Schulreform in Hamburg braucht Oppositionsparteien – und Niedersachsen Schulpsychologen

Endlich hat das Feilschen ein Ende. Vielleicht waren die sechs Verhandlungen zwischen „Wir wollen lernen“ und dem Senat dafür gut, zu erkennen, dass es den Verhandlungsführern der Initiative um die Rettung des Prinzips „Wir sind wir und ihr bleibt draußen“ ging. GAL und CDU machten Kompromisse, die den Unterstützern der Reform arge Schmerzen bereiteten. Nun kommt es darauf an, ob Linke und SPD Gefallen an den Konzepten der Regierungsparteien finden können – und diese an denen der Opposition. Dazu ein taz-Artikel: Mitwirkung der Oppositionsparteien

Niedersachsen hat in den vergangenen Jahren massiv Stellen für Schulpsychologie abgebaut. Nun ist es doch gelungen, diesen Skandal öffentlich zu machen. GEW und BDP stellten eine Studie vor, die zeigt, wie dringlich der Ausbau ist. Sollte es zu einem Ausbau oder besser: Wiederaufbau kommen, möchte man allen Beteiligten wünschen, dass sie nicht nur auf die Quantität schauen, sondern auch darauf, wie sich sicherstellen lässt, dass die Psychologie eine größtmögliche multiplikatorische Wirkung entfalten kann. Dazu würde gehören, dass sie nicht nur auf das Kind fokussiert ist, sondern auch darauf, dass die Lehrer selbst unterstützt werden, sich besser auf Kinder einstellen zu können, dass sie Kooperationsformen entwickeln können, die das Schulklima verbessern.

Hier ein Kommentar Was ist rentabel?

Und hier der Artikel Niedersachsen schwach

Warum hier so lange Funkstille war oder: my brain hurts

Allein schon die organisatorische Umsetzung der Inklusionsforderung sorgt in der Hamburger Schullandschaft für Aufregung und Abwechslung – ganz abgesehen vom Tanz um die 6-jährige Primarschule, die Stadtteilschule und das ewige Gymnasium.

Wer stellt wie welchen Förderbedarf fest und passt die diagnosegeleitete Überprüfung überhaupt zum Anspruch auf Inklusion? Welche neuen Institutionen braucht es? Zum Beispiel die sonderpädagogischen Bildungszentren und wie verhalten die sich zu den bestehenden Beratungs- und Unterstützungsstellen? Lassen sich Bedarfe bei Kindern an „emotionaler und sozialer Entwicklung“ so am Kind feststellen, wie eine Sehbehinderung, und was ist mit einer Lernbehinderung? Anregende Fragen und Diskussionen, ohne Zweifel. Berufsverständnisse kommen zum Vorschein, die wohl sonst vielfach unausgesprochen geblieben wären, die einem selbst von sich noch nicht bekannt waren. Fast kann man zuschauen, wie täglich sich einem mehr und mehr Systemwirklichkeit erschließt, in die man eingearbeitet ist. Seiten der Institution werden einem bekannt, die vorher gar nicht vorhanden zu sein schienen. Rädchen im Getriebe oder Mitgestalter. Abwarten? Die da oben machen ohnehin, was sie wollen. Wer weiß, wozu es gut ist? Sollten wir nicht eine Meinung abgeben? Aber falls ja, welche denn?

Was verstehen wir unter Schulpsychologie, Sonderpädagogik, Sozialpädgogik und was sehen die Lehrer und Eltern in ihnen? Passt das immer alles zusammen, oder läuft da auch etwas schräg und schief?

Viel Bewegung, viel Neues – wo führt das alles hin? Wer da etwas mitschreiben will, kommt als Freizeitblogger schnell an seine Grenzen. Zu komplex, zu unausgegoren, zu groß die Gefahr von Missverständnissen und Verletzungen. Schreibversuche, die keine Form finden und die Abende im Birdland und in der Hohen Schule stehlen.

Korrektur

Vor ein paar Tagen gab es in diesem Blog ein paar heftige Aussschläge. Der Grund liegt in dem Beitrag  vom 3. Januar 2010. Genauer: Er liegt in seiner Einleitung. Da hatte ich geschrieben: „Weder gibt es eine schulöffentliche noch eine Fachdebatte über Sinn und Aufgaben einer Psychologie in und für Schule …“ Inge Loisch hat diesen Satz kritisiert – zurecht. Denn er verkennt, dass es in verschiedenen Landesverbänden für Schulpsychologie und in der Sektion Schulpsychologie des BDP immer wieder Vorstöße gegeben hat, Forderungen für einen Ausbau der Schulpsychologie und für schulpsychologische Standards zu formulieren. Diese Forderungen sind auch an die Politik herangetragen worden. Wie konnte ich dann einen solchen Satz schreiben? Weiterlesen „Korrektur“

Literaturhinweis Stiftungen

Stiftungen als Ausdruck von Bürgersinn und Wohltätigkeit?

