Wissenschaftlergruppe stützt Christof Kuhbandner

Das Thema Christof Kuhbandner und Unstatistik des Monats hatte ich hier vor einigen Wochen erwähnt. Mein Fazit als statistischer Laie war, dass ihm zu unrecht – unter anderem vom (bis dahin) renommierten „Unstatistik-Institut“ und von Professor Gigerenzer – vorgeworfen wurde, sich wissenschaftlich inkompetent geäußert zu haben.

Kuhbandner, der schon recht früh als Professor für Psychologie auf statistische Ungereimtheiten in der Pandemieerforschung hingewiesen hatte, hatte nach neuen Datenerhebungen und -auswertungen den Verdacht geäußert, dass es im Zusammenhang mit Impfungen gegen das neue Virus zu vermehrten Todesfällen gekommen sein könnte. Er erntete einen ungeheuerlichen Shitstorm für seine begründeten Warnungen.

Nun hat sich eine größere Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an die Autoren der „Unstatistik des Monats“ gewandt und deren Verriss kritisiert und, wie ich finde, widerlegt. Alles Weitere lässt sich in ihrer äußerst sachlich gehaltenen Erklärung nachlesen.

Wir sollten darauf achten, wie sich die großen psychologischen Fachverbände in dieser Frage verhalten. Das könnte helfen, zu erkennen wie sie es mit ihren ethischen Leitlinien und mit der Wissenschaftlichkei, auf die sie sich allenthalben berufen, halten.

Die Debatte geht weiter

Einige Beiträge zuvor habe ich auf die Auseinandersetzungen zwischen Dirk Liebl und Christof Kuhbandner hingewiesen. Kuhbandner hatte Hinweise gefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen Impfungen und einer Zunahme von Todesfällen geben könnte. Liebl und auch die bekannte Unstatistik des Monats warfen dem Professor Inkompetenz vor. Was mich abstieß, war der herabsetzende Tonfall. Christof Kuhbandner antwortet nun ausführlich seinen Kontrahenten.

Um es vorweg zu sagen: Ich kann nicht erkennen, dass Christof Kuhbandner irgendetwas von seinen Positionen zurückzunehmen hätte. Die beinhalteten von Anfang an, dass man seine Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten hätte; dass weitere Studien erforderlich seien. Weiter wiederholt er, dass Korrelationen keine Kausalitäten darstellen müssen; dass aber Korrelationen Kausalitäten sein können. Worauf der Psychologieprofessor hinweist, ist meines Erachtens zentral: Angesichts dessen, worum es geht, sollten die Untersuchungsergebnisse als Signal für eine Gefahr (Pharmakavigilanz ist das Stichwort) gewertet werden. Und hier geht es um mögliche Sterbefälle und Schäden durch Impfungen!

Was den Artikel so angenehm macht: Herr Kuhbandner bleibt sachlich, erklärt statistische Verfahren und Begriffe. Zudem erfährt man etwas über Gründe seines Handelns. Man kann nur hoffen, dass das Material, das ihm der Streit mit der Unstatistik zuspielt, für die Statistikurse der Psychologie gut angelegt ist und es den Studentinnen und Studenten eine gute Lehre ist.

Anstatt sein Verhalten als ehrenwert zu charakterisieren, sieht sich die Deutsche Gesellschaft für Psychologie bemüßigt, ihn zurechtzuweisen. Dass Kuhbandner möglicherweise einer Gesundheitskatastrophe auf der Spur ist, blenden seine Kritiker aus. Wenn sie ihm doch wenigstens Fehler nachweisen würden.

Obwohl die DGPs auf ihrer Website ein Diskussionsforum »Integrität und Anreizsysteme in der Wissenschaft« eingerichtet hat, scheint sie nicht auf die Idee zu kommen, dass hier ein Fall von Integritätsverletzung moralisch-ethischer Leitlinien vorliegen könnte.

Ethiken und Rollen von Psychologinnen und Psychologen

Die hier wiedergegebene Nachricht kann als

Anregung zur Ausbildung, Fortbildung und kollegialen Debatte

verstanden werden. Der beschriebene Sachverhalt räumt mit den beruhigenden und edlen Selbstbeschreibungen von Berufsverbänden und Institutionen auf. Man kann sich in der Tat fragen, ob sich nicht schon viele Psychologinnen und Psychologinnen auf einem totalitären und menschenverachtenden Pfad begeben haben.

