Konkurrenz als subtile Herrschaftstechnik
Über Schwierigkeiten und Notwendigkeiten des Protets spricht der Soziologe Tilman Reitz in einem Interview mit Studis online.
Über Schwierigkeiten und Notwendigkeiten des Protets spricht der Soziologe Tilman Reitz in einem Interview mit Studis online.
Ein Prinzip, das jede demokratisch gesinnte und am Rechtsstaat interessierte Person kritisieren dürfte. Wenn wir sehen konnten, wie amerikanische Polizisten Schwarze „vorsorglich“ auf Verdacht erschossen, war das Kopfschütteln groß. Wir sehen darin aber auch die Blaupause für Machtpolitik auf der internationalen Ebene — und für die Formierung der Gesellschaft nach innen: Achtung! Der/die Starke macht, was er/sie will. Hier macht das Gendern einmal Sinn, denn so wird einem klar, dass Frauen heftig an der Erosion guter Sitten beteiligt sein können. Weiterlesen „Wie „unsere“ Politiker Frieden und Verständigung behindern“
Debatten über die Ausgestaltung unserer Gesellschaft führen nicht selten zu Pattsituationen. Die politischen Gegner verhaken sich in ihren Argumenten, die eisern mit ihren grundsätzlichen Positionen verknotet scheinen. Die „Einheitsschule“ und die „Elitenschule“ schimmern bei schulischen Debatten rasch hervor. Unausgesprochen werden exemplarisch Debatten geführt, die in die große Abteilung des Streits um Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein, um Herrschaft und Unterwerfung, um Teilhabe und Nichtteilhabe, um Chancen und Chancenlosigkeit, um Gleichheit und Ungleichheit geführt werden. Jenseits des Lagerstreits scheint es keine Bewegung geben zu können. Wobei man doch meinen könnte, dass es eine Mehrheit geben sollte, die von der Schule für alle profitieren können sollte. Weiterlesen „Wenn Widersprüche unangesprochen bleiben, leiden Denken und Fortschritt“
Heiner Keupp animierte mich mit seinem Vortrag und Aufsatz »Das verlorene Selbst der Psychologie. Für die Überwindung der Gesellschaftsblindheit« zu einem eigenen Text. Der drohte mir aus den Fugen zu geraten, steht hier nun aber doch bereit, um gelesen zu werden.
Die Maßstäbe in der Äußerung von Klagen und Vorwürfen an die Essener Tafel scheinen bar jeden Verstandes zu sein. Sie sind aber ein Beispiel, wie mit Hilfe von Medien und Politiker’inne’n nach monate-, auch jahrelanger Vorurteilsbildung die Schuld bei den ärmsten der Armen festgemacht wird. Tatsächlich wird jedoch eine systematische Bereicherungspolitik der Reichen betrieben. Und die stellen sich nun hin und kritisieren die Armenspeisung, Tafeln genannt.
Erstens. Warum gibt es überhaupt die „Tafeln“? Sie sind das Ergebnis einer gezielten Verarmungspoltik (Kanzler Schröder sinngemäß und voller Stolz: Wir haben den größten Niedriglohnmarkt geschaffen). Sie wird angewendet auf Deutsche und auf Zuwanderer. Sie wird verschleiert: Wir leben gut und gern in diesem Land.
Zweitens. Die Tafeln stehen in Gefahr, in ihrem Wohltätigkeitsdenken und in ihrem bürgerschaftlichen Engagement die Entpolitisierung voranzutreiben. Das ist die Kehrseite der Ehrenamtlichkeit. Sie können leicht die nützlichen Idioten einer Politik der Unterfinanzierung von Sozialstaatlichkeit werden.
Drittens. In ihrer Entpolitisiertheit kann es den wohltätigen Menschen leicht passieren, dass sie nicht die strukturellen Voraussetzungen ihres Handelns sehen und auf die Oberfläche, auf die dargereichten Schuldigen und Lösungen, verfallen: Die Ausländer sind’s und müssen raus.