Gerne werden Stiftungen als Ausweg aus den Notlagen beschworen, die der angeblich arme Staat hinterlässt, nicht zuletzt in der Bildung. Jedoch: Zweifel sind angebracht. „Philanthropie ist fast immer zutiefst undemokratisch insofern, als die wohlhabende Elite ihre Ressourcen einsetzt, um ihre eigene Vorstellung von öffentlichem Wohl durchzusetzen.“ Diese Einschätzung stammt nicht aus der Gegenwart, sondern aus der Zeit der Aufklärung und der aufkommenden Demokratie.

Robert Jacobi macht in seinem Buch: „Die Goodwill-Gesellschaft. Das Milliardenspiel der Stifter, Spender und Mäzene“. Murmann Verlag, Hamburg 2009, 250 Seiten

unter anderem darauf aufmerksam, dass das Stiftungswesen keineswegs so bürgerschaftlich und demokratisch ist, wie es uns von Stiftern und Politik nahegelegt wird. Hier die Buchbesprechung vom Deutschlandradio Kultur: Literaturhinweis Stiftungen

Zur Entfaltung ihres Potenzials braucht die Schulpsychologie mehr Profil

von Jürgen Mietz

Vorschlag für ein Profil der Schulpsychologie

Schulpsychologie ist in den letzten Jahren in den Medien gut gelitten. Keine schulische Bedrohungs- oder Krisensituation, bei der nicht ein Schulpsychologe um Rat gefragt wird. Vielfach wurden gar neue Stellen geschaffen, die explizit mit Krisenintervention begründet wurden. Nicht wenige Schulpsychologinnen und Schulpsychologen fühlen sich von diesem Tätigkeitsfeld angesprochen. Es erfreut sich öffentlicher, politischer, finanzieller und organisatorischer Anerkennung, zumindest in einigen Bundesländern. Demgegenüber steht die alltägliche Beratungs- und Reflexionsarbeit mit Kindern, Lehr- und Leitungskräften und Eltern wie eh und je im Hintergrund, obwohl sie doch – zumindest teilweise – dazu geeignet ist, Krisen in der Schule und persönlichen Katastrophen vorzubeugen. Zwar unternehmen Verbände und die Sektion Schulpsychologie des BDP immer wieder Vorstöße, Kollegen und Politik zu erreichen – in der breiten Kollegenschaft aber gibt es kaum eine Debatte über Erfahrungen mit unterschiedlichen Organisationsformen, Multiprofessionalität, Eigenständigkeit und Eingebundenheit in Schulbehörden. Wie kooperieren unterschiedliche Berufsgruppen und wie grenzen sie sich voneinander ab? Wie müssen Organisations- und Führungskonzepte beschaffen sein, damit sich das Potenzial der Schulpsychologie und das anderer Professionen entfalten kann. Hier einige Aspekte, die für eine Debatte von Bedeutung sein könnten: Weiterlesen „Zur Entfaltung ihres Potenzials braucht die Schulpsychologie mehr Profil“

Marktgläubigkeit untergräbt Zusammenhalt, Unmut bei Bürgern wächst

„Das erfordert u.a. den Verzicht auf einen gnadenlosen und ungesunden Konkurrenz- und Leistungsdruck, die Aufteilung der Lebensarbeitszeit in Phasen der Beschäftigung und der Weiterbildung und vor allem die Beseitigung aller Nachteile, die den Frauen heute durch die Entscheidung für ein Kind, entstehen. Parallel dazu, muss unser selektionsorientiertes Bildungssystem zu einem finanziell und personell gut ausgestatteten System der Begabungsförderung für Kinder- und Jugendliche aus allen sozialen Schichten werden, in dem kein Kind mehr zurückgelassen werden darf.“

Das ist ein Auszug aus einem Essay von Joachim Weiner, der am 25.12.2009 im Deutschlandfunk zu hören war. In aller Klarheit zeigt der Autor, in welch gigantischem Ausmaß die Bildungspolitik, aber auch die Gesamtpolitik auf Ziele ausgerichtet ist, die die Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft untergräbt.