In diesen Komplex sind wohl auch tw. Untersuchungen und Veröffentlichungen einzuordnen, die sich damit befassen, wie Menschen dazu bewegt werden können, sich impfen zu lassen und damit sich dem staatlichen Narrativ zu unterwerfen, von der generellen Nützlichkeit des „Piekses“ auszugehen – entgegen aller Zweifel an der Verantwortbarkeit und Sinnhaftigkeit von Covid 19-Impfungen, die mindestens so gut begründet sind, wie die Positionen der Befürworter’innen.

Dabei müssen diejenigen, die sich der Förderung von Bereitschaften zu … verschreiben, noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. Geschichtsvergessenheit und eine zunehmend unkritische, wenig sozialsensible und kaum machtkritische Sozialisation und Ausbildung entfalten ihre Wirkung. Die jahrzehntelange Berieselung mit der Botschaft „Wir sind die Guten“, lässt manche Expertinnen und Experten zu Eiferern (wozu auch Frauen gehören können) werden. Sie wollen eine gute Welt erschaffen, dazu gehören – und darin ihre Karriere machen. Das wollten vor ihnen schon andere. Kann sich jemand erinnern? Nürnberger Codex?

Gewissensfragen der Schulpsychologie und Schulberatung

Wie überholt ist das denn? Oder ist es überfällig,

sich damit zu befassen?

Ich habe mich mit dem Thema befasst. Ein Aufsatz dazu ist erschienen. Ich beschreibe eine Lage zwischen Lethargie und Unbehagen, in der sich Schulpsycholog’inn’en und Schulberater’innen befinden. Ich weise auf tatsächliche Einschränkungen beraterischer Praxis und Konzepte hin und auf die hohen ethischen Ansprüche, mit denen Berufsverbände Schulpsychologie versehen. Fremd- und Selbstbeschränkungen im beruflichen Handeln drohen ethische Ansprüche zur Fiktion werden zu lassen und werfen Gewissensfragen auf.

Die Themen des Aufsatzes sind unter anderem

Vermessung der Persönlichkeit

Resilienz und Emotionsregulation

Wissenschaftliche Neutralität und Gesellschaftsblindheit

die Umsetzung von Inklusion

und andere mehr. Der Aufsatz ist im Handbuch der Schulberatung bei mgo-fachverlage erschienen. Das Handbuch präsentiert ein breites Spektrum schulberaterischer Praxis.

Befreit die Ideologie der Optimierung von einer Erörterung ethischer Fragen?

Schiefe Ebenen oder alles im Lot?

Wohl keine Psychologin, kein Psychologe, kein Berater, keine Beraterin im Arbeitsgebiet der sozialwissenschaftlich fundierten Beratung würde vermutlich sagen, dass es ethischer Grundlagen in der Beratungsarbeit nicht bedürfe.
Wenn man sich anschaut, wie häufig und wie intensiv ethische Grundlagen der Beratungsarbeit diskutiert oder gar schriftlich behandelt werden, könnte man zu dem Schluss gelangen, es bestünden überhaupt keine Probleme, es gebe keinen Anlass zur Sorge. Dass dem nicht so ist, will ich weiter unten kurz darlegen.

Vermutlich hat die Abwesenheit ethischer Debatten damit zu tun, dass wir es gewohnt sind, ethische Dilemmata oder Konflikte in Verbindung mit den Monstrositäten des Nationalsozialismus oder der Stasi zu sehen; deren Charakter des Einmaligen und Vergangenen wird zudem in der Regel betont – und damit wird, beabsichtigt oder nicht, hervorgehoben, wie gut und gerecht es doch bei uns zugehe. Tatsächlich: So geht es bei uns nicht zu.

Dabei wird gern übersehen, dass es „damals“ „schiefe Ebenen“ gab, die man nicht als Beginn einer rasenden Talfahrt sehen wollte. Wegschauen, Gelegenheit der Karriere, Glaube an Technik und Vermessbarkeit des Menschen ergaben eine Melange, die in die Inhumanität führte. Schließlich gab es kein Halten mehr. Jede Gegenwehr schien zwecklos oder lebensgefährlich.

