Aufmarsch der Wirtschafts“experten“ in der Schule

Die Zeitschrift „Erziehung & Wissenschaft“ der GEW mit zahlreichen Artikeln zum Wirtschaftslobbyismus in Schule

Man kann ja mit der GEW und mit anderen Gewerkschaften unzufrieden sein. Aber dass sie auch wertvolle Informationen liefern zeigt das Dezember-Heft 2016 (in der Liste mit Datum vom 1.12.2016). Ein kurzer Auszug aus der Einführung:

Sich mit dem Vormarsch der Wirtschaft an Schulen kritisch
auseinanderzusetzen, ist unentbehrlich. Warum? Weil bereits
hier eine Denkwelt verbreitet wird, die ebenso gefährlich
falsch wie unverändert mächtig ist. „Der homo oeconomicus
ist tot“, titelte die Financial Times Deutschland (FTD)
am 14. März 2001. Inzwischen gibt es diese Zeitung leider
nicht mehr, aber „der Kerl“ lebt immer noch: Der Mensch, so
will es die neoliberale Theorie, denkt, tut und fühlt, was ihm
wirtschaftlich nützt. Er ist nicht das vernünftige und empathische,
sondern das berechnende Wesen. Diese Botschaft geistert
durch Sprache und Köpfe vieler Leitartikler, Professoren
und Politiker, fast aller Manager und Unternehmer. Tausend
Mal widerlegt von wenigen kritischen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern …

Bedenkenswert auch das Statement „Evaluation statt Tests“, hier ebenfalls mit einem Auszug:

Ein echtes Bildungsmonitoring müsste deshalb jede Schule in
die Lage versetzen, individuelle wie kollektive Lernfortschritte
ebenso wie das Schulklima regelmäßig zu evaluieren. Hier
ist die Wissenschaft gefragt, Instrumente gemeinsam mit den
Schulen zu entwickeln und die Lehrkräfte dabei methodisch
zu begleiten.
Politik ist gefragt, die Rahmenbedingungen (Zeit, Freiräume,
personelle und materielle Ressourcen) dafür zu schaffen.
Auf Durchschnittswerte von Leistungstests können wir getrost
verzichten.

Kommunale Bildungslandschaften — Verführung und Reduktion

Kommunale Bildungslandschaften — von der pädagogischen Inspiration zu Kürzungen und zu Abbau von Beteiligung

Die Realität der „Bildungs“-Reformen (von den kommunalen Bildungslandschaften über Selbständigkeit, eigenverantwortliche Schule bis zur Selbstverwirklichung) wurde von vielen Menschen beobachtet, gefühlt, erlitten. Diese und andere Wirkungen blieben in den Sphären des Persönlichen und Subjektiven.

Nun gibt es erfreulicherweise eine Untersuchung, die in Bezug auf die kommunalen Bildungslandschaften Idee und Realität dieser „Reform“ in den Blick nimmt. Anika Duveneck hat sie als Buch veröffentlichen können. Die Nachdenkseiten führten vor Kurzem ein Interview mit der Autorin.

Konkret konnte ich nachweisen, dass vor allem jene Aspekte, des, wenn Sie so wollen, durchaus vielversprechenden Konzeptes umgesetzt wurden, die einen wettbewerbspolitischen Wert aufweisen, und dass der fachliche Wert von Maßnahmen wie einem erweiterten Bildungsverständnis und einer partizipativen Bildungssteuerung dem strukturell untergeordnet worden ist.

In den 2000 er Jahren tauchte der Begriff auf. Bertelsmann, Ministerien und Kommunen wollten glauben machen, dass mit ihren Konzepten die Vitalität in die Schulen einkehrt. Landschaften leben, für sie gibt es Karten und Aussichtspunkte, die einen die Eigenheiten und Wege des Landes erkennen lassen. So sollte es mit der Bildung aufwärts gehen.

»Kommunale Bildungslandschaften«, wie auch die Begriffe Verantwortung, Selbständige Schule, Selbstverwirklichung waren tatsächlich „Spins“ aus der Küche der neoliberalen Weltveränderer (manche nennen sie auch Putschisten). Tatsächlich betörten sie nicht wenige Kolleginnen und Kollegen, die glaubten, ihren humanistischen Ideen näherkommen zu können, wenn sie auf diesen Zug aufsprängen. Inzwischen sind die Steuerungstechnokraten fest im Sattel, die Beteiligungsangebote (Mitbestimmungsrechte wurden eingeschränkt) wieder zurückgefahren.

Was vielleicht an Selbständigkeit und Eigenverantwortung gewonnen war (oder den Anschein erweckte, dass es sie geben könte), wurde rasch durch knappe Mittel, Verdichtung der Arbeit, Kontrollaufgaben (über-) kompensiert.

 

„Maulkorb von der Stadt“

Schule der Öffentlichkeit entziehen – wie demokratisch ist das denn?

Die GEW-Hamburg hatte einen Plan. Sie wollte unter Teilnahme von Lehrern, Eltern und Schülern den Stand der Dinge in Sachen Inklusion vor dem Rathaus öffentlich machen. Die Schule in den öffentlichen Raum tragen. Das kann man nachvollziehen – ist doch die Ausstattung  dieser Reform (fraglich, ob es eine Reform zum Besseren ist) umstritten. Ebenso umstritten ist, welches Verständnis von Inklusion die Behörde hat. Und schließlich geht Schule alle an – oder?

So viel Öffentlichkeit ging der Behörde zu weit, obwohl doch bei dem Projekttag auch davon die Rede sein sollte, was alles schon erreicht worden sei. Sie verbot diesen Projekttag. Der Pressesprecher der Behörde sagte laut taz, Schulen dürften selbstverständlich Projekttage durchführen, nur sich eben nicht „politisch betätigen“.

