Der Verlust des Selbst der Psychologie II

Versuch einer Illustrierung

Die Entwicklung schulischer Inklusion in Hamburg kann zum Teil als Illustrierung des im vorangehenden Beitrag (über Keupp) dargestellten Verlusts des »Selbst der Psychologie«, des Verlusts an Empathie und der Ausbreitung von »Gesellschaftsblindheit« (»soziale Amnesie«)gesehen werden.

Inklusion ist das dominierende Projekt der Politik. Mit ihm sollen alle Gebrechen einer exkludierenden Gesellschaft geheilt werden (siehe auch diesen Beitrag). Unter Verkennung der menschlichen und psychologischen Anforderungen, die ein solches Unternehmen der Zu(sammen)gehörigkeit in Verschiedenheit erfordert, werden Verfahren entwickelt, die mit großem Aufwand Abgrenzungen, Ausgrenzungen und Etikettierungen produzieren, wie man aktuell in der taz lesen kann.

Beratung ist vor und nach dem Test

Angehörige von Abteilungen, die das Wort „Beratung“ in ihrer Bezeichnung führen, sind wesentlich damit beschäftigt, begutachtend, steuernd und kontrollierend tätig zu sein. Sie stellen den Förderbedarf so genannter „Inklusionskinder“ fest. Beratung wird hier offensichtlich als Verarbeitung dessen verstanden, was vor oder nach der Testdiagnostik stattfindet. Was bleibt, ist, dass „Beratung“ über den Test, eine kommende oder gewesene Prüfung definiert ist. Mit dieser Art der Feststellungsdiagnostik sind wir wieder in der Etikettierungsmaschinerie der 60 er und 70 er Jahre des vergangenen Jahrhunderts angekommen. (Bei angehenden Lehrer’inne’n geht man übrigens — zurecht — davon aus, dass eine Eignung für ein Lehramt testdiagnostisch nicht zu vertreten ist. So die Empfehlungen der Expertenkommission zur Reform der Lehrerbildung).
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Einige Anmerkungen zu einer schulpsychologischen Zeitschrift

Die Sektion Schulpsychologie im Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen gibt eine Zeitschrift »Praxis Schulpsychologie« heraus. Aufmachung und Inhalte lassen einen ins Grübeln kommen, wer da mit einem „spricht“ und wozu.

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Die Inklusionslüge

Buchbesprechung. Uwe Becker. Die Inklusionslüge, transcript-verlag, Bielefeld 2016

Inklusion ist seit einigen Jahren das Thema, das Schulen, Lehrer/innen und Eltern auf Trab hält. Aber auch Schulverwaltungen und Kommunen. Gestartet wurde „die“ Inklusion mit Euphorie und einem moralischen Überschuss, der bis heute anhält. Gleichwohl macht sich Desillusionierung breit, wenn um Förderstunden gefeilscht wird, die Personalausstattung immer wieder knapp ist. Derweil wollen uns Schulverwaltungen und Ministerien glauben machen, dass eben diese Rechen- (und Kürzungs) Kunststücke Inklusion seien. Während es in Schule diejenigen gab und gibt, die in Inklusion den Schlüssel zum Aufbau einer humanen Schule sahen, sahen sich in den Verwaltungen die Meister und Ingenieure der Effizienz- und Kürzungspolitik auf den Plan gerufen.

Inklusion als Teil des gesellschaftlichen Kältestroms

Politik erweckte den Eindruck , mit der Inklusion breche nun eine neue Epoche der Gültigkeit von Menschenrechten, der Demokratie und sozialer Geborgenheit an. Lehrer/innen, Eltern und Schulverwaltungen versinken derweil im Streit um Stunden, erleben Vermessungsmarathons und Überforderungen. Schulberater und Schulpsychologen wurden eingesetzt, um Förderbedarfe zu messen, damit es gerecht zugehen möge. Dass ein solidarisch(er)es Zusammenleben mit Haltungen, Kritik und Selbstkritik, mit Reflexion der Rahmenbedingungen unserer sozialen Existenz zusammenhängt, spielt in der neoliberalen Inklusionspraxis keine Rolle. Die so genannte Inklusion ist durch und durch ein Instrument der fortschreitenden sozialen Kälte.

