Protest gegen Digitalpakt

Forderungen und Hintergründe zur Kampagne der Kultusminister

Das »Bündnis für humane Bildung« startet eine Unterschriftensammlung

So wichtig es ist, über Zukunftsstrategien für öffentliche Schulen zu diskutieren und bei Bedarf länderübergreifend zu kooperieren, so falsch ist es, Konzepte nur an Digitaltechnik und zentralisierten Strukturen festzumachen. Die angeblich notwendige „Digitalisierung aller Bildungseinrichtungen“ ist mehr Ideologie denn zukunftsweisende Strategie. Seit wann orientieren sich Bildungsprozesse an neuer Medientechnik oder den Update-Zyklen der IT-Wirtschaft? Geräte der Unterhaltungsindustrie verpflichtend in den Unterricht zu integrieren ist weder pädagogisch noch bildungspolitisch zu begründen. Es missachtet zudem die grundgesetzlich verankerte Methodenfreiheit der Lehrenden. Diese Pakte bedienen ausschließlich Partikularinteressen der IT-Wirtschaft und der Arbeitgeberverbände.

Liebe Liebhaber des Einheitsabiturs

Da ist sie nun wieder die Zeit, die voller Anspannung sein kann. Die Zeit des Abiturs beschäftigt die Geister. Halten die Nerven das aus oder kann ich entspannt sein? Schüler und Schülerinnen steuern auf einen Wendepunkt in ihrem Leben zu – Schule aus und dann? Und die Eltern fragen sich, was aus der Zukunft ihrer Sprößlinge werden kann. Und alle wissen: hinter dem Tor gibt es ein Land voller Ungewissheit. Überhaupt: Was ist das Abitur wert? Welchen Stellenwert besitzt es im landesweiten und globalen Wettkampf?

Weiterlesen „Liebe Liebhaber des Einheitsabiturs“

Kooperatives Lernen in der Systemfalle?

Es ist die Politik – oder der Zwang der Verhältnisse

Gerade fand ich einen älteren Artikel auf Bildungsklick. Zwanzig Jahre Kooperatives Lernen nach dem Konzept von Norm Green wurden gefeiert. Der Bericht von Brigitte Schumann zeigt, wie mit viel Engagement von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und vielen anderen ein Versuch der Humanisierung allmählich unter die Räder zu geraten droht. Vielleicht ist er dort auch schon gelandet.

Seinerzeit schien das Kooperative Lernen wie gemacht für den pädaogischen Erneuerungsbedarf und -willen, der nicht wenige Lehrer und Lehrerinnen ergriffen hatte. Die Bertelsmannisierung der Schule schien sogar einen „offiziellen“, genehmigten Rahmen für Neues zu schaffen. Wer wollte, konnte schon damals sehen, dass ein idealistischer Überschuss die reformerische Hand führte. Seine Kehrseite war die Entpolitisertheit gegenüber den Zielen und Zwecken der Schule im Allgemeinen und der bertelsmannschen Konzeption im Speziellen.

Es sind deren Regeln, Stellgrößen etc. die den pädagogischen „Spaß“ verderben und gegen den die Engagierten so unverdrossen, manchmal wohl auch bis zur Erschöpfung und Resignation anarbeiten − weitgehend entpolitisiert, wie es schon seit den 20 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Tradition ist. Das wäre ein anderes Kapitel. Allerdings: wer von der deutschen Version des Neoliberalismus und seinem Wirken auf Schule nicht reden will, sollte von der pädagogischen Erneuerung durch Kooperatives Lernen schweigen. Oder von Inklusion. Oder von Kompetenzorientierung. Oder …

Brigitte Schumann fordert zurecht einen „bildungspolitischen Transformationswillen“ von einem Ministeriumsvertreter − sollte dieser Wille aber nicht auch von den Beschäftigten gefordert werden? Einschließlich der Analyse dessen, was den Zwang der Verhältnisse ausmacht?

Bildung spaltet – mit staatlicher Förderung

Wie Verfassung und Inklusionsgebot unterlaufen werden

„Die gegenwärtige Verwaltungspraxis ignoriert diese verfassungsrechtlichen Vorgaben teilweise in einer Weise, die unseres Erachtens als ‚Missachtung‘ bezeichnet werden muss. Dies ist nicht nur aus rechtsstaatlicher Sicht besorgniserregend, sondern fördert eine Entwicklung, welche die ohnehin problematische soziale Segregation in den Schulen weiter forciert.“

Unerwartet krass fällt das Fazit einer Untersuchung aus, über die die taz berichtet.

GEW gibt einen Privatisierungsreport heraus

Private Bildungseinrichtungen gab es in Deutschland schon immer. Nicht selten auch gegründet und betrieben, um Defizite im öffentlichen Bildungswesen zu vermeiden und Reformalternativen zu praktizieren. Dazu kamen konfessionelle Einrichtungen mit ihren spezifischen Ansätzen. Hierbei entwickelten sich einige – vor allem pädagogisch – sinnvolle Alternativen, zumal die Arbeits- und Vergütungsbedingungen der Beschäftigten durchaus mit denen des öffentlichen Bildungswesens vergleichbar waren und nicht Gewinnerzielung der Grundzweck war. Das hat sich geändert: Das öffentliche Bildungswesen wird in die Zange genommen.

