Befreit die Ideologie der Optimierung von einer Erörterung ethischer Fragen?

Schiefe Ebenen oder alles im Lot?

Wohl keine Psychologin, kein Psychologe, kein Berater, keine Beraterin im Arbeitsgebiet der sozialwissenschaftlich fundierten Beratung würde vermutlich sagen, dass es ethischer Grundlagen in der Beratungsarbeit nicht bedürfe.
Wenn man sich anschaut, wie häufig und wie intensiv ethische Grundlagen der Beratungsarbeit diskutiert oder gar schriftlich behandelt werden, könnte man zu dem Schluss gelangen, es bestünden überhaupt keine Probleme, es gebe keinen Anlass zur Sorge. Dass dem nicht so ist, will ich weiter unten kurz darlegen.

Vermutlich hat die Abwesenheit ethischer Debatten damit zu tun, dass wir es gewohnt sind, ethische Dilemmata oder Konflikte in Verbindung mit den Monstrositäten des Nationalsozialismus oder der Stasi zu sehen; deren Charakter des Einmaligen und Vergangenen wird zudem in der Regel betont – und damit wird, beabsichtigt oder nicht, hervorgehoben, wie gut und gerecht es doch bei uns zugehe. Tatsächlich: So geht es bei uns nicht zu.

Dabei wird gern übersehen, dass es „damals“ „schiefe Ebenen“ gab, die man nicht als Beginn einer rasenden Talfahrt sehen wollte. Wegschauen, Gelegenheit der Karriere, Glaube an Technik und Vermessbarkeit des Menschen ergaben eine Melange, die in die Inhumanität führte. Schließlich gab es kein Halten mehr. Jede Gegenwehr schien zwecklos oder lebensgefährlich.

Täterprofile. Zwei starke Veröffentlichungen von Hans-Peter de Lorent

In kleinem Maßstab habe ich das mit der Geschichte von Hans Lämmermann, dem Mann der als erster Schulpsychologe Deutschlands gilt, herauszuarbeiten versucht. Sehr viel präziser und fundamentaler gelingt es Hans-Peter de Lorent Motive, Verirrungen und Verführungen wichtiger Personen zu beschreiben. Er hat zwei (im wahrsten Sinne des Wortes) schwere Bände mit »Täterprofilen« bei der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, herausgebracht. Auf jeweils fast 900 Seiten schildert der Autor Lebenswege und Entscheidungen von „Tätern“.
Band 1: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, Hamburg 2016
Und Band 2: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und in der Zeit nach 1945, Hamburg 2017

Im zweiten Band sind zwei Personen vertreten, die von psychologischem Interesse sind, die bundesweit bekannt waren und Einfluss hatten. Da ist Walter Bärsch, der unter anderem die Hamburger Schülerhilfe leitete, Professor der Erziehungswissenschaften und hoch angesehen war. Und da ist von Professor Peter R. Hofstätter die Rede, bis 1968 tätig am psychologischen Institut der Universität Hamburg und Ziel studentischer Proteste in den 1960 er Jahren.

Beide Biografien und viele andere mehr in den zwei Bänden geben Anlass zu der Frage, wie die Voraussetzungen persönlicher, institutioneller und gesellschaftlicher Art sein mögen, um sich für den Weg der Inhumanität, des Wegschauens, der Liebedienerei und der Duckmäuserei zu entscheiden. Und was es so schwer macht, sich für einen humanen, demokratischen Weg zu entscheiden. Wie ist zu erkennen, dass eine abschüssige Bahn angelegt ist? Was kann Menschen widerstandsfähig machen und bereit, sich gegen erste Zeichen der Inhumanität zu wehren? Immer wieder führt das zu der Frage: Wie hätte ich mich verhalten? Wie wären meine Entscheidungen gewesen und wie ist es mit meiner Entscheidungsfähigkeit bestellt? Weiterlesen „Befreit die Ideologie der Optimierung von einer Erörterung ethischer Fragen?“

