Angsterzeugung als Herrschaftsmittel

»Demokratie geht nämlich nicht nur mit einem Versprechen einer gesellschaftlichen Selbstbestimmung einher, sondern auch mit einem Versprechen einer größtmöglichen Freiheit von gesellschaftlicher Angst. Demokratie bedeutet also den Verzicht auf eine der wirksamsten Herrschaftstechniken überhaupt: der systematischen Erzeugung gesellschaftlicher Angst.«

In einem ausführlichen und interessanten Interview stellt der Psychologe Rainer Mausfeld einen Zusammenhang zwischen Neoliberalismus, Angst (-erzeugung), Demokratie und Macht her. Das wirft Fragen und Anreize zum Nachdenken auf, zum Beispiel: Welche Rolle spielt Schule in diesem Prozess, welche Rolle übernimmt Schulpsychologie und -beratung dabei?

Über den Zusammenhang von technokratischer Steuerung, Gewalt und Stillstand

gilt eben nicht minder, dass die Implementierung managerialer Steuerungsmodelle in die gesellschaftlichen Einrichtungen, also vom Bildungs- und Gesundheitswesen, über Medien, Kultureinrichtungen, Kirchen, Politik, Verbände und Gewerkschaften, eine wesentliche Ursache dafür sein dürften, dass deren Unvermögen, eine Spannung zum herrschenden Regime aufzubauen, inzwischen kaum mehr zu übersehen ist. Ihre Widerstandfähigkeit wurde durch langanhaltende und gründliche Transformationsprozesse fast vollständig getilgt.

Man könnte diesen Glaubwürdigkeitsverlust des Neoliberalismus, der von der Assimilation kultureller Sinnfiguren förmlich lebt, aber selbst keinen Sinn hervorzubringen vermag, eigentlich genüsslich verfolgen, wenn nicht bereits relevante Institutionen des öffentlichen Lebens, die Aufklärung oder gar einen Gegenentwurf leisten könnten, selbst kontaminiert, funktionalisiert und damit korrumpiert, weil bis zur Unkenntlichkeit entstellt, wären.

Die Wissenschaft beispielsweise hat sich im Zuge von Ökonomisierung und Bologna längst von den Leitideen der Bildung und Wahrheitsfindung losgesagt, die Kirchen haben durch Unternehmensberatungen das ökonomistische Regime importiert und konterkarieren die gelegentliche Kapitalismuskritik von den Kanzeln durch Ausbeutung der eigenen Angestellten und manageriales Steuern. Die Gewerkschaften sind längst hierarchische Apparate, …

Beispielsweise verwenden wir viel Energie darauf, die Bologna-Studiengänge endlich zum Funktionieren zu bringen, anstatt, was seit Jahren überfällig wäre, darüber nachzudenken, inwiefern diese Konzeption überhaupt einen Sinn hat oder nicht vielmehr die für Bildung und Emanzipation notwendigen Grundlagen per se zerstört.

Das vollständige Interview mit Matthias Burchardt findet sich hier auf den Nachdenkseiten

Psychologie im Neoliberalismus – Psychologie der Manipulation

Oder schlägt sich die Psychologie, die Psychologin, der Psychologe auf die Seite der Aufklärung?

Der Psychologe Rainer Mausfeld erläutert in einem ausführlichen Interview mit den Nachdenkseiten die psychologischen Mechanismen, die zur Stabilität und Akzeptanz von Gesellschaften und Institutionenvon beitragen, die der großen Mehrheit der Bevölkerung schaden. So ist sie – auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich – wesentlich mit der Bildung von Humankapital befasst – und nicht mit Persönlichkeitsentwicklung und Selbstbestimmung und Aufklärung.

Wenn wir nämlich die Dinge besser verstehen, könnte es ja passieren, dass wir beginnen, Fragen zu stellen, die den Status des jeweiligen Establishments gefährden könnten.

Fragmentierung – ob durch bildungsbürgerliches Wissen, durch eine PISA-orientierte Schulausbildung, durch ein “kompetenzorientiertes“ Studium oder durch Medien – ist also in diesem Sinne keineswegs Zufall, sondern ein beabsichtigter Prozess, eine Art Herrschaftsinstrument.

Eine solche Haltung kann sie jedoch nur um den Preis psychischer Deformationen, insbesondere sozialer Ängste und Depressionen, einnehmen.

Das Gespräch bietet viele Anhaltspunkte für Selbstbefragung und Diskussion.

Den Blick auf uns zu richten, bedeutet zugleich zu erkennen – und das ist ganz im Sinne der Aufklärung –, dass wir es sind, die für unser Handeln und Nicht-Handeln und für die Gesellschaft, in der wir leben, verantwortlich sind.