Nachdenken über Gesellschaftsblindheit in der Psychologie

Heiner Keupp animierte mich mit seinem Vortrag und Aufsatz »Das verlorene Selbst der Psychologie. Für die Überwindung der Gesellschaftsblindheit« zu einem eigenen Text. Der drohte mir aus den Fugen zu geraten, steht hier nun aber doch bereit, um gelesen zu werden.

Nachdenken über Gesellschaftsblindheit

Bildungsarmut – und wer profitiert?

Gepflegte Atmosphäre im Auditorium der Hafencity-Universiät. Kühler, sachlicher Beton, die Längsseite besitzt eine lange und hohe Glasfront. Weltoffenheit, wie die Architekten sie uns vorführen. Der Blick schweift über die Elbe, zu den Elbbrücken und zu den Hafenanlagen. Die Hafencity, ein am Reißbrett entstandener Stadtteil, mit Bürogebäuden und Wohnungen. Überwiegend im hochpreisigen Segment. Die Wände sind kahl, keine Parolen, keine Aufrufe. Die versammelten Expert’inn’en sprechen ruhig, wie vor einem Konzert. Das Thema: Illusion Chancengleichheit. Wer bleibt im Bildungswesen auf der Strecke?

Es handelt sich um die 8. Konferenz zur sozialen Spaltung in Hamburg. Von der Spaltung bekommen wir hier und bei der Anreise im Stadtteil nur eine Seite mit. Ein Ort der Geldanleger  und der Vermarktung moderner Stadtpolitik. Von der anderen Seite der Spaltung erfahren wir, wenn wir von den dunklen Seiten missratener Schulstrukturpolitik und von den Anstrengungen der Lehrer’inn’en und Helfer von Fördereinrichtungen hören. Und von der Ungeduld gegenüber einem „Weiter so“ der akribischen Datensammlungen, die immer wieder die tiefer reichende Spaltung feststellen, ohne dass politische und schulpolitische Richtungsänderungen folgen. Veranstalter ist die Arbeitsgemeinschaft Soziales Hamburg.
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Essener Tafel – ein Szenario der Verrücktheiten

Die Maßstäbe in der Äußerung von Klagen und Vorwürfen an die Essener Tafel scheinen bar jeden Verstandes zu sein. Sie sind aber ein Beispiel, wie mit Hilfe von Medien und Politiker’inne’n nach monate-, auch jahrelanger Vorurteilsbildung die Schuld bei den ärmsten der Armen festgemacht wird. Tatsächlich wird jedoch eine systematische Bereicherungspolitik der Reichen betrieben. Und die stellen sich nun hin und kritisieren die Armenspeisung, Tafeln genannt.

Erstens. Warum gibt es überhaupt die „Tafeln“? Sie sind das Ergebnis einer gezielten Verarmungspoltik (Kanzler Schröder sinngemäß und voller Stolz: Wir haben den größten Niedriglohnmarkt geschaffen). Sie wird angewendet auf Deutsche und auf Zuwanderer. Sie wird verschleiert: Wir leben gut und gern in diesem Land.

Zweitens. Die Tafeln stehen in Gefahr, in ihrem Wohltätigkeitsdenken und in ihrem bürgerschaftlichen Engagement die Entpolitisierung voranzutreiben. Das ist die Kehrseite der Ehrenamtlichkeit. Sie können leicht die nützlichen Idioten einer Politik der Unterfinanzierung von Sozialstaatlichkeit werden.

Drittens. In ihrer Entpolitisiertheit kann es den wohltätigen Menschen leicht passieren, dass sie nicht die strukturellen Voraussetzungen ihres Handelns sehen und auf die Oberfläche, auf die dargereichten Schuldigen und Lösungen, verfallen: Die Ausländer sind’s und müssen raus.

Viertens. Schafft ein Regelwerk. Wer sich nicht an die Regeln hält, erhält einen Hinweis, wer wiederholt gegen die Regeln verstößt, wird ausgeschlossen. Wenn es gut ist, gibt es eine Belohnung oder ein Fest. So ähnlich machen das nicht wenige Schulen.

Fünftens. Macht euch stark für eine gerechte Sozialpolitik, für Umfairteilung.

Passend dazu

 

Bündnis für humane Bildung im Kultusministerium

Der Vorrang des Pädagogischen bleibt vage

Vor einigen Monaten hatte ich hier einen Link zu einem Aufruf des „Bündnisses für humane Bildung“ gegen den Digitalpakt gesetzt. Inzwischen hat es ein Gespräch des Bündnisses mit dem baden-württembergischen Kultusministerium gegeben. Hier kann man das Ergebnis nachlesen.

Der Verlust des Selbst der Psychologie II

Versuch einer Illustrierung

Die Entwicklung schulischer Inklusion in Hamburg kann zum Teil als Illustrierung des im vorangehenden Beitrag (über Keupp) dargestellten Verlusts des »Selbst der Psychologie«, des Verlusts an Empathie und der Ausbreitung von »Gesellschaftsblindheit« (»soziale Amnesie«)gesehen werden.