Das legt das ausgezeichnete Buch von Uwe Becker dar. Er fragt nach, wie es sein kann, dass Inklusion so unberührt vom allgemein gesellschaftlichen Leben mit all seinen exkludierenden Geschehnissen sein kann.

»Die Debatte um Inklusion ist politisch sehr willkommen, denn sie bietet der Politik die Möglichkeit, bestehende Ausgrenzungsdynamiken gesellschaftlicher Realität auszublenden«.

Was in der Gesellschaft und in Schule inzwischen weitgehend ungelegen und störend geworden ist, ruft Becker in seinem Verständnis der Inklusion in Erinnerung: es geht um den  Zusammenschluss von Vielfalt und nicht um den Einschluss in Bestehendes. Bedingungen dafür herzustellen, hieße aber gerade Freiräume zu schaffen, »nach eigener Maßgabe ohne Zugriff eines normierenden Fremdzwangs«.

Hilfreich an dem Buch ist unter anderem, dass Uwe Becker den Finger in die Wunden der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften legt. Sie allein schon machen auch dem Laien deutlich: Betroffene, Träger, Personal sollen ja keine Ansprüche stellen. Das mit viel heißer Luft auf die Fahrt gebrachte Schiffchen „Inklusion“, zerschellt an den Felsen der Funktionslogik unseres Wirtschaftssystems. Schuldenbremse, so genannte Sparpolitik, Arbeitsmarkt.

Das ist ein Vorzug des Buches: Der Autor streift durch die ganze Gesellschaft und tischt uns die Exklusionen des Inklusionszeitalters auf.

Dieses Buch wirft, wenn man es gelesen hat, Fragen auf: Warum spielen diese Themen bei so wenigen Lehrer/inne/n, bei Leuten, die in der Schulberatung tätig sind, kaum eine Rolle? GEW und Berufsverbände könnten sich an ihnen entlang arbeiten und schließlich dem Normierungszwang etwas entgegensetzen. Stimmt. Das könnte eine Politisierung nach ziehen. Wer will das schon? Keine Zeit? Übrigens: Die Programme für Aufrüstung und Rüstungsexporte laufen wie geschmiert! Geht doch.

Digitalisierung der Schulen – eine Gehirnwäsche

Die allseits propagierte Digitalisierung des Lernens und Lehrens wird Schaden anrichten, sagen Pädagogen, Ärzte, Psychologen und Ralf Lankau, Professor für Mediengestaltung und Medientheorie an der Hochschule Offenburg. Wem die Gesundheit und Entwicklung der Kinder und die Zukunft der Gesellschaft wichtig sind, kommt an den Einwänden nicht vorbei

Alternativen

Um Informationstechnik in Schulen einsetzen zu können, ist eine ganz andere Philosophie nötig: Datensparsamkeit und Dezentralisierung mittels lokaler Netze, lokale Server, verschlüsselte Datenübertragung zwischen kooperierenden Schulen, Hacker-Projekte und Workshops für Medienprojekte statt Learning Analytics. Wir sollten Lernsoftware eher wie Schulbücher oder andere Lehrmittel einsetzen. Wer will, kann damit lernen und üben. Aber niemand kontrolliert und protokolliert, wer welche Bücher wie lange liest.

Wir brauchen zweitens eine eigene technische Infrastruktur, um keine US-Dienste nutzen zu müssen. Das heißt konkret: Schulen vom Netz, bis wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Und auch danach sollten wir die Rechner so konfigurieren, dass an den Schulen nur dort mit ihnen gearbeitet werden kann, wo es fachlich und didaktisch sinnvoll ist – aber eben offline, mit lokal installierter Software, ohne Netzanbindung. Dann funktionieren zwar die Geschäftsmodelle der Lehrmittelanbieter nicht mehr, aber das ist nicht mein Problem als Pädagoge.

Hier zum Interview mit Ralf Lankau

Wir wär’s mit einem Aufbruch?

Liebe Leute, jung und alt

Könntet ihr mal prüfen, ob dieser Satz nicht etwas hergeben könnte für den Inhalt der Arbeit in Erziehung, Psychologie und Beratung? Fangt doch mal an:

„Das Ziel ist die Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozess die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten.“

Und weiter heißt es im Text der Freitag-Community:

Keinem Sozialdemokraten, der noch eine politische Karriere anstrebt, würden heutzutage diese Worte über die Lippen kommen. Werden sich die Leute ihrer sozialen Existenz bewusst, geht ihre Stimme nicht an die SPD. Die Genossen wissen das.