Plädoyer für Rückenstärkung

Vor einiger Zeit meldete sich das „Bündnis für humane Bildung“ zu Wort

Wer seinerzeit unterschrieb erhielt vor ein paar Tagen die nachfolgende Mail. Wer noch nicht unterschrieb hat, sollte überlegen, ob er oder sie es nicht doch nachholen will. Hier die Ermunterungsmail von Herrn Lankau:

=========Beginn der zitierten Mail:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielen Dank, dass Sie den Offenen Brief unseres „Bündnisses für humane Bildung“ an die Kultusministerkonferenz (KMK) „DigitalPakt Schule der Kultusminister: Irrweg der Bildungspolitik“ unterschrieben haben. Der Brief an die KMK wurde am 28.06.2017 verschickt. Wir werden im Oktober in einer Pressekonferenz in Stuttgart diesen Brief und das Bündnis für humane Bildung vorstellen. Ein Termin bei der Vorsitzenden der KMK, Frau Ministerin Dr. Eisenmann, ist angefragt.

Für diese anstehenden Termine wäre es gut, weitere Unterschriften zu den bereits knapp 1100 Unterzeichnern dazukommen. Wir freuen uns, wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis von der Initiative berichten und dafür werben.

Auf Grund der positiven Resonanz unseres Bündnisses bei Fachkollegen, Lehrern und Eltern sind wir in der Planung für Plakate, Postkarten und einer Tagung im Herbst 2018. Auf unserer Homepage http://www.aufwach-s-en.de finden Sie ständig aktualisiert neue Artikel, Stellungnahmen und Interviews.

Folgend aufgeführt finden Sie neue Publikationen von Mitgliedern unseres Bündnisses.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Ralf Lankau

» Zur Webseite: aufwach-s-en.de

» Zur Petition: „Irrweg der Bildungspolitik“ unterzeichnen

Bedeutung und Gefährdung der Sinne im digitalen Zeitalter

WEINZIRL J, LUTZKER P, HEUSSER P (2017)

Die Publikation enthält u.a. die Artikel:
KOCH S, HERBERT M, BLECKMANN P:
Leiblichkeit und die Sinne im digitalen Zeitalter:
Gefahren der Überreizung, Verkümmerung und Inkongruenz

TEUCHERT-NOODT, G:
Risiken einer neuroplastischen Anpassung der Wahrnehmung
von Raum und Zeit im Kontext der Medienwirksamkeit

HÜBNER, E:
Medienpädagogik und die Schulung der Wahrnehmung

Kein Mensch lernt digital. Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht.

LANKAU, R (2017b)

Die IT-Industrie hat die Bildung als Geschäftsfeld seit vielen Jahren auf der Agenda. Ralf Lankau entlarvt in diesem Buch die wirtschaftlichen Interessen der IT-Branche und ihrer Lobbyisten. Er beschreibt sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen (Kybernetik, Behaviorismus) wie die technischen Rahmenbedingungen von Netzen und Cloud-Computing, bevor er konkrete Vorschläge für einen reflektierten und verantwortungsvollen Umgang mit Digitaltechnik im Unterricht skizziert.

Im digitalen Hamsterrad. Ein Plädoyer für den gesunden Umgang mit Smartphone & Co, Heidelberg

LEMBKE, G (2016)

Ein Buch voller Augenzwinkern und versteckter Spiegel, die das persönliche Digitalnutzungsverhalten auf den Punkt bringen. Das perfekte Geschenk für alle, die das digitale Hamsterrad nervt und wieder freier und glücklicher werden möchten. Das Digitale hat längst das Soziale verdrängt. Handlungsempfehlungen unterstützen Sie in einem verantwortungsvollen Umgang mit Digital & Co – für ein selbstbestimmtes und glückliches Leben – beruflich und privat.

Sie erhalten diese Informationen von:
Projekt „aufwach(s)en mit digitalen Medien.
Bündnis für humane Bildung.“
Prof. Dr. phil. Ralf Lankau
luisenstr. 10 | 77654 offenburg
Tel.: 0781 – 9485 070
eMail: info@aufwach-s-en.de
URL: futur-iii.de | lankau.de | bildung-wissen.eu

==============Ende der Mail vom Bündnis für humane Bildung

Was so problematisch an der Kompetenz ist

Problematisch ist

wenn sich Inhalt und Kompetenz voneinander lösen. Wenn sich Methoden und Techniken der Wirtschafts- und Menschenführung von Inhalten, Zielen und Zwecken lösen, damit sie sich nur noch in eine kurzfristig gedachte Kosten-Nutzen-Rechnung fügen.