Im Newsletter der Behörde vom 7.10 – ansonsten nicht verlegen um pr-geübtes Preisen der Schulpoltik – war von der Sache nichts zu lesen.

Dank der taz darf man erfahren, was Teil der Kritik sein könnte

Weiterlesen „„Maulkorb von der Stadt““

Wenn eine Mehrheit der Leiter von Stadtteilschulen in Sorge ist,

sorgt das den Senator Ties Rabe nicht. Sein Lösungsvorschlag: Die Schulleiter sollten ihre Arbeit tun

Vor den Sommerferien veröffentlichten 51 von 59 Schulleitern einen Brief, in dem sie davor warnten, die Stadtteilschulen könnten scheitern.

Hier der Bericht der Welt und hier ein Interview in der Zeit.

Hier eine karge Pressemitteilung, von der man nicht genau weiß, ob sie sich auf die Angelegenheit bezieht.

Nach den Ferien kam die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze zu Wort.

Man darf vermuten, dass die Schulleiter es sich mit ihrer Wortmeldung nicht leicht gemacht haben. Der Senator ist bekannt dafür, dass er mit Kritikern rabiat umgehen kann. Beteiligung und Fachwissen der Praktiker einzubeziehen, ist seine Sache nicht. Noch dazu, wenn sie sich seinen Großplanungen und seiner Tonnenideologie („Graf Zahl“) nicht beugen.

Der Mikrokosmos der Bildungsbenachteiligung

oder die Ordnung der Dinge

Somit stellt sich die Frage, wie stark die Erfahrungen der Lehrer_innen in der Entwicklung des Bildungssystems überhaupt berücksichtigt werden und ob die Logik des mehrgliedrigen Schulsystems nicht längst überholt ist.

Hier geht es zum Artikel Das Fundament der sozialen Schere

http://wasbildetihrunsein.de/2016/09/12/das-fundament-der-sozialen-schere/

 

Aufstieg des Fachidiotentums

Wie die Marktgerechtheit des Wissens Bildung verhindert und Halbbildung hervorbringt

Vor einigen Tagen verstarb der Ökonom Herbert Schui. Um seiner zu gedenken veröffentlichte die jungewelt  das Schlusskapitel seines letzten Buches.

Wer sich mit Sinn und Zweck von Bildung und mit ihren gegenwärtigen Formierungen befassen möchte, findet hier einige Anregungen.

Die Verhältnisse nicht als Ergebnis natürlicher Gesetzmäßigkeit wahrzunehmen, erfordert mehr als berufliche Qualifikation. Allgemeine Bildung ist notwendig. Sie ist (und sie war stets) eine wichtige Voraussetzung für Opposition. Denn wie sonst wird eine Mehrheit dazu kommen können, es – beispielsweise – eine Absurdität zu nennen, wenn aufgrund des technischen Fortschritts zwar in einer Arbeitsstunde immer mehr hergestellt werden kann, gleichzeitig aber die Armut zunimmt? Und wie sonst soll genug Druck entstehen, damit dem Klimawandel wirksam entgegengearbeitet wird? Alles sieht danach aus, dass besonders Halb­bildung eine solche Opposition verhindert.

Psychologie im Neoliberalismus – Psychologie der Manipulation

Oder schlägt sich die Psychologie, die Psychologin, der Psychologe auf die Seite der Aufklärung?

Der Psychologe Rainer Mausfeld erläutert in einem ausführlichen Interview mit den Nachdenkseiten die psychologischen Mechanismen, die zur Stabilität und Akzeptanz von Gesellschaften und Institutionenvon beitragen, die der großen Mehrheit der Bevölkerung schaden. So ist sie – auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich – wesentlich mit der Bildung von Humankapital befasst – und nicht mit Persönlichkeitsentwicklung und Selbstbestimmung und Aufklärung.

Wenn wir nämlich die Dinge besser verstehen, könnte es ja passieren, dass wir beginnen, Fragen zu stellen, die den Status des jeweiligen Establishments gefährden könnten.

Fragmentierung – ob durch bildungsbürgerliches Wissen, durch eine PISA-orientierte Schulausbildung, durch ein “kompetenzorientiertes“ Studium oder durch Medien – ist also in diesem Sinne keineswegs Zufall, sondern ein beabsichtigter Prozess, eine Art Herrschaftsinstrument.

Eine solche Haltung kann sie jedoch nur um den Preis psychischer Deformationen, insbesondere sozialer Ängste und Depressionen, einnehmen.

Das Gespräch bietet viele Anhaltspunkte für Selbstbefragung und Diskussion.

Den Blick auf uns zu richten, bedeutet zugleich zu erkennen – und das ist ganz im Sinne der Aufklärung –, dass wir es sind, die für unser Handeln und Nicht-Handeln und für die Gesellschaft, in der wir leben, verantwortlich sind.

Bildung als Entmündigung

Man staunt – und mag nicht glauben

wie weit die Entmündigung durch Lernen schon fortgeschritten ist. Ministerien, Gewerkschaften, das große Publikum – WIR – nehmen es hin. Wir sind schon so an unsere Wirkungslosigkeit gewöhnt, dass wir die Übergriffe nicht merken, geschweige denn uns dagegen wehren. Von wegen Selbstwirksamkeit. Wir fürchten uns vor unserer eigenen Scham, die uns angesichts unserer Ohnmacht befällt, befallen würde, wenn wir uns denn wehren würden. Das Schweigen erspart uns die Scham – erstmal zumindest. Wenn das dicke Ende gekommen ist, werden wir fragen: Wie konnte das passieren?

wie die modernen online-Lernmodelle Selbstbestimmung unterlaufen