Inklusion ist das dominierende Projekt der Politik. Mit ihm sollen alle Gebrechen einer exkludierenden Gesellschaft geheilt werden (siehe auch diesen Beitrag). Unter Verkennung der menschlichen und psychologischen Anforderungen, die ein solches Unternehmen der Zu(sammen)gehörigkeit in Verschiedenheit erfordert, werden Verfahren entwickelt, die mit großem Aufwand Abgrenzungen, Ausgrenzungen und Etikettierungen produzieren, wie man aktuell in der taz lesen kann.

Beratung ist vor und nach dem Test

Angehörige von Abteilungen, die das Wort „Beratung“ in ihrer Bezeichnung führen, sind wesentlich damit beschäftigt, begutachtend, steuernd und kontrollierend tätig zu sein. Sie stellen den Förderbedarf so genannter „Inklusionskinder“ fest. Beratung wird hier offensichtlich als Verarbeitung dessen verstanden, was vor oder nach der Testdiagnostik stattfindet. Was bleibt, ist, dass „Beratung“ über den Test, eine kommende oder gewesene Prüfung definiert ist. Mit dieser Art der Feststellungsdiagnostik sind wir wieder in der Etikettierungsmaschinerie der 60 er und 70 er Jahre des vergangenen Jahrhunderts angekommen. (Bei angehenden Lehrer’inne’n geht man übrigens — zurecht — davon aus, dass eine Eignung für ein Lehramt testdiagnostisch nicht zu vertreten ist. So die Empfehlungen der Expertenkommission zur Reform der Lehrerbildung).
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»Das erschöpfte Selbst der Psychologie«

Psycholog’inn’en in der Ohnmachtsfalle?

Kürzlich war in Hamburg eine Vorlesung von Heiner Keupp zu hören. Das erschöpfte Selbst der Psychologie. Für die Überwindung ihrer Gesellschaftsblindheit«, war sein Thema. Ich war verblüfft, als ich eine Woche zuvor eine Einladung erhielt. Wie aus der Zeit gefallen wirkte es, von so einer Veranstaltung an einer Uni zu hören. (Hier ein ähnlicher Text von Heiner Keupp, hinzugefügt am 29.1.2018)

Heiner Keupp berichtete über die Entwicklung der Psychologie in den letzten 30, 40 Jahren. Über den Aufbau einer Gemeindepsychiatrie in Hamburg, den er mitbetrieb, über ähnliche Initiativen in anderen Städten, zum Beispiel München, wo Heiner Keupp lange Jahre als Professor arbeitete. Er blickte auf ein Werk zurück, das Spuren hinterlassen habe. Tatsächlich gibt es die Irrenhäuser von „damals“ nicht mehr; stattdessen gibt es ein komplexes System gemeindenaher sozialpsychiatrischer Hilfen.  (Hier seine Standpunkte zur Entwicklung der Sozialpsychiatrie)

Seine Bemühungen und die vieler Gleichgesinnter galten einer Humanisierung der „Welt“. Sie wollten Beiträge zu mehr Selbstbestimmung der Menschen leisten. Diese brachten in der Patientenbewegung ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse ein, nicht selten zur Irritation der Professionellen.

Aber irgendwann riss der Faden des emanzipatorisch gemeinten Projekts

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Mit Kilos gegen Unruhe

Eine Vorbemerkung: Ich hatte mir einige Notizen (nächster Absatz) zum Bericht im Hamburger Abendblatt über die Praxis einer Beruhigung von Kindern durch Sandwesten gemacht, hatte aber anderes zu tun als zu schreiben. Inzwischen ist ein taz-Artikel erschienen, der das Thema vertieft, unter anderem mit einer Wortmeldung von Michael Schulte-Markwort, Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Eppendorf. Meinen Zwischenruf bringe ich hier, wie ich ihn ursprünglich geplant hatte. Eine Frage doch noch: Gibt es Anmerkungen aus dem Kreis der Schulpsycholog’inn’en und ReBBz zum Sandwestenthema, oder aus dem einen oder anderen Berufsverband?

Ein Artikel im Hamburger Abendblatt vom 6.12.2017 berichtete über eine Praxis, die es wohl schon länger gibt. Unruhige Schüler bekommen in einigen Schulen (mit Wissen der Schulbehörde) kiloschwere (1 bis 5 Kilo) Sandwesten angeboten. Sie sollen die Kinder zur Ruhe bringen, sie simulierten das beruhigende Handauflegen. Hm. Die Sandwesten ersetzen das Handlauflegen? Macht das nicht doch einen Unterschied? Man kann das auch für einen (weiteren) Rückzug der Pädagogik aus Bindung und Beziehung halten. Zumindest besteht unter den Bedingungen einer kontinuierlichen Politik der Rationalisierung von Schule die Gefahr, dass diese Hilfsmittel als Sparmaßnahme missbraucht werden — auch wenn die einzelne Lehrerin, der einzelne Lehrer das nicht will.
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Einige Anmerkungen zu einer schulpsychologischen Zeitschrift

Die Sektion Schulpsychologie im Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen gibt eine Zeitschrift »Praxis Schulpsychologie« heraus. Aufmachung und Inhalte lassen einen ins Grübeln kommen, wer da mit einem „spricht“ und wozu.

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