholt«.

Andererseits konnte sie sich damit nie wirklich befreunden. Und die Schulforschung hat mehr oder weniger das Normierungs- und Steuerungsinteresse bedient, als dass sie sich dafür interessierte, was es mit Persönlichkeit, Individualität und Subjektivität im schulischen Lernen auf sich hat. Um so erfreulicher, wenn sich dazu dann doch Stimmen melden: Messen, messen, messen – hilft nicht

Persönlichkeitsmerkmale der Lehrer, Beziehungsgestaltung, Subjekthaftigkeit als Teil individueller Lernvoraussetzungen

 

Sarrazin, ab in den Statistik-Kurs

Thilo Sarrazin macht Furore. Die Kernthesen seines seines Buches beruhen auf „Fehlern“ (?), Fälschungen und Verdrehungen, die sich keine Studentin oder Student im Statistik-Kurs erlauben dürfte. Stattdessen loben die Mainstream-Medien, dass der Mann wichtige Anregungen zur Integrationsdebatte liefere. Weit gefehlt. Wenn das durchgeht, ist das ein Beleg dafür, dass wir in der Tat ein Bildungsproblem haben, dass es keine Grundlage mehr gibt, im Sinne der Aufklärung, eine Debatte mit vernünftigen Argumenten zu führen. Hier eine Zusammenfassung der Kritik und daran anschließend der Link zum Artikel. Weiterlesen „Sarrazin, ab in den Statistik-Kurs“

Wer sollte Adressat der Schulpsychologie sein?

Schulpsychologie für das Kind oder / und die Schule?

Gelegentlich wird in Kreisen der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen eine Debatte darüber geführt, wie sich denn die Schulpsychologie orientieren solle. Genauer: An wen soll sie sich richten und wie müsste sie konzipiert sein, um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen? Soll sie sich direkt am Schüler und seinen Eltern, am so genannten Einzelfall, orientieren oder soll sie sich am Lehrer, an der Lehrerin und an der Schule orientieren und dort ansetzen, um auf diesem Wege Lehrer und Schüler zu helfen? Wie immer bei Entweder-Oder-Konstellationen, besteht die Gefahr, da zu spalten, wo etwas zusammengehört oder sich etwas ergänzen sollte. Meistens handelt es sich um unterschiedliche Ebenen eines Problems, die es beide verdienen, berücksichtigt zu werden. Weiterlesen „Wer sollte Adressat der Schulpsychologie sein?“

Schulpsychologen haben eine hohe Duldungsfähigkeit

Der Deutschlandfunk berichtete am 12.11.2009 über die Lage in den Schulen, 9 Jahre nach PISA. Ein Satz daraus:

„Kinder sind in dem Alter, im neunten, zehnten Lebensjahr in hohem Maße intensiv deprimiert. Es gibt eine ganz hohe Inzidenz von Depression, Belastung, von Albträumen. Die Schulpsychologen können ein Lied davon singen. Als Dulder dieser Auslese sind sie außerordentlich tangiert, es sei denn, sie kommen aus privilegierten Gruppen.“

Es gab aber noch mehr Interessantes zu hören: Gute Zusammenfassungen und Kommentare. Gut geeignet, um sich in Zeiten des Wortgetümmels um Bildung nicht kirre machen zu lassen.

DLF, 9 Jahre nach PISA

Entwicklungsvorteil des Menschen: Helfen können

Wie sich Altruismus und menschliche Fürsorge entwickeln konnten

ist eine Sendung des Deutschlandfunks vom 4.10.2009 überschrieben. Martin Hubert ist der Autor. Im Vorspann heißt es: „Der Mensch hat den Ruf, ein soziales Wesen zu sein: Er spendet Blut, Geld und hilft alten Menschen beim Gepäck tragen. Sein Hang zu selbstloser Fürsorge ist einzigartig im Tierreich. Warum der Mensch aber fähig ist, nur um des Helfens willen zu kooperieren, ist bisher nicht beantwortet.“

Mit den in der Sendung berichteten Untersuchungen wird ein weiteres Mal (siehe Eintrag vom 16.8.2009) das Darwin’sche Prinzip  der Entwicklung der Gattung durch den Vorteil des Stärkeren in Zweifel gezogen. Hier ist das Manuskript der Sendung nachzulesen: Entwicklungsvorteil Altruismus


Menschliches Verhalten: Krieg der Natur oder Kooperation

Ein Lesebericht über Joachim Bauer: Prinzip Menschlichkeit, Warum wir von Natur aus kooperieren

von  Jürgen Mietz

Gewalt und zerstörerische Aggression gehören allem Anschein nach zur ersten Natur des Menschen. Kriege, Herrschaft und Unterwerfung, die Ereignisse auf Schulhöfen und Schulwegen, Gewalt in Familien scheinen das zu bestätigen. Erklärt oder gerechtfertigt wird das mit dem vermeintlichen Naturgesetz des Kampfes ums Überleben. Entwicklung sei nur darüber möglich, dass sich der Stärkere durchsetze. Die Spirale der Gewalt ist demnach unausweichlich. Je mehr jemand aufrüstet, umso mehr zeigt sich darin seine Fähigkeit, Fortschritt und Entwicklung zu sichern. Und nun kommt die Neurobiologie, unter anderem in Gestalt Joachim Bauers daher und sagt: Alles falsch. Das Gegenteil ist richtig. Kommunikation und Kooperation sind den Menschen als oberstes und wichtigstes Merkmal zur Lebenssicherung und Entwicklung eingebaut.

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