Die Einschränkung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gefährdet die psychische Gesundheit

Entgegen der Hoffnung, die auch ich hege, dass „alles“ nicht so schlimm kommen werde, wie es klingt, sind Regierungen und Behörden dabei, die Schrauben anzuziehen. Indem sie Kritiker der politisch gemachten Pandemiemaßnahmen in einen Topf mit Reichsbürgern, Rechtsextremisten und AfD wirft, sind sie dabei, die eine Wahrheit zu etablieren, von der sie, Regierungen und Behörden, glauben (machen wollen), sie sei die einzig wahre.

Wie einst der Radikalen-Erlass der 1970er Jahre sind die gegenwärtigen Schritte der Regierungspolitik geeignet, eine Klima des Duckmäusertums, des Misstrauens und der Überwachung zu erzeugen. Was bedeutet es eigentlich, wenn ich im Kollegenkreis mich nicht mehr traue meine Meinung zu sagen? Wie wirkt sich das auf meine Selbstsicherheit und Überzeugungskraft in der Arbeit mit Klienten und Patienten aus?

Meinungsfreiheit

Eine Entlassung oder öffentliche Degradierung stigmatisiert und traumatisiert in außerordentlichem Maße. Dies trifft zwar bei jeder Entlassung oder öffentlichen Degradierung zu, gilt jedoch für Personen in der Wissenschaft in besonderem Ausmaß, da ihr „guter Ruf“ gleichsam die Währung für ihre Arbeit ist: Das Vertrauen in die
Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzt das Vertrauen in die Person, die die Wissenschaft betreibt, voraus. Eine Entlassung oder öffentliche Degradierung hat daher nicht nur massive Auswirkungen auf den Ruf der angeschuldigten Person
(„Ehrenstigma“, Goffman, 1967), sondern wirkt gleichsam als „Berufsmord“. Die Entlassungs- oder Degradierungserfahrung ließ viele Betroffene sehr zögern, sich an
der Studie zu beteiligen.

https://www.bzh.bayern.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Beitraege_zur_Hochschulforschung/2021/Beitraege-2021-1-2-Egner-Uhlenwinkel-Nov-2021-b.pdf

Die Einseitigkeiten der Corona-„Debatte“ und die Ausschaltung abweichender Meinungen zum Krieg schaffen die Gesundheitsrisiken und Lebensrisiken, die angeblich vermieden werden sollen. Das Spektrum der zu diskutierenden zwangsläufig unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkte breit zu halten, schafft erst die Voraussetzungen für Problemlösungen und für die Entwicklung von Individuum und Gesellschaft.

Verantwortungsfluchten

Modellierungen in der Wortwahl, rhetorische Tricks sind nicht wirklich Mittel, die uns retten. Michael Andrick nennt sie Fluchten aus der Verantwortung. In der Tat: Wenn aus „Versagen“ von Institutionen „Lernerfahrungen“ werden, wenn „Probleme“ in „Herausforderungen“ umgeschrieben werden, heißt das in der Regel: Suche nicht nach Ursachen, handele jetzt und für morgen. Es gibt keine Verantwortlichen. Das fällt dann im allgemeinen Handlungsdruck damit zusammen, dass eine Notoperation der nächsten folgt. So werden Dekontextualisierung und Enthistorisierung – alles was zum Verstehen beitragen könnte – systemisch und endemisch. Wer wagt da, mit einer Meinung, die noch dazu Kritik an Verantwortlichen beinhalten mag, „dazwischenzugehen“?

Kompetenzorientierung als Türöffner für Anpassung?

Ich habe mich in letzter Zeit öfter mit der Frage beschäftigt, wie es möglich ist, dass vo viele Menschen bereit sind, sich anzupassen, den Widersprüchen nicht nachzugehen, die Elefanten im Raum zu übersehen. Ein Faktor von vielen scheint mir in der „Kompetenzorientierung“ zu liegen, die eine Leitlinie von Schule geworden ist. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, verweise ich auf ein Interview mit Andreas Gruschka aus dem Jahre 2018.

Weitere Argumente und mehr Material zur Aufarbeitung

Mathias Schrappe sieht gravierende Fehlentwicklungen im Management der Corona-Krise. Die Verstöße gegen wissenschaftliches und evidenzbasiertes Arbeiten sind eklatant.

