Spielräume der »Machtunterworfenen« im unwirtlichen Gelände der Beratung (II)

Die Zeit für Alternativen ist reif – die Menschen sind am Ende

Was ich im vorangehenden Beitrag geschildert habe, sind Folgen des unternehmerischen Denkens, wie es in Folge der neoliberalen Wende – Derugulierung, Privatisierung, Kürzung, Konkurrenz – zur Doktrin wurde. Damit machte man die Welterklärung und -gestaltung einfach. Alles Handeln und Gestalten geschehe dann effektiv, wenn man es in die Form eines Geschäfts, eines Deals, also einer Ware brachte. Dieses Schmalspurdenken ist nur dann eine Lösung, wenn man die Wirklichkeit ignoriert. Also ist es keine echte Lösung. Auch dann nicht, wenn man versucht, die Wirklichkeit an den Glauben/die Theorie anzupassen. Ich erspare es mir hier, das weiter auszuführen.

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Spielräume der »Machtunterworfenen« im unwirtlichen Gelände der Beratung (I)

Die Lage der Beratung in Hamburg ist seit mehreren Jahren beunruhigend. Weil es mich so beunruhigt, habe das hier noch einmal aufgeschrieben. Im nächsten Beitrag widme ich mich der Frage, ob es Anlass zur Hoffnung gibt, dass die Lage sich bessern könnte. Hoffnung ist da. Wir müssen etwas dazutun und nicht nur Zuschauer/innen sein.

Ein Politiker muss heutzutage den Eindruck vermitteln können, er habe Lage und Laden im Griff. Er oder sie hat es in Vorwahl- und Wahlzeiten so versprochen. Er (oder sie) orientiert sich an den attraktiven und attraktiv gemachten Leitbildern und Führungskonzepten. Einzelpersonen werden idealisiert, ihnen sollen wir uns anvertrauen (gab’s das nicht schon mal – mit wenig überzeugendem Ausgang?). »Wer Leitung bestellt, bekommt sie auch«. Und soll sich hinterher nicht beklagen. So oder so ähnlich die Botschaft des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz.
Einer seiner getreuesten Gefolgsleute ist der Schulsenator Ties Rabe. Damit müssen wir leben. Getreu seinem Führungsverständnis müssen zwei bis drei zentrale schulische Problemfelder bearbeitet und zum Erfolg geführt werden. Sie müssen so durchgearbeitet herauskommen, dass sie dem Versprechen gemäß sind: Alles im Griff.

Ranking ist kein Entwicklungsmotor

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Befreit die Ideologie der Optimierung von einer Erörterung ethischer Fragen?

Schiefe Ebenen oder alles im Lot?

Wohl keine Psychologin, kein Psychologe, kein Berater, keine Beraterin im Arbeitsgebiet der sozialwissenschaftlich fundierten Beratung würde vermutlich sagen, dass es ethischer Grundlagen in der Beratungsarbeit nicht bedürfe.
Wenn man sich anschaut, wie häufig und wie intensiv ethische Grundlagen der Beratungsarbeit diskutiert oder gar schriftlich behandelt werden, könnte man zu dem Schluss gelangen, es bestünden überhaupt keine Probleme, es gebe keinen Anlass zur Sorge. Dass dem nicht so ist, will ich weiter unten kurz darlegen.

Vermutlich hat die Abwesenheit ethischer Debatten damit zu tun, dass wir es gewohnt sind, ethische Dilemmata oder Konflikte in Verbindung mit den Monstrositäten des Nationalsozialismus oder der Stasi zu sehen; deren Charakter des Einmaligen und Vergangenen wird zudem in der Regel betont – und damit wird, beabsichtigt oder nicht, hervorgehoben, wie gut und gerecht es doch bei uns zugehe. Tatsächlich: So geht es bei uns nicht zu.

Dabei wird gern übersehen, dass es „damals“ „schiefe Ebenen“ gab, die man nicht als Beginn einer rasenden Talfahrt sehen wollte. Wegschauen, Gelegenheit der Karriere, Glaube an Technik und Vermessbarkeit des Menschen ergaben eine Melange, die in die Inhumanität führte. Schließlich gab es kein Halten mehr. Jede Gegenwehr schien zwecklos oder lebensgefährlich.

Täterprofile. Zwei starke Veröffentlichungen von Hans-Peter de Lorent

In kleinem Maßstab habe ich das mit der Geschichte von Hans Lämmermann, dem Mann der als erster Schulpsychologe Deutschlands gilt, herauszuarbeiten versucht. Sehr viel präziser und fundamentaler gelingt es Hans-Peter de Lorent Motive, Verirrungen und Verführungen wichtiger Personen zu beschreiben. Er hat zwei (im wahrsten Sinne des Wortes) schwere Bände mit »Täterprofilen« bei der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, herausgebracht. Auf jeweils fast 900 Seiten schildert der Autor Lebenswege und Entscheidungen von „Tätern“.
Band 1: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, Hamburg 2016
Und Band 2: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und in der Zeit nach 1945, Hamburg 2017

Im zweiten Band sind zwei Personen vertreten, die von psychologischem Interesse sind, die bundesweit bekannt waren und Einfluss hatten. Da ist Walter Bärsch, der unter anderem die Hamburger Schülerhilfe leitete, Professor der Erziehungswissenschaften und hoch angesehen war. Und da ist von Professor Peter R. Hofstätter die Rede, bis 1968 tätig am psychologischen Institut der Universität Hamburg und Ziel studentischer Proteste in den 1960 er Jahren.