Ach ja. Von wem war das Zitat noch? Willy Brandt, Regierungserklärung 1969

»Sparen bloß nicht«

Dämmert es bald den Sparfüchsen und schwäbischen Hausfrauen?

Was vielen jenseits der Leit- und Qualitätsmedien schon länger bekannt ist, ist zurzeit und seit Kurzem in eben diesen nachzulesen. Der Staat ist kein Haushalt, der mit einem Konzept der sparenden Hausfrau zu führen ist. Wer sich damit befassen will, kann dieses beispielsweise auf nachdenkseiten.de tun. Einigen Teilen der Wirtschaft und der Medien wird vielleicht klarer, dass Investitionen (unter anderem) in Bildung eine Zukunftsinvestition ist. Damit ist noch nicht klar, welcher Inhalt und welches Menschenbild durch Bildungsinvestitionen vermittelt werden. Die Auseinandersetzung um Funktionalität und Emanzipation ist mit mehr Investitionen nicht beendet.

Hier zu den Zweifeln an der Sinnhaftigkeit des Sparens

Was uns als kluger Schachzug vorgeführt wird, lohnt sich für Anleger, nicht für Steuerzahler

ÖPP, PPP, Privatisierung öffentlicher Güter also, kommt uns teuer zu stehen. Gemeingut darf nicht verschleudert werden

Eine Initiative für Bildung

versucht sich im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen Gehör zu verschaffen

 

Spielräume der »Machtunterworfenen« im unwirtlichen Gelände der Beratung (II)

Die Zeit für Alternativen ist reif – die Menschen sind am Ende

Was ich im vorangehenden Beitrag geschildert habe, sind Folgen des unternehmerischen Denkens, wie es in Folge der neoliberalen Wende – Derugulierung, Privatisierung, Kürzung, Konkurrenz – zur Doktrin wurde. Damit machte man die Welterklärung und -gestaltung einfach. Alles Handeln und Gestalten geschehe dann effektiv, wenn man es in die Form eines Geschäfts, eines Deals, also einer Ware brachte. Dieses Schmalspurdenken ist nur dann eine Lösung, wenn man die Wirklichkeit ignoriert. Also ist es keine echte Lösung. Auch dann nicht, wenn man versucht, die Wirklichkeit an den Glauben/die Theorie anzupassen. Ich erspare es mir hier, das weiter auszuführen.

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Spielräume der »Machtunterworfenen« im unwirtlichen Gelände der Beratung (I)

Die Lage der Beratung in Hamburg ist seit mehreren Jahren beunruhigend. Weil es mich so beunruhigt, habe das hier noch einmal aufgeschrieben. Im nächsten Beitrag widme ich mich der Frage, ob es Anlass zur Hoffnung gibt, dass die Lage sich bessern könnte. Hoffnung ist da. Wir müssen etwas dazutun und nicht nur Zuschauer/innen sein.

Ein Politiker muss heutzutage den Eindruck vermitteln können, er habe Lage und Laden im Griff. Er oder sie hat es in Vorwahl- und Wahlzeiten so versprochen. Er (oder sie) orientiert sich an den attraktiven und attraktiv gemachten Leitbildern und Führungskonzepten. Einzelpersonen werden idealisiert, ihnen sollen wir uns anvertrauen (gab’s das nicht schon mal – mit wenig überzeugendem Ausgang?). »Wer Leitung bestellt, bekommt sie auch«. Und soll sich hinterher nicht beklagen. So oder so ähnlich die Botschaft des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz.
Einer seiner getreuesten Gefolgsleute ist der Schulsenator Ties Rabe. Damit müssen wir leben. Getreu seinem Führungsverständnis müssen zwei bis drei zentrale schulische Problemfelder bearbeitet und zum Erfolg geführt werden. Sie müssen so durchgearbeitet herauskommen, dass sie dem Versprechen gemäß sind: Alles im Griff.