Damit aber würden Schülern und Studenten die Erkenntnislust und Neugier genommen, deren sie doch bedürften, um die Wirklichkeit verstehend zu durchdringen

wird Conrad Paul Liessman in einem Bericht der FAZ zitiert.

Nicht überraschend, dass sich in Bericht und Kritik auch rückwärtsgewandte und elitäte Töne mischen. Umso wichtiger ist, dass sich in der Kompetenzkritik auch emanzipatorische Stimmen zu Wort melden.

Liebe Liebhaber des Einheitsabiturs

Da ist sie nun wieder die Zeit, die voller Anspannung sein kann. Die Zeit des Abiturs beschäftigt die Geister. Halten die Nerven das aus oder kann ich entspannt sein? Schüler und Schülerinnen steuern auf einen Wendepunkt in ihrem Leben zu – Schule aus und dann? Und die Eltern fragen sich, was aus der Zukunft ihrer Sprößlinge werden kann. Und alle wissen: hinter dem Tor gibt es ein Land voller Ungewissheit. Überhaupt: Was ist das Abitur wert? Welchen Stellenwert besitzt es im landesweiten und globalen Wettkampf?

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Kein Bildungsthema — jedoch von hohem Bildungswert

Feige, hinterhältig, menschenfeindlich, auf jeden Fall undemokratisch und zivilisatorisch niedrig stehend, werden von unseren politischen Leistungsträgern Menschen beschrieben, die einen Anschlag verüben, die sich rücksichtslos durchsetzen und nur ihre eigenen, absurden Ziele verfolgen. Gern werden das offene Visier, der Mut, die Risikobereitschaft, Offenheit, ja Weltoffenheit verlangt − nicht zuletzt von Schülerinnen und Schülern.

Da kommen einem die Tränen, wenn man liest, wie die Regierungsfraktionen ein Grundrecht kassiert haben. Sie haben das Grundrecht, das sie störte, einfach einem ganz anderen Gesetz aufgeschnallt und ihm so die Weihen der Mehrheit gegeben. So kann man natürlich auch die Demokratie in die Tonne kloppen. Nur bitte dann nicht mehr jammern, wenn sich Schüler und andere ganz hinterhältig und feige nur noch für ihren eigenen, persönlichen Vorteil interessieren. Und bitte, bitte, keine moralinen Reden mehr von offener Auseinandersetzung, Mut zur Offenheit und zum Risiko.

Mehr dazu hier und

hier

 

Matheprobleme: Eine bemerkenswerte Debatte

Damit konnte man nicht rechnen

Es war mehr oder weniger Zufall. Ich suchte in der Parlamentsdatenbank nach Informationen zu einem Thema. Dabei stieß ich noch mal auf die »Matheprobleme«, die ja hier schon Thema waren. Ein markanter Punkt war, dass der Hamburger Schulsenator Ties Rabe als Reaktion auf das schlechte Abschneiden die Mathenoten per Verordnung „verbesserte“. Das hatte eine Menge Wirbel ausgelöst. Die Hintergründe dieser Entscheidung blieben im Nebel.

Nun kann man tatsächlich klarer sehen. Am 21.2.2017 debattierte der Schulausschuss der Bürgerschaft. Es gab eine inhaltsreiche Debatte. Alle Diskutant/inn/en blieben sachlich, verzichteten auf Polemik. So kann man als Leser des Protokolls tatsächlich schlauer werden. Kriterien und Entscheidungsprozesse werden erkennbar. Ich habe nicht geprüft, ob die Medien von der Schulausschusssitzung berichteten – mir ist zumindest nichts dergleichen aufgefallen. Das Skandalpotenzial der Debatte war sehr niedrig.

