Die politisch-gesellschaftliche Dimension von Beratung offenbart sich immer deutlicher

Nie war Beratung losgelöst von Gesellschaft und Politik

Jedoch gaben sich Berater/innen nicht selten Mühe, sich rein fachlich zu verstehen und die Befassung mit politischen Fragen als Ablenkung oder als Politisierei am falschen Ort und am falschen Objekt zu betrachten. Zu groß war vielleicht die Furcht, sich auf unsicheres und vermintes Terrain zu begeben, wenn man politisch dachte – und diskutierte. Das sollte doch eher Privatangelegenheit sein. Die Fachlichkeit schien eher die eigene Stabilität und den Frieden am Arbeitsplatz sichern zu können. Und lange schien diese Form der Selbstimmunisierung funktionieren zu können. 

Dabei drang die Wirklichkeit der Konkurrenz des »jeder gegen jeden«, eines deformierten Verständnisses von »Eigenverantwortung«, des vermeintlichen »Forderns und Förderns« etc. in die Beratungswelt ein. Die programm- und politikgewordene Konditionierung von Aufmerksamkeit und Zuwendung, das vorausgesetzte Misstrauen in die Entwicklungsbereitschaft von Menschen, die unterstellte Erziehungsbedürftigkeit und die Anmaßung von Politik und Institutionen das zu bestimmen, was (im Sinne der Marktförmigkeit) als angemessen zu gelten hat, hinterlässt breite Spuren in Beratungprozessen.

Was mit den Hartz IV-Gesetzen in der Begegnungsform zwischen Politik und Ausgegrenzten (und den davon potenziell Bedrohten) an Klima- und Gesellschaftsveränderung eintrat und seitdem sich verschärfte, lässt sich in einem Beitrag von Anke Schwarzer in den „Blättern“ mit dem Titel: »Integration im Sanktionsmodus« nachlesen. Er ist für 1 EUR online zu erwerben. Aus der Zusammenfassung:

Deutschland steckt in einer Versorgungskrise, die lange vor dem tausendfachen Zuzug von Flüchtlingen über die Balkanroute begonnen hat. Bund, Länder und Kommunen schaffen es derzeit nicht, allen Menschen im Land die wichtigsten Güter zu gewähren: Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, Bildung und Gesundheitsdiensten sowie die Gewährleistung von Sicherheit und politischer Teilhabe. Die Herausforderung für die Parteien ist also immens, und taugliche Antworten lägen im Interesse der Flüchtlinge wie der Mehrheitsgesellschaft. Jedoch schlagen deutsche Spitzenpolitiker zunehmend eine andere Richtung ein: Sie erklären die neu Angekommenen zu Integrationsverweigern.

Die Erschütterungen und Irritierbarkeiten stellen sich nicht allein bei den Klienten ein, sondern auch bei den Berater/innen. Nicht zuletzt wird es für den Standort von Beratung und für ihr Standing bedeutsam sein, wie sich Berater/innen ihrer Rolle in ihrem Aufgabenfeld vergewissern. Das fängt bei der Wortwahl an: Übernehmen wir das Wort von der »Flüchtlingskrise« oder sprechen wir von einer »Humanitäts- oder Mitmenschlichkeitskrise«? An welchen Leitbildern des Zusammenlebens wird gerade gemalt? Und wie verhält sich »Beratung« zu ihnen? Mit welchen Normen, Normalisierungsvorstellungen und Menschenbildern beteiligt sie sich an der Neuformierung des Gemeinwesens? Diese Themen sollen hier einen Platz finden können.

Dazu scheinen mir die Einwürfe des Bundesrichters Thomas Fischer geeignet.

Psychologische und sozialpsychologische Muster der „besorgten Bürger“

Kurz und knapp beschreibt Sascha Lobo auf Spiegel online zentrale Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmuster der „besorgten Bürger“. Sehr hilfreich für alle, die mit ihnen zu tun haben. Sein Text kann helfen, auch sie zu verstehen. Was nicht heißt, ihre Ansichten gutzuheißen. Die Überlegungen verweisen darauf, welche Mängel unsere politische und gesellschaftlich Praxis hat: Was sind die Voraussetzungen für Empathie?

Nudging: Freundlich Hilfe oder Manipulation?