Hier geht es zum Privatisierungsreport

Matheprobleme: Eine bemerkenswerte Debatte

Damit konnte man nicht rechnen

Es war mehr oder weniger Zufall. Ich suchte in der Parlamentsdatenbank nach Informationen zu einem Thema. Dabei stieß ich noch mal auf die »Matheprobleme«, die ja hier schon Thema waren. Ein markanter Punkt war, dass der Hamburger Schulsenator Ties Rabe als Reaktion auf das schlechte Abschneiden die Mathenoten per Verordnung „verbesserte“. Das hatte eine Menge Wirbel ausgelöst. Die Hintergründe dieser Entscheidung blieben im Nebel.

Nun kann man tatsächlich klarer sehen. Am 21.2.2017 debattierte der Schulausschuss der Bürgerschaft. Es gab eine inhaltsreiche Debatte. Alle Diskutant/inn/en blieben sachlich, verzichteten auf Polemik. So kann man als Leser des Protokolls tatsächlich schlauer werden. Kriterien und Entscheidungsprozesse werden erkennbar. Ich habe nicht geprüft, ob die Medien von der Schulausschusssitzung berichteten – mir ist zumindest nichts dergleichen aufgefallen. Das Skandalpotenzial der Debatte war sehr niedrig.

Auffällig: Im Wesentlichen sind die Stundenpläne, Abweichungen durch Sonderregelungen, Zusammensetzung der Schülerschaften, Traditionen der Schwerpunkte so unterschiedlich, dass man sich fragt, ob die Ländervergleichsuntersuchungen überhaupt einen Sinn haben. (Trotzdem kann es sich Herr Rabe nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass Hamburg gegenüber Bayern bei xy ganz weit vorne liegt).

Und man erfährt, dass immer wieder neue Gruppen zusammengestellt werden, damit Stichproben dann (hoffentlich) doch endlich vergleichbar sind. Wer hat etwas von den Vergleichsuntersuchungen? Und wie wäre es, wenn man dieses Geld, denn es wird ja ausgegeben, für andere Zwecke einsetzen würde? Man könnte untersuchen, wie sich individuelle Lern- und Erkenntnisprozesse gestalten, wie sie von der Lebenssituation, von Vorerfahrungen, von Bindung und Beziehung, Fremdheit und Vertrautheit etc. abhängen.

Man kann auch ins Grübeln kommen, ob denn der Zentralisierungmechanismus des Einheitsabiturs nicht viele Varianten auslöscht, die es verdienen erhalten zu werden. So werden die Mathematikaufgaben in Hamburg (anderes als in anderen Bundesländern) laut Herrn Rabe „kontextabhängig“ gestellt. Das kann man für sinnvoll halten. Wenn Hamburg sich nun mit dieser Richtungsentscheidung nicht durchsetzen kann, wird Hamburg diese Orientierung aufgeben. Was wäre damit gewonnen?

Hier noch einmal der Link zum Sitzungsprotokoll

Auf diesen Seiten waren immer auch mal skeptische Ansichten zur Kompetenzorientierung zu lesen. Ich erinnere noch mal an die Veröffentlichungen der Gesellschaft für Bildung und Wissen (auf der Startseite auch das Thema Mathematik und Zentralbitur). Mit diesem Thema beschäftigte sich vor einigen Monaten  die hamburgische Bürgerschaft. Das war ein Beispiel dafür, wie Parlamentarier/innen aneinander vorbeireden können und sich in Verächlichkeit üben. Erkenntniszuwachs geht gegen Null.

Matheprobleme in Hamburg

Die Debatte kommt in Gang

In diesem Interview mit Gabriele Kaiser wird unter anderem indirekt deutlich, dass der Schulsenator Ties Rabe mit einem großen Ruck ganz groß herauskommen wollte, dass das, was seit Jahren versäumt wurde, mit einem „mutigen“ Schritt aus dem Weg geräumt werden sollte. Dann hätte er ganz oben auf dem Podest stehen könnte.

Es mangelte an Analyse − wozu auch, wenn es doch einen starken politischen Willen gibt. Man darf vermuten, dass Herr Rabe sich nicht hat beraten lassen, oder schlecht beraten war. Kannten wir das nicht … Inklusion … ReBBz …?

Passend zum vorangehenden Beitrag

Noch einmal: Kritik an PISA

PISA ist ein Mittel zur Einflussnahme auf die Schulpolitik, so könnte ein Fazit auseinem Interview in der Süddeutschen lauten.

