Begabungsförderung gut und schön – wie wäre es mit einer anderen Sozialpolitik?

Die Erfahrung zeigt, dass es beim Thema Begabungsförderung in der Regel nicht allein um Begabungsförderung geht. Mit im Spiel ist ein Ressentiment in der Bevölkerung, vor allem in der Mittelschicht, gut Begabte – und wer ist schon sicher, dass die eigenen Kinder es nicht sind? – hätten das Nachsehen in der Schule. Man kümmere sich um die Problemfälle, aber nicht um die Förderung des eigenen Nachwuchses. Schließlich geht es darum, sich im Rennen der  Konkurrenzgesellschaft einen guten Startplatz zu sichern. Und nicht zu vergessen: Die Wirtschaft will an die Begabungsreserven heran. Hochgebildet, flexibel, anpassungswillig an die Forderungen des Marktes/des Profits.

Unversehens sind wir mit den Normen des Schulsystems und seinen Zwecken konfrontiert. Nach Jahren der Inklusionsumsetzung – nicht selten aufgenommen und erlebt als Belastung für gute Schülerinnen und Schüler – kommt nun die Wiedergutmachung in einem neuen Modellprojekt der Hamburger Schulbehörde: Neue Impulse für die Begabungsförderung an Hamburgs Schulen.

Die Presseerklärung zu diesem Ereignis erweckt den Eindruck, die gut Begabten und Leistungsstarken seien bisher zu kurz gekommen. »Alle Schülerinnen und Schüler, auch die leistungsstarken und hochbegabten, sollen optimal gefördert werden.« Zu oft seien sie »im Unterricht unterfordert, langweilen sich und können ihre Potentiale nicht entfalten.« Und: »Wir wollen für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler … optimale Lernbedingungen schaffen und ihre Begabungen fördern und fordern.«

Weiter, darf man schlussfolgern, seien die durchschnittlich Leistungsstarken und die Leistungsschwachen, ebenso wie die durchschnittlich und schwach Begabten im Vorteil. Die sind nicht unter- oder überfordert, langweilen sich nicht und sie können ihre Potenziale entfalten.

Zwar wolle man keine speziellen Klassen oder gar Schulen für besonders Begabte und Leistungsstarke – aber ein wenig speziell soll es schon sein.

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Lehrer/innen im Zwiespalt (IV)

Lehrerinnen verstehen etwas von Erziehung und vom Unterrichten. Das zermürbt sie nicht selten. Sie haben für Kinder und ihre Eltern zahlreiche Empfehlungen. Sie nehmen ihren Auftrag sehr ernst. Um so verzweifelter sind sie, wenn ihre Ratschläge nicht befolgt werden. Für sie ist es das Logischste von der Welt zu glauben, dass es ein Leichtes sei, ihren Ratschlägen zu folgen, zumal sie ihre Ansprüche senken, wie sie nicht selten sagen. Was soll daran schwierig sein, das Kind zu fragen, ob es seine Hausaufgaben erledigt hat, es aufzufordern, sie einem zu zeigen und sich für sie zu interessieren?
Versucht man zu forschen und zu klären, wie es zu solchen Nachlässigkeiten kommt, erscheint das leicht als Rechtfertigung und Parteinahme. Zu sagen, dass (Lehrer-) Vernünftigkeit im Leben von Lehrern Platz hat, aber nicht im Leben von allen Menschen, birgt Risiken. Man zieht den Zorn auf sich, den als erste die erwähnten Eltern schon auf sich zogen. Das Gespräch könnte rasch beendet sein. Weiterlesen „Lehrer/innen im Zwiespalt (IV)“

Ohne Deformierung des Menschenbildes keine Verkürzung auf Management und Steuerung (III)

Im Psychologiestudium finden sich immer weniger Gelegenheiten für subjektwissenschaftliche Ansätze, also solche, die das Individuum, seine Interessen und Bedürfnisse zum Ausgangspunkt nehmen und ihm eigene Erkenntnis und Handlungsfähigkeit zubilligen. Die Positionierung und Identifikation der/des psychologischen Beraterin/s ist weniger eine „anwaltlich“ unterstützende als eine vormundschaftliche.
Die Sozialisation im Studium geht in die Richtung, Wissen zu absorbieren und es nicht in seiner praktischen Verwertung kritisch zu hinterfragen. Psychologie und allgemein die Sozialwissenschaften durchlaufen im Sinne einer subjektorientierten Psychologie einen Entwertungsprozess. Als Ausweg wird empfohlen, sie sollten nach naturwissenschaftlichen Kriterien ihre Nützlichkeit beweisen. Um Forschungsgelder zu akquirieren, müssen sie mehr oder weniger, früher oder später dem Geldgeber von Nutzen sein, dem Funktionalitätsmodell, wie es als rational und effizient dargestellt wird, dienstbar sein. Weiterlesen „Ohne Deformierung des Menschenbildes keine Verkürzung auf Management und Steuerung (III)“

Zwischen Management und Verstehensarbeit (II)

Wie mit eingeschränktem Werkzeugkasten die Welt pseudo-gerettet wird

 

