Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (VI)

Welchen Nutzen kann Beratung haben?

Eine Hilfe bei der Widerspruchs- und Spannungsverarbeitung können Beratungssysteme sein. In der Tat ist institutionalisierte Beratung als Reaktion auf die Unübersichtlichkeit der Moderne entstanden. Sie hat einen aufklärerischen, demokratischen Impuls: Die Subjekte sollen durch Beratung in ihrer Urteilsbildung und Handlungsfähigkeit gestärkt werden, jenseits von Zuschreibungen einer Krankheit oder Störung. Dazu müssen einige Minimalanforderungen erfüllt sein. Die Beratungsinstitution und ihre Mitarbeiter selbst benötigen einen Rahmen, in dem sie theoretisch und praktisch jenseits der Zugehörigkeit zu »ihrem Haus« (im Falle einer Schulberatungsstelle oder einer schulpsychologischen Beratungsstelle beispielsweise zur Schulbehörde; im Falle eines Beratungslehrers zur Schule) unabhängig, allparteilich und neutral sein können. Beratung muss ergebnisoffen sein können, so sehr manchen Entscheider, der doch nur will, dass die Dinge funktionieren, das verdrießen mag. Weiterlesen „Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (VI)“

Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (V)

Widerspruchserfahrung – Bewusstsein – Handeln

Es ist unschwer erkennbar: Die Beschäftigten in Schule und Beratung sind mit zahlreichen Widersprüchen konfrontiert. Eigene wie auch von außen gestellte Ansprüche laufen dauernd Gefahr, verfehlt zu werden. Wie verarbeiten sie diese Dissonanz und welche Folgen hat das? Nur in den seltensten Fällen sind solche Dissonanzen Anlass zu kollegialer, gemeinsamer Klärung und zur Bearbeitung über Verantwortungsebenen hinweg. Die Verarbeitung geschieht in der Regel isoliert, privatisiert. Lösungen können gelingen, aber auch in Überforderung und Verzweiflung münden. Oder in kräftezehrender oberflächlicher Anpassung – mit neuen Risiken. Unterricht und Erziehung sind auf gefestigte, rollensichere, glaubwürdige Persönlichkeiten mit der Fähigkeit zu Einfühlung und Beziehung angewiesen. Rollensicherheit und Glaubwürdigkeit sind allerdings in Gefahr, wenn unaufgelöste Widersprüche (und Ängste) durch die schulischen Systeme flottieren. Weiterlesen „Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (V)“

Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (IV)

Widersprüche ohne Verarbeitung

Die Beschäftigten sollen zwar einerseits loyal, dauerhaft und zuverlässig Ziele verfolgen, kein Kind zurücklassen, deren individuellen Fähigkeiten, Lebenslagen und Notwendigkeiten nachgehen, mit internen und externen Personen und Systemen kooperieren. Gleichzeitig aber sollen sie sich den von außen gesetzten Veränderungen (Verkürzung der Schulzeit, Kopfnoten und ihre Rücknahme, Verlängerung von Arbeitszeiten, erweiterte Aufgaben) klaglos anpassen und in der Lage sein, sich von »alten« Aufgabe zu verabschieden. So sind sie nicht selten gezwungen, das eine oder das andere zu ignorieren und individuelle Auswege zu suchen, um mit inneren Konflikten fertig zu werden. Die selbstgestellten, wie auch die fremdgestellten Ansprüche können oft nicht in die neuen Forderungskataloge eingearbeitet werden. Weiterlesen „Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (IV)“

Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (III)

Aufgabe der Schule

Schule hat die Aufgabe, aus dem Nachwuchs nützliche Mitglieder der Gesellschaft zu machen und den Arbeitskräftebedarf zu befriedigen. Aber nach welchen Prinzipien ist diese Gesellschaft konstruiert, nach welchen Prinzipien funktioniert sie – woraus sich dann ableitet, wie ein nützliches Mitglied der Gesellschaft beschaffen sein soll?