Beide Biografien und viele andere mehr in den zwei Bänden geben Anlass zu der Frage, wie die Voraussetzungen persönlicher, institutioneller und gesellschaftlicher Art sein mögen, um sich für den Weg der Inhumanität, des Wegschauens, der Liebedienerei und der Duckmäuserei zu entscheiden. Und was es so schwer macht, sich für einen humanen, demokratischen Weg zu entscheiden. Wie ist zu erkennen, dass eine abschüssige Bahn angelegt ist? Was kann Menschen widerstandsfähig machen und bereit, sich gegen erste Zeichen der Inhumanität zu wehren? Immer wieder führt das zu der Frage: Wie hätte ich mich verhalten? Wie wären meine Entscheidungen gewesen und wie ist es mit meiner Entscheidungsfähigkeit bestellt? Weiterlesen „Befreit die Ideologie der Optimierung von einer Erörterung ethischer Fragen?“

Aus gegebenem Anlass

Offener Brief eines Polizisten: Gedanken zum G20-Gipfel in Hamburg

Die Menschen, die ohne Obdach auf der Straße (er)frieren, oder die, die sich beim Discounter um die Ecke eine Packung Toastbrot und Käse klauen, um den Kindern Brote für die Schule zu machen. Ist es tatsächlich ihr Ernst, solche Schicksale tagtäglich zu dulden, um an zwei Tagen Milliarden von Euro für Ihr belangloses Stelldichein zu verschwenden, die in unseren sozialen Systemen besser angelegt wären?

Und nun werden wieder Millionen von Euro in Sachen Sicherheit in nur ein paar Tagen, für ein Event von ein paar Stunden, verheizt?

Kein Bildungsthema — jedoch von hohem Bildungswert

Feige, hinterhältig, menschenfeindlich, auf jeden Fall undemokratisch und zivilisatorisch niedrig stehend, werden von unseren politischen Leistungsträgern Menschen beschrieben, die einen Anschlag verüben, die sich rücksichtslos durchsetzen und nur ihre eigenen, absurden Ziele verfolgen. Gern werden das offene Visier, der Mut, die Risikobereitschaft, Offenheit, ja Weltoffenheit verlangt − nicht zuletzt von Schülerinnen und Schülern.

Da kommen einem die Tränen, wenn man liest, wie die Regierungsfraktionen ein Grundrecht kassiert haben. Sie haben das Grundrecht, das sie störte, einfach einem ganz anderen Gesetz aufgeschnallt und ihm so die Weihen der Mehrheit gegeben. So kann man natürlich auch die Demokratie in die Tonne kloppen. Nur bitte dann nicht mehr jammern, wenn sich Schüler und andere ganz hinterhältig und feige nur noch für ihren eigenen, persönlichen Vorteil interessieren. Und bitte, bitte, keine moralinen Reden mehr von offener Auseinandersetzung, Mut zur Offenheit und zum Risiko.

Mehr dazu hier und

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„Kreuzbrave Studenten und miserabel bezahlter Nachwuchs“

Humboldt war zurecht überzeugt, dass der wissenschaftliche Fortschritt von einem egalitär angenäherten Lernprozess zwischen Studenten und Hochschullehrern bestimmt sein sollte. Humboldt wollte, würden wir heute sagen, den demokratischen Lernprozess zwischen Studierenden und Hochschullehrern.

Hier mehr zum Thema

 

„Stärkungsgesetz“ schwächt Kinder und Jugendliche

Kürzungen bei den Schwächsten und Ärmsten − Treibmittel für Ausgrenzung und Desintegration

Man glaubt es nicht, was  da in der Regierung geplant ist, um angeblich Kinder und Jugendliche zu stärken. Fachlichkeit spielt keine Rolle mehr, wie hier in Bezug auf psychologische Beratung für Schule schon häufiger festgestellt wurde. Kürzungen, Herausnahmen aus Familien und Abbau präventiver Hilfen verschärfen Repression und den Fachkräften die Arbeit. Erosion, Desintegration, Wut und Feindseligkeit der Ausgegrenzten werden zunehmen. Inklusion bleibt eine Alibiveranstaltung. Mal sehen, was den Parteien, denen die Zukunft der Jugend am Herzen liegt (so hört man es dann und wann), in der Debatte noch einfällt.

Hier eine Wortmeldung, veröffentlicht in der taz