Der Unmut über diese Politik wächst, auch wenn sich das bisher nicht in Wahlergebnissen niederschlägt. Nachzulesen hier Unzufriedenheit mit Politik wächst oder hier Unzufriedenheit mit Politik wächst – Bertelsmann-Stiftung

Hier der Link zum vollständigen Essay Joachim Weiner und hier noch ein Auszug aus dem Essay: Weiterlesen „Marktgläubigkeit untergräbt Zusammenhalt, Unmut bei Bürgern wächst“

Das soziale Lernen kann das politische Lernen nicht ersetzen

Über einen problematischen Verzicht auf schulische Gestaltungsmöglichkeit

Jürgen Mietz

Soziales Lernen wird gemeinhin als das entscheidende Mittel angesehen, Verständigung und friedliches Zusammenleben zu erzielen. Soziales Lernen ist das, was sich Lehrer und Lehrerinnen für ihre Schüler am innigsten wünschen, nicht zuletzt als Voraussetzung dafür, dass Kinder den Lernstoff aufnehmen können. Aber auch Eltern, Politik und Gesellschaft scheinen sich nichts sehnlicher zu wünschen als dass soziales Lernen stattfinde.

Dennoch bleibt die Frage, ob das »Soziale Lernen«, so viel man sich auch von ihm erhofft, den Aggressionen, der Reizbarkeit, der Lust am Mobbing, dem Egoismus einen Riegel vorschieben kann. Und ob andererseits das »Soziale Lernen« die Subjekte so stärken kann, dass sie fähig zur Selbstbehauptung und Abgrenzung sind, ohne selbst antisozial zu werden. Spontan möchte man meinen, dass doch mit dem »Sozialen Lernen« der entscheidende Hebel für ein gutes Zusammenleben in Schule und für eine Vorbereitung auf das Leben nach der Schule gefunden sein müsste. Weiterlesen „Das soziale Lernen kann das politische Lernen nicht ersetzen“

Ungerechtigkeit als Prinzip

„Wer Bildung unter das Motto „Aufstieg“ stellt, macht die Ausgrenzung zur zwangsläufigen Konsequenz … Die Idee der Auslese aber entspringt einer Sehnsucht nach Homogenität – und damit derselben Ideologie, die das Heil in der Einheitlichkeit von Volk und Sprache, von Rasse und Religion sieht … Das ist verbunden mit dem politischen Willen zum Aussortieren und hat – etwas Faschistisches.“

Das ist nicht das einzige Fazit eines Artikels von Christoph Ehmann, der in der taz erschien. Aber der Autor macht damit auf einen Zusammenhang aufmerksam, der im Bildungsstreit bisher zu wenig berücksichtigt wurde.

Ungerechtigkeit als Prinzip

Aggressive Abschottung der Eliten im Namen der Gerechtigkeit und der Wissenschaft

Es stockt einem der Atem,

wenn man die Kampagne der Initiative „Wir wollen lernen“ verfolgt und wenn man erlebt, in welch großer Zahl Hamburger Bürger das Volksbegehren gegen die Schulreform in Hamburg unterschrieben haben. Bei genauerer Betrachtung wird aber auch deutlich, dass die Befürworter einer Schule mit mehr gemeinsamem Lernen Fehler gemacht haben und machen. Ohne eine tiefgreifende Analyse und ohne eine Bildungsbewegung wird das Schulsystem in der Sackgasse bleiben. Eine Meinung von Jürgen Mietz. Weiterlesen „Aggressive Abschottung der Eliten im Namen der Gerechtigkeit und der Wissenschaft“

Unterfinanzierung der Bildung bald behoben?

Nein.  Nicht wirklich. Aber buchhalterisch schon.

Nur ein paar Zahlentricks – aber so kommen schon einige Milliarden zusammen, die die Finanzierungslücke zumindest für die propagandistische Ausrufung der Bildungsrepublik Deutschland verkleinern.

„Hochgerechnet würden Pensionen für Beamte (bis zu 4,6 Milliarden Euro), fiktive Unterbringungskosten für Hochschulen, Schulen und Kitas (zehn Milliarden Euro) oder private Kosten für Bildung. Mit allen Tricks müssten Bund und Länder nach Vorstellungen der Länder 13 Milliarden Euro zusätzlich investieren, der Bund sieht eine Lücke von 16 Milliarden. Vor einem Jahr war noch von 28 Milliarden Euro die Rede.“ (taz)

Die buchhalterische Lösung der Bildungsmisere