Antworten könnten so lauten: Schule führt in das Wirtschaftssystem ein, gewöhnt an das Konkurrenzdenken, sie objektiviert Bildungskarrieren, Zertifizierungen, Zugehörigkeiten und Ausschlüsse als gerecht und transparent. Sie schafft Ordnung und sie zeigt: Unter vorgegebenen und zu befolgenden Regeln und Verfahren ist Schule eine Möglichkeit der Teilhabe an der Gesellschaft. Schule ist Spiegel und Spielplatz der Gesellschaft und ihrer Werte. Weiterlesen „Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (III)“

Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (II)

Individualisierungskonzepte – Wege zur Emanzpation?

Ein weiteres Thema der Schule und der Beratungseinrichtungen sind Strategien der Individualisierung. Sie erscheint in den Konzepten »neuen« Lehrens und Lernens als Königsweg des Lehrerhandelns und die Berater sehen Möglichkeiten, mit ihrem auf das Individuum gerichteten Blick einen höheren Stellenwert zu gewinnen.

Allerdings: Individualisierungskonzepte sind nicht automatisch das Programm für Persönlichkeitsentwicklung. In der Regel scheint gemeint zu sein, Schüler und Schülerinnen mit unterschiedlichen Lernständen jeweils differenziert zu fordern und zu fördern. Weniger ist gemeint, die spezifische Emotionalität und Identität, einer Schülerin oder eines Schülers, wie sie sich aus der Lebens- und Familiengeschichte entwickeln, in das Lernen einzubeziehen, gegebenenfalls mit externen Experten.

Gleichermaßen ließe sich daran denken, stärker die persönlichen Vorerfahrungen der Lehrkräfte für die Art der Beziehungsgestaltung zu den Schülern und Schülerinnen und für den Schulentwicklungsprozess zu berücksichtigen. Psychologische (und anders basierte) Reflexion in Teams von Lehrern und Lehrerinnen böten Ansätze, Gruppen- und Psychodynamiken in Lerngruppen zu entschlüsseln und dem Begriff der Individualisierung weitere Varianten hinzuzufügen. Weiterlesen „Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden (II)“

Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden

Schule und Beratungssysteme zwischen Selbst- und Fremdbestimmung

Voll die Verantwortung – eingeschränkt die Gestaltungsmöglichkeiten

Die Wirklichkeit der Schule und – weniger im Blick der Öffentlichkeit – der Beratung in und für Schule ist von Widersprüchen gekennzeichnet, die die Betroffenen und Beteiligten sich fragen lassen, ob sie eigenen und fremden Ansprüchen an die Fachlichkeit ihres Tuns genügen können. Und das, wo doch Kommentierungen der regelmäßig auf den Markt der Skandalisierung und politischen Instrumentalisierung geworfenen Untersuchungen (PISA a bis z) Glauben machen, nun solle doch endlich allen Beteiligten klar sein, dass die Reform zu beginnen habe. Schließlich ist mittlerweile im zehnten Jahr der Stillstand konstatiert.

Stattdessen erleben die Praktiker und Praktikerinnen, wie sie mit hohem Einsatz, Fortbildungsengagement etc. an die Grenzen ihrer Möglichkeiten kommen, andererseits aber wachsende Teile der Kinder und Jugendlichen Schule nicht als einen Ort erleben, an dem sie sich entwickeln können. Weiterlesen „Wie modernes Verwaltungshandeln und unverarbeitete Widersprüche Fachlichkeit gefährden“

Begrenzte Lernfähigkeit pädagogischer und sozialer Organisationen

Über die Schwierigkeit, Fachlichkeit und Kommunikation in »modern« rationalen Organisationen zu etablieren

Blickt man nach 15 bis 20 Jahren der Schulerneuerung auf die schulische Beratungslandschaft, muss man feststellen, dass trotz gelegentlichen Ausbaus der schulpsychologischen Dienste, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg und bei zahlenmäßig gutem Ausbaustand in Hamburg, trotz allfälligen Lobs für die immer wieder hervorgehobene »wichtige« Arbeit, mancher Zweifel bleibt, ob Beratung und Schulpsychologie auf einem guten Wege sind. In Niedersachsen wurden erst Stellen geschliffen – und sollen nun wieder neu geschaffen werden. Fraglich bleibt, wann und in welchem Umfang. In Thüringen wurde nach Erfurt viel versprochen, einiges gehalten und inzwischen wieder kassiert. Politik und Verwaltung scheinen unfähig oder nicht willens, die Problemkerne zu erfassen. Das hat Folgen.