Eine ganze Abteilung von Fachkräften mittleren Alters, allesamt mit psychologisch/beraterischer Ausbildung, versteht sich als Clearing-Stelle. Dafür setzen sie ihr psychologisches Knowhow ein. Sie bieten Schulen und Lehrern Hilfen an, wenn diese nicht mehr wissen, wie sie Kinder auf den Lernweg bringen sollen. Jugendamt, Erziehungsberatung, Klinik, psychiatrische Gutachten. Oder, nach entsprechender Diagnostik, Ermöglichung von Schulbegleitung, Verfahren für Fördermaßnahmen. Sie geben Informationen weiter, stellen Verbindungen her. Schaubilder visualisieren und machen das Prinzip eingängig: es gibt immer eine Lösung.
Wenn ich eben von einer „ganzen“ Beratungsabteilung schrieb, die sich diesem Ziel widmet, stimmt das nicht ganz. Eine Psychologin/Beratungsfachfrau verfolgte eine andere Richtung. Wenn der Betrieb in der Klasse aus dem Ruder läuft oder eine einzelne Schülerin, will sie mit Lehrer/inne/n, Eltern, Kind, daran arbeiten, wie das zu verstehen ist. Enthalten das Verhalten des Kindes, aber auch die Wahrnehmungen und Handlungen der Lehrer und der Eltern eine Botschaft? Sind die Konflikte Ausdruck von Diskrepanzen, die nicht erkannt wurden? Eine Kollegin, die jetzt nicht mehr in der Beratungsabteilung ist, vertrat eine solche Auffassung.
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Fehlanzeige für aufgeklärtes Denken? – Über die Mühe der Selbst-llusionierung und die Anstrengung, Kontrolle über das Leben zu bekommen (I)

»Das Glück gehört denen,
die sich selbst genügen«
Oder muss es nicht heißen: »… denen,
die sich selbst belügen«
Hm. Irgendwas mit Aristoteles

In den letzten Wochen und Monaten machte ich Erfahrungen, die sich zu dem Eindruck verdichteten, viele Menschen kämpften um die Aufrechterhaltung von Illusionen, mit dem Zweck, so ihr Leben, das mir irritiert erschien, rückgewinnen und bewahren zu können. Mir schienen sie dabei manchmal sehr hart zu sein. Geht es um die Existenz? Einige subjektive Berichte. Ich bin mir übrigens sicher, dass auch ich einige Illusionen pflege

 

Die Welt nicht sehen wollen, wie sie ist – so ist sie (vielleicht) auszuhalten

Ab und zu treffe ich mich mit Menschen, die ich seit vielen Jahren kenne und selten sehe. Gelegentlich telefoniere ich mit ihnen. Sie berichten von sich, wie sie leben und/oder arbeiten. Dabei erlebt man Überraschungen.
Einer der Menschen aus diesem Kreis ist ein Mann, den ich als immer zur Analyse bereiten Zeitgenossen in Erinnerung habe. Zeitschriften und Buchtitel mit kritischem Geist finden sich in seinen Regalen. Zeitschriften und Buchtitel, die ein ernsthaftes Interesse anzeigen, die Welt, die Menschen und sich selbst zu hinterfragen.
Beim letzten Telefonat teilte er mir mit, dass Macron in Frankreich vermutlich eine gute Wahl sei und er dem Land Erneuerung bringen könne. Wie er darauf komme? Nun, er war über seinen Sohn darauf gekommen. Der liest das Studentenabo des Spiegel, war davon angetan. Und so auch der Vater. Wir sprachen darüber, aus welchen Medien man sich informiere, wie verlässlich sie seien etc.


Ich werde das hier nicht ausbreiten. Jedenfalls ließ mich unser Gespräch rat- und fassungslos zurück. Was war aus der Fähigkeit und Bereitschaft zur Analyse geworden? Er schien sich aus Spiegel, Tagesschau und heute-journal zu informieren. Was ihm offensichtlich ausreichte und ihn zufrieden durch die Tage gehen ließ. Wir vereinbarten, dass man ein so schwieriges Thema – im Raum stand, ob man denn noch eine gemeinsame Basis hätte für weiteren Austausch habe – von Angesicht zu Angesicht erörtern solle. Die Gelegenheit ergab sich.
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Sorry, da ist in den letzten 30 Jahren was falsch gelaufen

In der FAZ können wir nun etwas über

die Risiken der Ungleichheit lesen.

Jetzt brauchen wir nur noch die Investitionen in Bildung: Schulgebäude, Personal, Konzepte, die Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Zusammenhalt stärken

Schräge Verteilung

Aufklärung, wie der Kuchen aufgeteilt werden könnte

Die Ungleichheit ist Menschenwerk,

von wenigen gewollt – und durchgesetzt. Sie ist kein Wetterphänomen

Hamburg verfeinert die Ordnungsfunktion des Staates

Aufregend ist schon die Sprache. Einen »dienstherreneigenen Studiengang« will sich Rot-Grün in Hamburg verschaffen. Offensichtlich funktionierten die bisher ausgebildeten Sozialarbeiter/innen nicht wie gewünscht. Zu vermuten ist, dass die Behörden sich von staatsnah ausgebildeten und sozialisierten Beschäftigten ein störungsfreies oder störungsarmes Verwalten versprechen. Sie werden die Kultur staatlichen Helfens besser verstehen als die zwischen Helfen und Verstehen einerseits und staatlicher Steuerung irrlichternden Beschäftigten.