Freihandelsabkommen für Bildung? Darf das wahr werden?

Alles wird zur Ware, auch Bildung, wenn wir uns nicht zu Wort melden und Denkzettel verteilen

Hier war schon oft davon die Rede, dass die Einfluss- und Steuerinteressen der Wirtschaft mehr und mehr von den Bildungsbehörden übernommen werden. Sie sind eine Gefahr für Bildung, die das Individuum stärkt, seine Erkenntnisfähigkeit voranbringt und seine Urteilskraft unterstützt. Nicht zuletzt leidet auch Beratung unter diesen Vereinnahmungen. Beratung in Schule (wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft) ist davon bedroht, zum Gehilfen eines verkürzten Bildungsverständnisses zu werden; teilweise hat der Prozess der Aushöhlung schon begonnen.

Wenig ist im Bewusstsein von Fachleuten und der Öffentlichkeit, dass das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) der einseitigen Ausrichtung des Lernens an wirtschaftlichen Verwertungsinteressen von Konzernen und der Formung eines marktkonformen Sozialcharakters weiteren Schwung verleihen könnte. Bis hin zu einer Gefährdung der Demokratie. Wer mag, kann sich mit den folgenden Links in das Thema einarbeiten.

Aus der jungenwelt hier und hier, aus dem Tagesspiegel, aus der Zeit, aus einer Artikelsammlung der Süddeutschen, vom Verband für Bildung und Erziehung, von den Netzfrauen.

Wer etwas über den Segen von TTIP erfahren möchte, gebe „ttip bildung“ in seine Suchmaschine ein. Er findet dort eine Reihe von gesponsorten Links.

Für den Widerstand gegen TTIP und seine Anwendung auf Bildung kann es eine Chance sein, wenn die Grünen in Hamburg in eine Koalition mit der SPD einsteigen. Die Grünen hatten sich vor den Wahlen gegen TTIP ausgesprochen. Und brauchen dafür sicherlich viel Rückhalt und Unterstützung aus Schule, Hochschule und Bevölkerung, damit sie nicht schwach werden … Auch das ist ein Grund, sich mit dem Thema zu beschäftigen, mit Freunden, Nachbarn, Kollegen und Politikerinnen ins Gespräch zu kommen.

Ist die Inklusion die Steigbügelhalterin für die Privatisierung des Schulwesens?

Clemens Knobloch lässt mit seinem Aufsatz die Schwierigkeiten mit der Inklusion in einem neuen, und mir scheint, klarem Licht, verstehbar werden. Er bezweifelt die humanitäre Gesinnung, die allenthalben bekundet wird, wenn über Inklusion gesprochen wird. Die hoffnungsvollen (und anstrengungsbereiten) Befürworter der Inklusion müssen sich fragen, ob sie nicht einer Variante der neoliberalen Politik auf den Leim gegangen sind. Wie müssen Theorie und Praxis der Überwindung von Ausschluss aussehen, damit Inklusion mehr ist als ein moralischer Anspruch, mit dem Kinder, Eltern und Lehrer vorgeführt werden und zudem noch Agenten von Privatisierungspolitik werden?

In der neoliberalen Bildungsideologie ist das (kostenfreie) öffentliche Schulwesen als staatliche Restinstitution für diejenigen vorgesehen, die sich private Bildungseinrichtungen nicht leisten können. Der Staat hat sich nur um die zu kümmern, die nicht am Markt teilnehmen können. Viel zitiert wird in diesem Zusammenhang der OECD-Policy Brief Nr. 13 aus dem Jahr 1996, eine wahre Fundgrube nützlicher Ratschläge für Staatsakteure, die das öffentliche Bildungswesen gesund- oder besser kranksparen wollen, ohne dafür politische Rechnungen serviert zu bekommen (mehr dazu in Knobloch 2012: 115-118). Geraten wird da u.a. zum schrittweisen Absenken der angebotenen Schul- und Bildungsqualität im öffentlichen Bereich. Und wenn die auch noch politisch korrekt und moralisch geboten ist wie im Falle der Inklusion, kann man das getrost als das Ei des Kolumbus bezeichnen.

Inklusion in Hamburg: Jetzt doch höherer Förderbedarf

Die taz berichtet von einem vorläufigen Ende der Schönfärberei:

Auch in den Schuljahren 2013/14 und 2014/15 starten die Schulen mit – rückblickend bestätigt – fast Zweidrittel Unterausstattung. Rabe gewann Zeit, in dem er die Uni-Professoren Karl-Dieter Schuck und Wulf Rauer beauftragte, den LSE-Anstieg zu untersuchen. Doch auf deren Fazit – die LSE-Quote von 6,6 Prozent sei für eine Großstadt plausibel – gab er wenig, und ordnete für diesen Herbst die Einzel-Gutachten an – gegen den ausdrücklichen Rat von Rauer und Schuck.

