Die Sackgasse der Kompetenzorientierung und der Objektivierung

Mit großem Aufwand wird der Schule das Konzept der Wissensvermittlung, des Verstehens von Zusammenhängen, der Vertiefung in Stoffgebiete ausgetrieben. Das hat jüngst noch einmal Konrad Paul Liessmann beschrieben. Wer sich umfassender damit befassen will, wird auf den Seiten der Gesellschaft für Bildung und Wissen fündig.
Ein Aspekt der Kompetenzorientierung ist, dass es ihr weniger um Inhalte und Bedeutungen geht als um Fertigkeiten und Fähigkeiten. Diese werden als Bereitschaften aufgefasst, die unabhängig von Inhalten erworben werden und auf Problem(lösungen) angewendet werden sollen. Die Folgen, teilweise ins Absurde reichend, werden in den erwähnten Quellen beschrieben. So wird von Prüfungsaufgaben in Fachgebieten berichtet, die in ihrer Beschreibung die Lösung mehr oder weniger versteckt enthalten, also kein Wissen mehr brauchen.

Ein anderes Feld der Pädagogik, auf dem ebenfalls die Beschneidung der Wirklichkeit erkennbar zu werden scheint, könnten Förderpläne sein, wie auch Anfragen und Anträge auf Schulbegleitung.
Seitdem ich sie häufiger lesen muss, bekomme ich den Eindruck, sie sollten neutral, jenseits von Beziehung und Emotion geschrieben sein. So als käme Pädagogik ohne sie aus oder würden sie gar stören. Es scheint, als sei das Ziel, sie im Stil einer kalten, objektiven Naturwissenschaftlichkeit zu verfassen. Die Dokumente wirken oft aseptisch und auf besondere Weise unwirklich. Abgesehen davon, dass sie in der Regel in ihrer Allgemeinheit kaum Anhaltspunkte für „nächste Schritte“ und Erkennbarkeit „erfolgreicher Schritte“ bieten, strahlen sie Beziehungs- und Bindungslosigkeit aus.
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Neuro-Irgendwas

Im folgenden Artikel von Ralf Lankau setzt sich der Autor mit den Mythen des Neuro-Irgenwas auseinander, einschließlich sprachwissenschaftlicher und philosophischer Implikationen.

Ist das Messbare in Schulen auch das Relevante? Wie misst man das Vertrauen als Basis von Lernprozessen (Ladenthin) oder das Gefühl der Geborgenheit eines Kindes in einem sozialen Kontext, wie es jede Schule (auch) ist?  Wie misst man den Freiraum zum individuellen, selbstbestimmten Lernen, wenn man alles in exakten Zahlen fixieren will? Glaubt irgendwer, intrinsische Motivation oder Freude am Lernen (ver) messen zu können? 

Der Kampf um die Hirne

Arbeitswelt und Arbeitsorganisation versuchen mehr und mehr Zugriff auf die Hirne und auf die Psyche der Menschen zu bekommen. In der Wissenschaft läuft das unter dem Begriff der Subjektivierung und Ausschöpfung von „Human Ressources“. Manchmal kann man sich nicht des Eindruckes erwehren, dass sie auch in Behörden, Kollegien und Schulklassen Praxis sind. Was als Selbstverwirklichung daherkommt, entpuppt sich nicht selten als Steuerungs- und Manipulationsversuch, der Gewinner, aber eben auch Verlierer produziert.

Human Ressources

Das neoliberale Selbst

RTI – Inklusionsmotor oder „old school“ der Sonderpädagogik?

Seit letztem Jahr drängt das so genannte RTI (Response to intervention) – Konzept an die Fachöffentlichkeit. Professor Christian Huber stellte es beim Landesverband Schulpsychologie NRW vor. Einige Monate später hatte es beim Bundeskongress der Sektion Schulpsychologie in Münster einen prominenten Platz. Und nun berichtet Brigitte Schumann, Bildungsjournalistin und frühere Grünen-Abgeordnete im NRW-Landtag, von einer Vorstellung des Konzepts bei der Grünen-Landtagsfraktion in NRW.

Nimmt man den Inhalt, wie er in der Zeitschrift für Heilpädagogik, 8/2012 dargestellt wurde, handelt es sich um einen sonderpädagogischen Ansatz, der die Inklusion lernschwacher Kinder beflügeln soll. Warum er unter Schulpsychologen so breit vorgestellt wurde – und wie Schulpsychologen über ihn denken –  ist mir nicht klar. 

Brigitte Schumann kritisiert den RTI-Ansatz – und sie stützt sich dabei auf weitere Experten – als Teil der „old school“ der Sonderpädagogik: defizitorientiert, fern davon die Eigenart und Persönlichkeit in Rechnung zu stellen. Das könnte Schulpsychologen aufhorchen und sie fragen lassen, wie sie ihre Rolle im RTI-Konzept sehen, sollte es denn tatsächlich eine zentrale Orientierung für die Schule sein/werden. Eine Frage könnte  sein: Wo bleibt bei allem Messen und flächendeckenden Kontrollieren/Beobachten die „gute Pädagogik“ und das Subjekt?

Überlegungen zur Inklusion

Lange gab es hier nichts Neues zu lesen. Obwohl doch einiges an Lesenswertem in diversen Zeitungen erschien. Ich bastele an einem neuen Artikel. Es gab viel Fußball und einiges andere mehr, womit man sich beschäftigen kann, wenn man seinen Blog nicht gerade auffüllen will.
In der „Welt“ erschienen in den letzten Tagen zwei Artikel, die mir recht gut wiederzugeben scheinen, was bei der Umsetzung der Inklusion viele Lehrer an den Rand der Überforderung bringt.