Auffällig: Im Wesentlichen sind die Stundenpläne, Abweichungen durch Sonderregelungen, Zusammensetzung der Schülerschaften, Traditionen der Schwerpunkte so unterschiedlich, dass man sich fragt, ob die Ländervergleichsuntersuchungen überhaupt einen Sinn haben. (Trotzdem kann es sich Herr Rabe nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass Hamburg gegenüber Bayern bei xy ganz weit vorne liegt).

Und man erfährt, dass immer wieder neue Gruppen zusammengestellt werden, damit Stichproben dann (hoffentlich) doch endlich vergleichbar sind. Wer hat etwas von den Vergleichsuntersuchungen? Und wie wäre es, wenn man dieses Geld, denn es wird ja ausgegeben, für andere Zwecke einsetzen würde? Man könnte untersuchen, wie sich individuelle Lern- und Erkenntnisprozesse gestalten, wie sie von der Lebenssituation, von Vorerfahrungen, von Bindung und Beziehung, Fremdheit und Vertrautheit etc. abhängen.

Man kann auch ins Grübeln kommen, ob denn der Zentralisierungmechanismus des Einheitsabiturs nicht viele Varianten auslöscht, die es verdienen erhalten zu werden. So werden die Mathematikaufgaben in Hamburg (anderes als in anderen Bundesländern) laut Herrn Rabe „kontextabhängig“ gestellt. Das kann man für sinnvoll halten. Wenn Hamburg sich nun mit dieser Richtungsentscheidung nicht durchsetzen kann, wird Hamburg diese Orientierung aufgeben. Was wäre damit gewonnen?

Hier noch einmal der Link zum Sitzungsprotokoll

Auf diesen Seiten waren immer auch mal skeptische Ansichten zur Kompetenzorientierung zu lesen. Ich erinnere noch mal an die Veröffentlichungen der Gesellschaft für Bildung und Wissen (auf der Startseite auch das Thema Mathematik und Zentralbitur). Mit diesem Thema beschäftigte sich vor einigen Monaten  die hamburgische Bürgerschaft. Das war ein Beispiel dafür, wie Parlamentarier/innen aneinander vorbeireden können und sich in Verächlichkeit üben. Erkenntniszuwachs geht gegen Null.

Autismus oder was

„Fehldiagnosen zuhauf“

hieß es vor ein paar Tagen in der taz.

Es geht um Autismus um, eine Störung, die in Mode gekommen ist und in zahlreichen Fällen nichts oder wenig mit Autismus zu tun. Die Diagnose hat einen eigenen Glamour. Ich erinnere mich, dass sie in bestimmten Wohngebieten bevorzugt auftraten. Und dass die Schulbehörde dafür eine eigene Beratungseinrichtung schuf.

 

Mathe-Schwächen in Hamburg II

Das schlechte Abschneiden Hamburger Schüler

in Mathe-Vorklausuren und die behördlich verordnete Anhebung der Noten schlagen weiter hohe Wellen.  Von der SPD hört man erstmal nichts. Es bleibt bedauerlicherweise der CDU überlassen, auf grundlegende Mängel an Konzepten, wie Kompetenzorientierung hinzuweisen. Auf dieser Website ist das schon geschehen, aber fundiert und häufig durch die Gesellschaft für Bildung und Wissen.

Die Linksfraktion macht darauf aufmerksam, dass die Stadtteilschulen von Lehrern abgewählt würden und sie sich für das Gymnasium entschieden. Die Klausur solle am besten gar nicht bewertet werden.

Was die anderen Fraktionen sagen, kann man hier nachlesen.

Was die GEW hinsichtlich PISA kritisiert, lässt sich auch als weiterführenden Beitrag für die Notendiskussion lesen.

Ach ja. Noch was. Vor ein paar Tagen wies ich als weitere Hamburger Rechenschwäche darauf hin, dass Hamburg und Schleswig-Holstein gezwungen sein könnten, die HSH Nordbank mit 10 Milliarden Euro zu retten. Da sind wir inzwischen auch ein paar Schritte weiter. Im Abendblatt ist nun von 16 Milliarden die Rede.