Ranking ist kein Entwicklungsmotor

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Plädoyer für Rückenstärkung

Vor einiger Zeit meldete sich das „Bündnis für humane Bildung“ zu Wort

Wer seinerzeit unterschrieb erhielt vor ein paar Tagen die nachfolgende Mail. Wer noch nicht unterschrieb hat, sollte überlegen, ob er oder sie es nicht doch nachholen will. Hier die Ermunterungsmail von Herrn Lankau:

=========Beginn der zitierten Mail:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielen Dank, dass Sie den Offenen Brief unseres „Bündnisses für humane Bildung“ an die Kultusministerkonferenz (KMK) „DigitalPakt Schule der Kultusminister: Irrweg der Bildungspolitik“ unterschrieben haben. Der Brief an die KMK wurde am 28.06.2017 verschickt. Wir werden im Oktober in einer Pressekonferenz in Stuttgart diesen Brief und das Bündnis für humane Bildung vorstellen. Ein Termin bei der Vorsitzenden der KMK, Frau Ministerin Dr. Eisenmann, ist angefragt.

Für diese anstehenden Termine wäre es gut, weitere Unterschriften zu den bereits knapp 1100 Unterzeichnern dazukommen. Wir freuen uns, wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis von der Initiative berichten und dafür werben.

Auf Grund der positiven Resonanz unseres Bündnisses bei Fachkollegen, Lehrern und Eltern sind wir in der Planung für Plakate, Postkarten und einer Tagung im Herbst 2018. Auf unserer Homepage http://www.aufwach-s-en.de finden Sie ständig aktualisiert neue Artikel, Stellungnahmen und Interviews.

Folgend aufgeführt finden Sie neue Publikationen von Mitgliedern unseres Bündnisses.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Ralf Lankau

» Zur Webseite: aufwach-s-en.de

» Zur Petition: „Irrweg der Bildungspolitik“ unterzeichnen

Bedeutung und Gefährdung der Sinne im digitalen Zeitalter

WEINZIRL J, LUTZKER P, HEUSSER P (2017)

Die Publikation enthält u.a. die Artikel:
KOCH S, HERBERT M, BLECKMANN P:
Leiblichkeit und die Sinne im digitalen Zeitalter:
Gefahren der Überreizung, Verkümmerung und Inkongruenz

TEUCHERT-NOODT, G:
Risiken einer neuroplastischen Anpassung der Wahrnehmung
von Raum und Zeit im Kontext der Medienwirksamkeit

HÜBNER, E:
Medienpädagogik und die Schulung der Wahrnehmung

Kein Mensch lernt digital. Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht.

LANKAU, R (2017b)

Die IT-Industrie hat die Bildung als Geschäftsfeld seit vielen Jahren auf der Agenda. Ralf Lankau entlarvt in diesem Buch die wirtschaftlichen Interessen der IT-Branche und ihrer Lobbyisten. Er beschreibt sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen (Kybernetik, Behaviorismus) wie die technischen Rahmenbedingungen von Netzen und Cloud-Computing, bevor er konkrete Vorschläge für einen reflektierten und verantwortungsvollen Umgang mit Digitaltechnik im Unterricht skizziert.

Im digitalen Hamsterrad. Ein Plädoyer für den gesunden Umgang mit Smartphone & Co, Heidelberg

LEMBKE, G (2016)

Ein Buch voller Augenzwinkern und versteckter Spiegel, die das persönliche Digitalnutzungsverhalten auf den Punkt bringen. Das perfekte Geschenk für alle, die das digitale Hamsterrad nervt und wieder freier und glücklicher werden möchten. Das Digitale hat längst das Soziale verdrängt. Handlungsempfehlungen unterstützen Sie in einem verantwortungsvollen Umgang mit Digital & Co – für ein selbstbestimmtes und glückliches Leben – beruflich und privat.

Sie erhalten diese Informationen von:
Projekt „aufwach(s)en mit digitalen Medien.
Bündnis für humane Bildung.“
Prof. Dr. phil. Ralf Lankau
luisenstr. 10 | 77654 offenburg
Tel.: 0781 – 9485 070
eMail: info@aufwach-s-en.de
URL: futur-iii.de | lankau.de | bildung-wissen.eu

==============Ende der Mail vom Bündnis für humane Bildung