Noch einmal Digitalisierung in der Schule

bei der Gesellschaft  für Bildung und Wissen reinzuschauen lohnt immer wieder

Bildung ist notwendig an ein Subjekt gebunden. Bildung ist weder Speicherformat noch Objekt oder messbare Größe, sondern Merkmal einer Persönlichkeit. Es ist aber charakteristisch für einen technokratischen Bildungsbegriff, wenn der Bertelsmann-Konzern unter der Überschrift „Wachstum Education“ damit wirbt, dass dank Digitalisierung „Bildung auch online in guter Qualität ausgeliefert werden kann.“

Nicht vertreten sind Kinderärzte, Pädagogen, Lernpsychologen oder Neurowissenschaftler, die die Folgen der Nutzung dieser Bildschirmmedien (Smartphone, Tablet) untersuchen.

Notorische Matheschwächen in Hamburg

Gute Note auf Verordnung

Die Schüler sollen nicht unter den Folgen kurzatmiger Politik leiden

Hätte Ties Rabe, Schulsenator in Hamburg, diesen Verwaltungsakt nicht vollzogen, hätte er vermutlich mit Klagen rechnen müssen; denn die Ergebnisse der Klausur gehen mit fünf Prozent in die Mathenote des Abiturs ein. Damit hält er sich vielleicht einen juristischen und medialen Shitstorm vom Hals. Man kommt jetzt darauf, dass man nicht weiß, ob die Aufgaben zu schwer gewesen sein könnten oder ob die Schüler zu schlecht vorbereitet wurden. Eine Vergleichsmöglichkeit mit anderen Bundesländern fehlt. Eine sehr mangelhafte Versuchsanordnung. Gehören Statistik und Versuchsanordnung nicht zur Methodik bei der Planung eines Großversuchs?

Die verwaltungsmäßige Heraufsetzung der Note bietet natürlich Anlass zu jeder Menge Häme. Im NDR-Fernsehen tauchte die Frage der Bilanzfälschung auf, aber nur rhetorisch und um dem Senator die Gelegenheit zu geben, einer solchen Schlussfolgerung zu widersprechen.

Eine andere Frage könnte sein, ob das Zentralabitur überhaupt eine gute Idee ist. Wir hören viel von der Vergleichbarkeit der Noten, also werden die Schüler alle auf ein und dasselbe Ziel trainiert. Zur Erinnerung: Wie war das noch mit der Vielfalt und dem Furor gegen die – selbstverständlich – sozialistische Einheitsschule? Was wissen wir darüber, was die Schülerinnen wirklich können, was sagen 0,7 Punkte Differenz zur letzten Leistung aus? Wir hörten in den letzten Jahren von den unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler – Stichwort soziale Herkunft -: wie verhält sich das zur Vereinheitlichung des Abiturs? 

Lernen für den Test

Rankings helfen, nicht mehr nach den Inhalten schauen zu müssen. Vielmehr wird verglichen und angetrieben, 0,3 Punkte Steigerung oder Abstieg. Hier noch eine technische Maßnahme, dort noch eine Stunde draufgesattelt. Man kann besichtigen, was aus dem Lernen wird: Pauken und Trainieren, Lernen für den Test. Mit Verstehen und Verantwortung für das Wozu hat das nicht viel zu tun. Jetzt werden von der Behörde und vom Abendblatt („Dabei stehen die Lehrer in der Verantwortung, ihren Schülern die bestmöglich Hilfe anzubieten“) die Lehrer und Lehrerinnen in die Pflicht genommen – wohlfeil.

Niemand ist perfekt, doch der Hamburger ist nah dran

Tatsächlich werden die Lehrer/innen in die Pflicht genommen. Sie müssen – vermutlich ohne zusätzliches Personal – die aufgelegten aufgelegten Förderprogramme umsetzen. Was müssen die Schulen weglassen, um die Forderungen erfüllen zu können? Dass damit wieder einmal von oben verordnet und nicht gemeinsam entwickelt wird, bleibt der GEW überlassen zu sagen.  Wir kehren zur Obrigkeitsschule im modernen Gewand zurück, dekoriert mit der Rede der selbstverantworteten Schule. Eine Probeklausur mag eine gute Idee sein. Aber im Übereifer, super und Erster sein zu wollen, ist Senator Rabe wie immer gestartet und hat sie schlecht vorbereitet. Nun stellt er sich als entschlossen, handlungsfähig und als Retter dar. Die Hamburger Medien werden sich kaum mit den Hintergründen der Angelegenheit der Sache befassen.

Möglicherweise ist der Matheschwäche nicht mit Förderprogrammen beizukommen. Sie scheint verbreitet zu sein. Sie ist bekannt, aber gegen sie ist kein Kraut gewachsen. Die Elbphilharmonie (Eröffnung heute) sollte knapp 80 Millionen kosten. Schließlich wurden es 800 Millionen. Von der HSH Nordbank hört man nicht mehr so viel, wird von den Medien so gar nicht erörtert. Und doch sind die Hamburger und Schleswig-Holsteiner bald dran. 10 Milliarden