Viertens. Schafft ein Regelwerk. Wer sich nicht an die Regeln hält, erhält einen Hinweis, wer wiederholt gegen die Regeln verstößt, wird ausgeschlossen. Wenn es gut ist, gibt es eine Belohnung oder ein Fest. So ähnlich machen das nicht wenige Schulen.
Fünftens. Macht euch stark für eine gerechte Sozialpolitik, für Umfairteilung.
Hier geht es zum Artikel und zum Südwind-Magazin
Wer jünger ist als 50 könne mit dem Begriff „Berufsverbote“ heute wohl nichts mehr anfangen, heißt es in einem Bericht des Deutschlandfunks. Und wenn jemand eine Vermutung dazu äußert, wird der Tatbestand der DDR zugeordnet. Nein, nein. Dieser Tatbestand war reinste BRD-Wirklichkeit, Deutschland-West. Dass dieser schwere Eingriff in die Leben Tausender von Menschen mit Breitenwirkung auf noch viel mehr Menschen heute in Vergessenheit geraten ist, zeugt von der Wirksamkeit einer Politik der Ruhigstellung und Ablenkung. Heute braucht es dafür, kritisches Denken wirkungslos zu machen, keine Gesetze, die in Funktion und Duktus an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern, mehr.
Gelenkte Demokratie, Herstellung prekärer Arbeitsverhältnisse, freundliche Erinnerungen an das, was der Karriere und dem Aufstieg dienlich ist, sorgen für Stille. Sicherlich sind auch ein Maß an „freiwilliger“ Selbstbescheidung, an Glückssuche im Konsum, veränderten psychischen Dispositionen — erworben im lehrenden Leben — von Bedeutung. Die Realität der Marktkonformität hinterlässt auch in den Köpfen und Herzen ihre Spuren.
Umso erfreulicher, dass es in Niedersachsen eine Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der Berufsverbotepolitik und ihre Folgen gibt, die in nicht allzu fernen Zukunft einen Bericht vorlegen wirde.
Inklusion ist seit einigen Jahren das Thema, das Schulen, Lehrer/innen und Eltern auf Trab hält. Aber auch Schulverwaltungen und Kommunen. Gestartet wurde „die“ Inklusion mit Euphorie und einem moralischen Überschuss, der bis heute anhält. Gleichwohl macht sich Desillusionierung breit, wenn um Förderstunden gefeilscht wird, die Personalausstattung immer wieder knapp ist. Derweil wollen uns Schulverwaltungen und Ministerien glauben machen, dass eben diese Rechen- (und Kürzungs) Kunststücke Inklusion seien. Während es in Schule diejenigen gab und gibt, die in Inklusion den Schlüssel zum Aufbau einer humanen Schule sahen, sahen sich in den Verwaltungen die Meister und Ingenieure der Effizienz- und Kürzungspolitik auf den Plan gerufen.
Politik erweckte den Eindruck , mit der Inklusion breche nun eine neue Epoche der Gültigkeit von Menschenrechten, der Demokratie und sozialer Geborgenheit an. Lehrer/innen, Eltern und Schulverwaltungen versinken derweil im Streit um Stunden, erleben Vermessungsmarathons und Überforderungen. Schulberater und Schulpsychologen wurden eingesetzt, um Förderbedarfe zu messen, damit es gerecht zugehen möge. Dass ein solidarisch(er)es Zusammenleben mit Haltungen, Kritik und Selbstkritik, mit Reflexion der Rahmenbedingungen unserer sozialen Existenz zusammenhängt, spielt in der neoliberalen Inklusionspraxis keine Rolle. Die so genannte Inklusion ist durch und durch ein Instrument der fortschreitenden sozialen Kälte.
Das legt das ausgezeichnete Buch von Uwe Becker dar. Er fragt nach, wie es sein kann, dass Inklusion so unberührt vom allgemein gesellschaftlichen Leben mit all seinen exkludierenden Geschehnissen sein kann.