»Man kennt diese Überschätzung des technisch-linearen Zugangs bei komplexen Sachverhalten gut aus anderen Bereichen in der Gesundheitsversorgung. Linear Durchregieren – haben wir ein Problem mit nosokomialen Wundinfektionen, erlassen wir halt eine Dienstanweisung zur Händedesinfektion. Dass das nicht funktioniert (weil Dienstanweisungen gerne mal ignoriert werden), ist in hunderten Studien klar bewiesen. Erst die Erkenntnis, dass es sich dabei um einen sozialen Prozess handelt, führte weiter, allerdings treten dann die technischen Mittel (inkl. Digitalisierung) in den Hintergrund. Stattdessen führen Rückkopplung, Teambildung, Vorbildfunktion und Vertrauensbildung zu Erfolgen. Aber gerade an diesen Punkten hat es in der Impfkampagne ganz massiv gefehlt.«

Nachzulesen hier und hier im Cicero.

Vielleicht ein Schritt in Richtung Aufarbeitung?

Vor ein paar Tagen wurde hier auf eine Kolumne von Michael Andrick verlinkt.

Er schrieb zu den Folgen und Tiefenwirkungen der Pandemiepolitik und forderte „Aufarbeitung“. Das Thema scheint eine Resonanz hervorgerufen zu haben. Inzwischen sind weitere Beiträge zum Thema erschienen. In der Berliner Zeitung heißt es, dass die Beiträge unter diesem Link erscheinen.

Beiträge sind erwünscht und können an diese Adresse gereichtet werden:

briefe@berliner-zeitung.de

Meinungsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Unabhängigkeit der Beratung – hängt das alles zusammen?

Meinungsfreiheit und die Bedingungen ihrer Möglichkeit beeinflussen das gesellschaftliche Klima, bilden einen Rahmen für den Stil des Umgangs miteinander, für Vertrauen oder Misstrauen. Damit strahlen sie auf das Klima in Schule und Beratung aus. Was ist sagbar, was ist nicht mehr sagbar im Kollegenkreis, in der Dienstbesprechung? Wann muss ich mich in acht nehmen? Gerade das freie Denken und das freie Meinen sind wichtig in Zeiten, in denen Spannungen und Druck zunehmen, von allen viel und vielleicht auch zu viel gefordert ist. Können Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit durch Drohung einer Kündigung oder Entlassung eingeschränkt werden? Genau darum geht es bei der drohenden Suspendierung des Professors Günter Roth. Hier seine Stellungnahme.

Unterschiedliche Positionen prallen im Alltag aufeinander und sollten ertragen werden können. So ist die Welt: Vielschichtig und kompliziert, selten einfach. Wir machen nun wieder häufiger die Erfahrung, dass Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt wird, nicht selten von Menschen, die unentwegt Diversität fordern. Mächtige Personen und Institutionen ertragen öfter mal nicht die Verunsicherung durch andere Meinungen. Ähnlich scheint es (manchmal?) Studentinnen und Studenten zu gehen, die fürchten von einem anderen als dem gerade vorgestellten, einfachen, rechten Weg des Lernens abzuweichen oder abweichen zu sollen – vielleicht eine Folge von Kompetenzorientierung und an den Prüfungserfolg angepasstes Lernen?

Vielleicht fürchten sie sich davor, den Weg zum zügigen Bestehen der Prüfung nicht mehr zu schaffen, in einem Abseits der Lebensorganisation landen, wenn sie sich mit den Komplexitäten der Lerngegenstände befassen sollen. Sie scheinen dabei zu Gläubigen zu werden, die sich in der Hoffnung auf vermeintliche Sicherheit und schnelle Einordnung versprechende Urteile zurückgreifen. Ein Weg der Vereinfachung scheint zu sein, das, was einen irritiert und beunruhigt, in die Kategorie „Verschwörung“ einzuordnen. Dann kann das weg.

Diese Gedanken sind entstanden aus einem Vorfall an der Hochschule München, mit Professor Günter Roth als Leidtragendem. Ein Lehrstück wird gewissermaßen daraus, weil sich Günter Roth in einer tiefgründigen Stellungnahme gegen seine Entlassung aus dem Dienst wehrt.
Er ist leider nicht der Einzige, den die Verfolgungen der jüngeren Zeit treffen. So traf es auch Ulrike Guérot (ich weise darauf hin, dass es bei Zeit Campus ein Interview mit einer anderen Tendenz gab). Das furchtbare Gemeinsame dieser Fälle ist, dass die Anschuldigungen ohne Belege daherkommen. Schützen wir die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, schützen wir die Unabhängigkeit und Freiheit der Berufsausübung.

Wie „traumasensibel“ sind Psychologinnen und Psychologen und ihre Berufsverbände?