Ein boomender Markt für Psychologie ist das Nuding (Anschubsen). Es kommt in der Regel freundlich oder unbemerkt daher. Aber wie immer in der durchkommerzialisisierten und kontrollierten Welt ist es nicht uneigennützig. Und es setzt auf gegebenen Verhältnissen, die in ihrer Entstehung und Weiterentwicklung nicht in Frage gestellt werden, auf. So stellt es nicht die Frage, ob nicht verbesserte Bildung oder ein anders organisiertes Gesundheitswesen ähnliche Wirkungen haben könnten – und noch dazu einen demokratischen Kollateralnutzen.

Gerd Gigerenzer, Psychologe und leitender Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, unterzieht den »libertären Paternalismus« einer umfassenden Kritik (vgl. Review of Philosophy and Psychology, September 2015). So überschätze dieser systematisch die angebliche »Irrationalität« von Menschen. Die von ihm unterstellten »wohlwollenden Entscheidungsarchitekten« seien nicht vor Irrtümern geschützt. Gigerenzer verweist hier auf problematische Nudge-Praktiken im Zusammenhang mit Grippeimpfungen und Brustkrebsvorsorge. Und schließlich gebe es ein empirisch bewährtes und viel zuverlässigeres Mittel, Entscheidungskompetenzen zu fördern und gesundheitsschädliches Verhalten zu begrenzen: umfassende Bildung.

Weitere Überlegungen dazu in diesem Artikel von Michael Zander

Wikipedia: keine verlässliche Bildungs- und Informationsplattform

Nicht wenige von uns nutzen Wikipedia als vermeintlich neutrales und professionelles Bildungsmittel

Jedoch sind Zweifel hinsichtlich der Qualität angebracht. Es gibt ernsthafte Kritik an der Verlässlichkeit von Wikipedia-Artikeln

Die Manipulatoren in der Wikipedia profitieren davon, dass die Wikipedia vom unbedarften Leser als professionelles Lexikon wahrgenommen wird, was die Wikipedia in großen Teilen nie gewesen ist. Anders als beliebige Zeitungsartikel genießt sie aber dennoch eine hohe Reputation!

Der Ruf der geisteswissenschaftlichen Artikel leidet besonders unter den manipulatorischen Aktionen einiger Autoren.

Mehr dazu in diesem Artikel der Nachdenkseiten

Die neoliberale Domestizierung der Sozialen Arbeit

Ein Blick in die pädagogische Ethik des Neoliberalismus

In einem Interview stellt Matthias Heintz anschaulich und mit einem ausführlichen Beispiel dar, wie das, was Hilfe sein soll, in einen demütigenden und frustrierenden Kreislauf mündet. Hilfebedürftige werden hin-und hervermittelt, unter anderem, um die Illusion aufrechtzuerhalten, es gebe einen Sozialstaat, der fördert und deshalb auch fordern dürfe.

gut zu erkennen etwa in dem Dogma der Agenda 2010: Fördern und Fordern. Wobei sich das Fördern offenbar auf die Lernhilfe für nicht leistungswillige oder -fähige Menschen im Hinblick auf das Erlernen der funktionalen An- und Einpassung in das Regelwerk eines marktorientierten Systems bezieht. In der duldsamen und schweigenden Unterordnung finden wir die Maxime der pädagogischen Ethik des Neoliberalismus.

Die Profession sieht Matthias in einem miserablen Zustand

Insofern finden wir insgesamt jüngere Generationen vor, die sich, so sozialisiert, im Wesentlichem kaum mehr kritisch verhalten können oder aber kaum die Anstrengung kritischer Auseinandersetzung auf sich nehmen wollen bzw. können. Sie kennen häufig überhaupt nur noch die Bedingungen und entsprechende Deutungsmuster einer, wie Kanzlerin Merkel es so treffend bezeichnet hat „marktkonformen Demokratie“.

Dennoch und deswegen gibt es Widerstand

Hier geht es zum Artikel auf den Nachdenkseiten. Lesenswert. Bleibt noch die Frage: Wie steht es um Schule und Beratung für Schule?

Psychologen helfen bei Folter

Wie ein Bericht der Süddeutschen zeigt, sind die ethischen Grundlagen psychologischen Handeln von enormer Bedeutung, wenn eben dieses Handeln nicht in einem Fiasko enden soll. Die Debatten müssen auch im Bereich Schule und Schulpsychologie geführt werden. Psycholog/inn/en sind mit verantwortlich dafür, ob und wie die Adressaten selbständige und mündige Persönlichkeiten werden und ob Adressaten  andere darin unterstützen, dass sich Menschen in diese Richtung entwickeln. Schule ist ein Raum, in dem sich grundlegende Haltungen entwickeln können oder nicht, in ihm erfahren wir viel darüber, wie die Welt ist und wie und wer wir in dieser Welt sein wollen.