Täterprofile. Zwei starke Veröffentlichungen von Hans-Peter de Lorent

In kleinem Maßstab habe ich das mit der Geschichte von Hans Lämmermann, dem Mann der als erster Schulpsychologe Deutschlands gilt, herauszuarbeiten versucht. Sehr viel präziser und fundamentaler gelingt es Hans-Peter de Lorent Motive, Verirrungen und Verführungen wichtiger Personen zu beschreiben. Er hat zwei (im wahrsten Sinne des Wortes) schwere Bände mit »Täterprofilen« bei der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, herausgebracht. Auf jeweils fast 900 Seiten schildert der Autor Lebenswege und Entscheidungen von „Tätern“.
Band 1: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, Hamburg 2016
Und Band 2: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und in der Zeit nach 1945, Hamburg 2017

Im zweiten Band sind zwei Personen vertreten, die von psychologischem Interesse sind, die bundesweit bekannt waren und Einfluss hatten. Da ist Walter Bärsch, der unter anderem die Hamburger Schülerhilfe leitete, Professor der Erziehungswissenschaften und hoch angesehen war. Und da ist von Professor Peter R. Hofstätter die Rede, bis 1968 tätig am psychologischen Institut der Universität Hamburg und Ziel studentischer Proteste in den 1960 er Jahren.

Beide Biografien und viele andere mehr in den zwei Bänden geben Anlass zu der Frage, wie die Voraussetzungen persönlicher, institutioneller und gesellschaftlicher Art sein mögen, um sich für den Weg der Inhumanität, des Wegschauens, der Liebedienerei und der Duckmäuserei zu entscheiden. Und was es so schwer macht, sich für einen humanen, demokratischen Weg zu entscheiden. Wie ist zu erkennen, dass eine abschüssige Bahn angelegt ist? Was kann Menschen widerstandsfähig machen und bereit, sich gegen erste Zeichen der Inhumanität zu wehren? Immer wieder führt das zu der Frage: Wie hätte ich mich verhalten? Wie wären meine Entscheidungen gewesen und wie ist es mit meiner Entscheidungsfähigkeit bestellt? Weiterlesen „Befreit die Ideologie der Optimierung von einer Erörterung ethischer Fragen?“

Die neoliberale Domestizierung der Sozialen Arbeit

Ein Blick in die pädagogische Ethik des Neoliberalismus

In einem Interview stellt Matthias Heintz anschaulich und mit einem ausführlichen Beispiel dar, wie das, was Hilfe sein soll, in einen demütigenden und frustrierenden Kreislauf mündet. Hilfebedürftige werden hin-und hervermittelt, unter anderem, um die Illusion aufrechtzuerhalten, es gebe einen Sozialstaat, der fördert und deshalb auch fordern dürfe.

gut zu erkennen etwa in dem Dogma der Agenda 2010: Fördern und Fordern. Wobei sich das Fördern offenbar auf die Lernhilfe für nicht leistungswillige oder -fähige Menschen im Hinblick auf das Erlernen der funktionalen An- und Einpassung in das Regelwerk eines marktorientierten Systems bezieht. In der duldsamen und schweigenden Unterordnung finden wir die Maxime der pädagogischen Ethik des Neoliberalismus.

Die Profession sieht Matthias in einem miserablen Zustand

Insofern finden wir insgesamt jüngere Generationen vor, die sich, so sozialisiert, im Wesentlichem kaum mehr kritisch verhalten können oder aber kaum die Anstrengung kritischer Auseinandersetzung auf sich nehmen wollen bzw. können. Sie kennen häufig überhaupt nur noch die Bedingungen und entsprechende Deutungsmuster einer, wie Kanzlerin Merkel es so treffend bezeichnet hat „marktkonformen Demokratie“.

Dennoch und deswegen gibt es Widerstand

Hier geht es zum Artikel auf den Nachdenkseiten. Lesenswert. Bleibt noch die Frage: Wie steht es um Schule und Beratung für Schule?

Psychologen helfen bei Folter

Wie ein Bericht der Süddeutschen zeigt, sind die ethischen Grundlagen psychologischen Handeln von enormer Bedeutung, wenn eben dieses Handeln nicht in einem Fiasko enden soll. Die Debatten müssen auch im Bereich Schule und Schulpsychologie geführt werden. Psycholog/inn/en sind mit verantwortlich dafür, ob und wie die Adressaten selbständige und mündige Persönlichkeiten werden und ob Adressaten  andere darin unterstützen, dass sich Menschen in diese Richtung entwickeln. Schule ist ein Raum, in dem sich grundlegende Haltungen entwickeln können oder nicht, in ihm erfahren wir viel darüber, wie die Welt ist und wie und wer wir in dieser Welt sein wollen.

Die Gründe, warum es überhaupt zur Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium gekommen war, sind laut APA-Bericht banal: Es ging um Geld, um Prestige und Arbeitsplätze. „Das Pentagon beschäftigt seit jeher viele Psychologen, man wollte es sich mit dem prominenten Arbeitgeber nicht verscherzen“, heißt es in dem Bericht.

Dieses Argument ist auch in nicht-militärischen Zusammenhängen geläufig.