Was in der Gesellschaft und in Schule inzwischen weitgehend ungelegen und störend geworden ist, ruft Becker in seinem Verständnis der Inklusion in Erinnerung: es geht um den Zusammenschluss von Vielfalt und nicht um den Einschluss in Bestehendes. Bedingungen dafür herzustellen, hieße aber gerade Freiräume zu schaffen, »nach eigener Maßgabe ohne Zugriff eines normierenden Fremdzwangs«.
Hilfreich an dem Buch ist unter anderem, dass Uwe Becker den Finger in die Wunden der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften legt. Sie allein schon machen auch dem Laien deutlich: Betroffene, Träger, Personal sollen ja keine Ansprüche stellen. Das mit viel heißer Luft auf die Fahrt gebrachte Schiffchen „Inklusion“, zerschellt an den Felsen der Funktionslogik unseres Wirtschaftssystems. Schuldenbremse, so genannte Sparpolitik, Arbeitsmarkt.
Das ist ein Vorzug des Buches: Der Autor streift durch die ganze Gesellschaft und tischt uns die Exklusionen des Inklusionszeitalters auf.
Dieses Buch wirft, wenn man es gelesen hat, Fragen auf: Warum spielen diese Themen bei so wenigen Lehrer/inne/n, bei Leuten, die in der Schulberatung tätig sind, kaum eine Rolle? GEW und Berufsverbände könnten sich an ihnen entlang arbeiten und schließlich dem Normierungszwang etwas entgegensetzen. Stimmt. Das könnte eine Politisierung nach ziehen. Wer will das schon? Keine Zeit? Übrigens: Die Programme für Aufrüstung und Rüstungsexporte laufen wie geschmiert! Geht doch.
Die allseits propagierte Digitalisierung des Lernens und Lehrens wird Schaden anrichten, sagen Pädagogen, Ärzte, Psychologen und Ralf Lankau, Professor für Mediengestaltung und Medientheorie an der Hochschule Offenburg. Wem die Gesundheit und Entwicklung der Kinder und die Zukunft der Gesellschaft wichtig sind, kommt an den Einwänden nicht vorbei
Um Informationstechnik in Schulen einsetzen zu können, ist eine ganz andere Philosophie nötig: Datensparsamkeit und Dezentralisierung mittels lokaler Netze, lokale Server, verschlüsselte Datenübertragung zwischen kooperierenden Schulen, Hacker-Projekte und Workshops für Medienprojekte statt Learning Analytics. Wir sollten Lernsoftware eher wie Schulbücher oder andere Lehrmittel einsetzen. Wer will, kann damit lernen und üben. Aber niemand kontrolliert und protokolliert, wer welche Bücher wie lange liest.
Wir brauchen zweitens eine eigene technische Infrastruktur, um keine US-Dienste nutzen zu müssen. Das heißt konkret: Schulen vom Netz, bis wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Und auch danach sollten wir die Rechner so konfigurieren, dass an den Schulen nur dort mit ihnen gearbeitet werden kann, wo es fachlich und didaktisch sinnvoll ist – aber eben offline, mit lokal installierter Software, ohne Netzanbindung. Dann funktionieren zwar die Geschäftsmodelle der Lehrmittelanbieter nicht mehr, aber das ist nicht mein Problem als Pädagoge.
Hier zum Interview mit Ralf Lankau
Könntet ihr mal prüfen, ob dieser Satz nicht etwas hergeben könnte für den Inhalt der Arbeit in Erziehung, Psychologie und Beratung? Fangt doch mal an:
„Das Ziel ist die Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozess die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten.“
Und weiter heißt es im Text der Freitag-Community:
Keinem Sozialdemokraten, der noch eine politische Karriere anstrebt, würden heutzutage diese Worte über die Lippen kommen. Werden sich die Leute ihrer sozialen Existenz bewusst, geht ihre Stimme nicht an die SPD. Die Genossen wissen das.
Ach ja. Von wem war das Zitat noch? Willy Brandt, Regierungserklärung 1969