Nach Monaten und Jahren einer defacto-Einheitsfront der Medien und der psychosozialen Fachverbände sickern mehr und mehr Berichte an die Öffentlichkeit, die die Unangemessenheit der politischen Pandemiemaßnahmen verdeutlichen. BDP und Gewerkschaften und Einzelpersonen haben mitgemacht. Was „damals“ mindestens ahnbar war, stellt sich heute als wahr heraus: Menschen jeden Alters wurde ihrer sozialen Bezüge beraubt, wer sich den Impfbedrängungen entziehen wollte, musste sich allerheftigste Beleidigungen gefallen lassen (im unten verlinkten Artikel) werden Beispiele genannt). Wir sollten davon ausgehen, dass das Spuren hinterlassen hat – unter Umständen mit traumatisierenden Wirkungen.

Psychologinnen und Psychologen, die ja durchaus sensibel für Traumata sein sollen, stehen vor der Aufgabe, sich damit zu befassen, dass sie womöglich an der Erzeugung von Traumata beteiligt waren. Wenn sie an einer Aufarbeitung nicht interessiert sind und sie nicht in Angriff nehmen, hieße das doch, dass an ihren guten Absichten, wie sie allenthalben bekundet werden, zu zweifeln wäre. „Aufarbeitung“ gehört doch zum Repertoire von Psychologie und Beratung, oder?

Hier geht es zum Artikel des Mitteldeutschen Rundfunks, in dem viele Materialien zum Thema versammelt sind.

Und wieder einmal keine Bitte um Entschuldigung

Sie sind vielmehr die großen Verlierer der Pandemie. Das Virus war viel weniger schädlich für sie als die Kontaktbeschränkungen, der Schulverzicht – und das permanente Pochen auf ihre Solidarität gegenüber den Großeltern, denen sie andernfalls den Tod bringen würden. So stand es 2020 allen Ernstes in einem Strategiepapier des damals CSU-geführten Innenministeriums.

schreibt die Berliner Zeitung

Interessant auch, dass man so tut als habe der Kurs des Ethikrates, der wesentlich darin bestand, den überzogenen Regierungskurs (was schon früh nach Beginn der Pandemie absehbar war) zu legitimieren, nichts mit politischer oder gesellschaftlicher Verantwortung zu tun haben soll. Gefühl- und instinktlos.

Gerade lese ich bei Arno Gruen – aus dem Zusammenhang gerissen – und doch irgendwie passend:

Sie bringen uns alle in Gefahr, weil sie dem Chaos, der Wut und der Leere, die in ihnen ist, nicht ins Gesicht sehen können.

Arno Gruen: Der Wahnsinn der Normalität, 1989, S. 26

Zum selben Thema hier noch ein Kommentar.

Wie soll es besser werden, …

… wenn es keine Aufarbeitung gibt, keine Bitte um Verzeihung. Nur das Weiterso …

Heribert Prantl erinnert an die grenzenlose Kaltschnäuzigkeit … Alles kann wieder so geschehen. Grenzenloser scheint nur die Hinnahmebereitschaft der Bevölkerung, der Medien, der Fachleute, der sog. Fachverbände …

diese Anti-Corona-Maßnahmen waren drastisch, sie waren grundstürzend, sie waren maßlos. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat das soeben festgestellt. Die Bundesrichter in Leipzig fällten ein klares Urteil: „Das ganztägige und damit auch während der Tagstunden geltende Verbot, die eigene Wohnung zum Verweilen im Freien zur verlassen, war ein schwerer Eingriff in die Grundrechte.“ Die Richter urteilten über eine Einsperrverordnung der Bayerischen Staatsregierung vom 31. März 2020. Sie urteilten über die schärfsten der vielen Verbots- und Kontrollregeln, die es damals, in der ersten Corona-Welle, in Deutschland gab.

Mehr in der Süddeutschen, leider hinter Bezahlschranke

Inzwischen ist der Artikel hier vollständig zu lesen

Nachrichten aus der Bildungsrepublik

Hier funktionierten einige Links nicht. Das ist jetzt behoben.

Trübe ist nicht allein der Himmel, sondern auch er Zustand der Bildungspolitik. In aller Schnelle können hunderte Milliarden für die Aufrüstung mobilisiert werden, bei Personal und Strukturentwicklung für Bildung und Schule – nicht zuletzt um die Fehlgriffe des Digitalisierungswahns zu kompensieren – steht eisern die Null. Das Bündnis für humane Bildung macht den Skandal deutlich.

Die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends liefern ein besorgniserregendes Bild. Die negativen Trends
sind erheblich und der Anteil der Viertklässler:innen, die nicht einmal die Mindeststandards errei-
chen, ist zu hoch.

heißt es in einem Fazit (in der Pressemappe) des IQB-Bildungstrends. (IQB = Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen).

Über den geistig-körperlichen Entwicklungsstand der jungen Menschen berichtet Manfred Spitzer

Über Sprachdefizite und Bildschirmzeiten berichtet Ralf Lankau.