Eine gute und verbesserte Personalausstattung ist sicherlich Grundvoraussetzung für Beratung – das ist trivial. Damit aus verbesserter oder guter Personalausstattung neue Möglichkeiten für Adressaten entstehen, bedarf es demokratischer Kommunikation. Die Fachleute gleicher und unterschiedlicher Berufszweige wie auch die Adressaten müssen in ein sach- und fachgerechtes Verhältnis zueinander gebracht werden. Dazu dient »Organisationsentwicklung«. Sie benötigt ein »Leitbild« und es muss durch sie entwickelt werden. Beinhaltet es grundlegende Widersprüche und Mehrdeutigkeiten, kommt es in zentralen Systemen, wie beispielsweise Schule und Jugendhilfe, zu Blockaden und Entwicklungsstörungen. Weiterlesen „Begrenzte Lernfähigkeit pädagogischer und sozialer Organisationen“

Wer sollte Adressat der Schulpsychologie sein?

Schulpsychologie für das Kind oder / und die Schule?

Gelegentlich wird in Kreisen der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen eine Debatte darüber geführt, wie sich denn die Schulpsychologie orientieren solle. Genauer: An wen soll sie sich richten und wie müsste sie konzipiert sein, um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen? Soll sie sich direkt am Schüler und seinen Eltern, am so genannten Einzelfall, orientieren oder soll sie sich am Lehrer, an der Lehrerin und an der Schule orientieren und dort ansetzen, um auf diesem Wege Lehrer und Schüler zu helfen? Wie immer bei Entweder-Oder-Konstellationen, besteht die Gefahr, da zu spalten, wo etwas zusammengehört oder sich etwas ergänzen sollte. Meistens handelt es sich um unterschiedliche Ebenen eines Problems, die es beide verdienen, berücksichtigt zu werden. Weiterlesen „Wer sollte Adressat der Schulpsychologie sein?“

Missbrauchsverhinderung: Standards für Lehrer und Erzieher wichtig

Oder: Wieviel Beziehung braucht Erziehung?

Der Pädagogik-Professor Volker Ladenthin fordert in einem Interview mit der Welt Interview Volker Ladenthin Distanz zwischen Schülern und Lehrern und Erziehern. Erziehung dürfe nicht mit Beziehung verwechselt werden. So richtig, so fragwürdig: Da, so scheint es, ist das Sprachspiel doch ein wenig überfordert, die Verhältnisse klarer zu machen. Denn: Wie soll Erziehung ohne Beziehung möglich sein? Weiterlesen „Missbrauchsverhinderung: Standards für Lehrer und Erzieher wichtig“

Ist die Reformpädagogik kinder- und jugendgefährdend?

Die Reformpädagogik-Diskussion muss aufgenommen werden

Nicht nur die katholische Kirche ist unter Druck geraten. Sondern auch die Reformpädagogik. Das mit der ersteren etwas nicht stimmen konnte, wussten oder ahnten wir seit Jahren. Gehörte aber die Reformpädagogik nicht auf die Seite der Guten? Hoffnung derjenigen, die auf Emanzipation setzten? War Hartmut von Hentig nicht Garant und Leuchtturm einer humanen Grundlage der Pädagogik? Und sprach er nicht auch vielen Psychologinnen und Psychologen aus dem Herzen, die der Überzeugung waren und sind, dass sich Persönlichkeitsentwicklung und andere Ideale einer emanzipatorischen Psychologie sich in einer reformierten Pädagogik umsetzen ließen? Weiterlesen „Ist die Reformpädagogik kinder- und jugendgefährdend?“