Artikel 1

Artikel 2

Ich teile nicht alles, was in den Artikeln steht. Was mir aber Fakt zu sein scheint, ist, Weiterlesen „Überlegungen zur Inklusion“

Wachsen die Chancen für eine Pädagogik und für eine Politik der Bildungsgerechtigkeit?

Es ist erstaunlich: In konservativen Zeitungen  sind häufiger zweifelnde Stimmen zu hören. Blätter, die unentwegt der angeblichen Modernisierung der Schule das Wort redeten, indem sie gemeinsam mit herrschender Politik und Wirtschaftsverbänden »Leistung« verlangten, »Wettbewerbsfähigkeit« anmahnten, angebliche »Kuschelpädagogik« verurteilten, Standards und Kontrolle verlangten und der Illusion anhingen, Lernerfolg, Lebens- und Geschäftstüchtigkeit ließen sich messen, lassen nun sanfte Töne anklingen.

Plötzlich liest man in einem Leitartikel des Abendblatts vom 28.1.2013, dass mit den Bachelor- und Masterstudiengängen ein umfassendes Bildungsideal zerstört werde. Und es wird die Frage gestellt: »Was hat die Gesellschaft eigentlich davon, wenn Kinder erst zielorientiert durch die Schulzeit hetzen, um dann ebenso sehr auf das Ergebnis bedacht, in kürzeren, verschulten Studiengängen die Hochschulen zu durchlaufen und mit 22 Jahren als fertige Akademiker auf den Arbeitsmarkt zu drängen – auf diesem Weg aber kaum Lebenserfahrung sammeln und ihre Persönlichkeit ausbilden konnten? Wie verändert es unsere Gesellschaft? Und wollen wir das?« Weiterlesen „Wachsen die Chancen für eine Pädagogik und für eine Politik der Bildungsgerechtigkeit?“

Kompetenzorientierung und Individualisierung – Strategien der Macht?

Sind Kompetenzorientierung und Individualisierung nicht gut und wünschenswert? Sie sind es nicht von vornherein und umstandslos schreibt Andreas Hellgermann. Wird nicht nach ihren Inhalten und Zielen gefragt, erfüllen sie viele Merkmale der Herrschaftsausübung und Fremdbestimmung.

Nicht umsonst, so stellt Ehrenberg fest, ist die Depression das paradigmatische Krankheitsbild der Postmoderne. Wir müssen uns fragen, inwiefern wir in der Schule maßgeblich dazu beitragen, dieses »erschöpfte Selbst« bzw. den Menschentypus, der irgendwann einmal erschöpft sein wird, zu produzieren.

 

Die Homogenisierung der Welt

Was ist gesund und reif – und wer?

Die fünfte Version des DSM – Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders – steht vor ihrer Veröffentlichung. Götz Eisenberg setzt sich kritisch mit dem DSM auseinander, welches nicht nur in der Psychiatrie  Wirkung entfaltet. Vielfach orientieren sich auch Psychologen und andere Beratungsberufe an diesem Konzept. Durchaus zu unrecht und jedenfalls mit problematischen Folgen. Hier ein kurzer Auszug aus seinem Kommentar:

Unter der befriedeten Oberfläche unseres Alltagslebens vollzieht sich ein permanenter Krieg, der umso beschwerlicher ist, als er sich nicht genau bestimmen lässt. In Form von Nervosität, Ärger und Gereiztheit werden wir vom Alltag pausenlos mobilisiert, aber für eine unsichtbare Schlacht und gegen einen Feind, der sich schwer ausmachen lässt. Herrschaft tarnt sich als Technik, Ausbeutung und Unterdrückung verstecken sich hinter Marktgesetzen und Sachzwängen. Wir haben es nicht mit einem einzelnen Gegner zu tun, sondern mit tausend undeutlichen Widrigkeiten, auf die unser Körper ganz von allein reagiert, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Unser Leben ist zugleich unruhig und monoton, wir sind erschöpft und gleichzeitig stößt uns nichts zu. Der Stress ist ein sprachloser Schmerz, der keine Geschichten macht und keine Ideen schenkt. Depressiv wird, hat Sloterdijk einmal gesagt, „wer Gewichte trägt, ohne zu wissen wozu.“

 

Zunahme seelischer Probleme bei Kindern und Erwachsenen

Das wirft die Frage danach auf, wie wir leben, lernen und arbeiten wollen

Kurz vor den Weihnachtstagen berichtete das Hamburger Abendblatt am 20.12.2012 über »die Seelennöte der Hamburger Kinder«. Sie wollen so gar nicht zu Glanz und Glamour einer der reichsten Städte Deutschlands passen.
Das Blatt schrieb über die Studie »Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen: Die WHO-Jugendgesundheitsstudie für Hamburg«. Zum einen weisen die Ergebnisse darauf hin, dass es vielen Kindern in Deutschland nicht gut geht, zum anderen machen sie deutlich, dass es in Hamburg prozentual gesehen mehr Kindern schlecht geht als im Rest der Republik.
Laut Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) hänge das mit bestimmten »Risikokonstellationen« Hamburgs zusammen. »Diese Kinder und Jugendlichen kommen vor allem aus Familien mit niedrigem Einkommen, schlechten Bildungsstand oder Migrationshintergrund« wird eine andere Forscherin zitiert. Weiterlesen „Zunahme seelischer Probleme bei Kindern und Erwachsenen“