Hier die Pressemitteilung der Schulbehörde

Mit Zahlenflut, Tonnenideologie, und Optimierungsrhetorik wird der Blick von Schwachstellen der Schulpolitik abgelenkt

Offensive für guten Unterricht ist zweifelhaft

In regelmäßigen Abständen versorgen uns Schulsenator Rabe und sein Pressesprecher mit Heilsbotschaften. Hamburg immer besser, höher weiter. Verkündet werden uns in routinierter PR-Manier Qualitätsverbesserungen, wo bestenfalls von mehr Personaleinsatz, quantitativen Veränderungen und Umschichtungen die Rede sein kann. Was sie am Ende bringen werden, sollte allein schon der Redlichkeit wegen offenbleiben.
Mit Empirie und Hattie wähnt man sich auf der Siegerseite. Empirie hat den Ruf einer harten Währung. Angeblich werden die Unterrichtsergebnisse und Leistungsstände genauer denn je betrachtet, und zwar mit testmäßig und damit dem Anschein nach objektiven und unbezweifelbaren Normwerten. Zweifel an den in Aussicht genommenen Ergebnissen sind indes angebracht. Um das zu verstehen, begeben wir uns auf einen kleinen Zitatenspaziergang durch das Land der empirischen Forschungen. Weiterlesen „Mit Zahlenflut, Tonnenideologie, und Optimierungsrhetorik wird der Blick von Schwachstellen der Schulpolitik abgelenkt“

Den Schaden trägt die Gesellschaft

Auf den Nachdenkseiten gab es kürzlich eine Zusammenfassung der Grundlagen der Wirtschafts- und Finanzpolitik

der vergangenen Jahre. Unter anderem verschlechtert sie die Voraussetzungen für Bildung. Das betrifft sowohl die finanzielle Seite (der Anteil der Bildungsausgaben in Deutschland ist nach wie vor im internationalen Vergleich gering)  als auch die Werte und Haltungen im Lernprozess. Der Autor zeigt am Beispiel der „Schuldenbremse“, wie sich mit der Ausrichtung der Politik an den Interessen großer Unternehmen und der Finanzindustrie die Spielräume für Gestaltung durch Politik mehr und mehr verengen. Darunter leidet auch das, was früher einmal unter Bildung – und sei es als ein orientierendes Ideal – verstanden werden konnte.

Die Schwierigkeiten mit der Inklusion – ein Übersetzungsproblem?

Nachlässigkeit in der Planung und Wunschdenken sind nach Auffassung von Otto Speck

entscheidend für den miserablen Zustand der Inklusion. Die Politik scheint demnach leichtfertig von einer Kostenneutralität der Reform ausgegangen zu sein. Und davon, dass sich die Praxis dann schon irgendwie zurechtruckeln werde, darf man vermuten. So könnte man sich auf „billige“ Weise Reformfedern an den Hut stecken, könnte die Rechnung gewesen sein. Und die Reformer mit dem Inklusionsherzen könnten die Träumer gewesen sein, die – ohne die Kosten zu kalkulieren – hofften, den Tiger reiten zu können. Und nun vor den Scherben einer technokratisch gesteuerten Billigversion einer Reform stehen, die mit einem humanen Anspruch von Inklusion nicht übereinzubringen ist.

Forcierter Abbau von Bildung im Namen der Bildung

Also zunächst muss die Analyse klar sein: PISA ist wissenschaftlich fragwürdig und politisch an Partikularinteressen orientiert. Wer darauf Empfehlungen zur Vergrößerung von Schulklassen oder zur Entlohnung von Lehrern aufbaut, handelt wider bessere Einsicht und gegen das Allgemeinwohl. Es ist mehr als absurd, aus einer derart verzerrten und interessierten Darstellung der Bildungswirklichkeit irgendwelche politischen Handlungen abzuleiten.


Eine größere Klarheit über die Grundlinien „unserer“ Bildungspolitik als in in diesem Interview mit Matthias Burchardt ist in solcher Kürze nicht zu bekommen.
Es ist erschreckend, wie die Politiker sich mehr und mehr in den Dienst der Ökonomisierung stellen und menschliche Werte zum Einsparpotenzial werden.