Die Gründe, warum es überhaupt zur Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium gekommen war, sind laut APA-Bericht banal: Es ging um Geld, um Prestige und Arbeitsplätze. „Das Pentagon beschäftigt seit jeher viele Psychologen, man wollte es sich mit dem prominenten Arbeitgeber nicht verscherzen“, heißt es in dem Bericht.

Dieses Argument ist auch in nicht-militärischen Zusammenhängen geläufig.

Europapolitik als Blaupause für Gewalt und Mobbing

Die große Bühne der Europapolitik bot in den letzten Wochen und Monaten reichlich Anschauungsmaterial dafür, wie Feindseligkeit und Aggression, Verachtung und Demütigung erzeugt werden. Nicht zu vergessen Manipulation und Desinformation. Ob die Lehrer und Lehrerinnen die Wirkungen von Politik und Medien in ihre Erziehungsaufgabe integrieren (können)? Eigentlich müssten sich die Zuständigen (und Nichtzuständigen) für Gewaltprävention besorgt zu Worte melden. Ebenso die Senatoren und Minister/innen, die für Schule und Erziehung Verantwortung tragen. In Verfassungen und Schulgesetzen wird großes Gewicht auf Verständigung und Menschenwürde gelegt. Wo bleiben die Aufrufe zur Mäßigung?

Die taz greift den Skandal der schwarzen Pädagogik auf

In der Aggressionsforschung wird beobachtet, dass jemand, der sich im Recht fühlt und eine ungleiche Beziehung zum Gegner aufbaut – in diesem Fall die eines Erwachsenen zu einem Kind – sich auch berechtigt fühlt zu strafen. „Hat man einen anderen Menschen erst einmal abgewertet, fällt es leichter, ihm wehzutun“, schreibt der Psychologe Elliot Aronson. Und in der Sozialpsychologie wurde nachgewiesen, dass Empathie und Aggression eine negative Korrelation eingehen, soll heißen, je weniger Empathie eine Person aufbaut, desto mehr greift sie auf aggressive Verhaltensweisen zurück. Hilfe an ein Land daran zu knüpfen, dass es wirtschaftlich ausblutet, ist Aggression.

Wem nutzt eigentlich der ganze Irrsinn?

Für einen „höheren“ Zweck werden volkswirtschaftliche Grundwahrheiten missachtet. Im Kern geht es um Plünderung

Den gemeinsamen Nenner dieser Interessen bildet das, was der britische Sozialwissenschaftler David Harvey einmal die „Ökonomie der Enteignung“ genannt hat: In der kriselnden Weltwirtschaft wird die Klassenmacht der ökonomischen Eliten – ihr Reichtum, ihre Privilegien, ihre politische Macht – nicht mehr in erster Linie durch den Kreislauf von Investition, Produktion, Verkauf, Profit und Reinvestition aufrecht erhalten, sondern durch Enteignung, durch Plünderung ganzer Volkswirtschaften.

Denn je erfolgreicher diese Einzelinteressen durchgesetzt werden, desto instabiler werden die Ökonomie und das politische System: Die Kaufkraft schwindet, wichtige Infrastrukturen zerfallen, Staaten werden in politische Wirren gestürzt, die Krise verstärkt sich, die Akteure werden noch rücksichtloser, um ihre Anteile an der Beute zu sichern, und so weiter.

Die postdemokratischen Souveräne in Brüssel und Berlin werden – wenn die Bürger sie nicht daran hindern – Europa ins wirtschaftliche Chaos und in die politische Spaltung treiben. Die neuen Nationalismen sind überall auf dem Vormarsch. Am Horizont zeichnet sich das düstere Bild eines wirtschaftlich implodierenden Europas ab, in dem alle Beteiligten gegeneinander kämpfen. Es wäre das Vermächtnis der großen Koalitionen in Brüssel und Berlin, von Angela Merkel und Sigmar Gabriel, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz – und all den willigen oder fahrlässigen Helfershelfern auf konservativer und sozialdemokratischer Seite.

Hier kann man den vollständigen Artikel nachlesen

Extremismus der Mitte

Psychologische und psychische Aspekte des Rechtsextremismus

Fremdenfeindlichkeit, Aggressionsbereitschaft setzen auf „bügerlicher Kälte“ auf. Die Mitte der Gesellschaft ist kein Gütesiegel. In einem lesenswerten Aufsatz setzt sich Götz Eisenberg mit der Innenwelt der PEGIDA uns ihren Sympathisanten auseinander.