Wütest du schon oder brütest du noch?

Über den Zusammenhang von Depression und Aggression und über die Dynamik des Verschweigens

Wieder einmal beschreibt Götz Eisenberg in einem Aufsatz, der den Zusammenhang von Subjekt und Gesellschaft am Beispiel von Katastrophe und Amok plausibel aufzeigt, dass es absolute Sicherheit nicht gibt. Und dass die Sicherheit, die wir haben können, wesentlich durch soziale Sicherheit und Bindung zu schaffen ist und nicht durch technische und bürokratische Kontrolle. Nicht zuletzt ist es eine Frage der Schule, welchen Zielen sie sich verpflichtet. Leistungsdruck, Erfolgszwang und Wettbewerbsorientierung tragen perspektivisch die Verachtung desjenigen in sich, der versagt. So gut es geht, mag er oder sie sich an den leuchtenden Zielen ausrichten. Was aber, wenn es nicht gut geht? Leicht können wir es dann mit mehr oder weniger versteckten Formen der Depression oder Aggression zu tun bekommen.

Diese Gesellschaft setzt nach Katastrophen, wie der gerade erlebten, auf den Ausbau technisch-instrumenteller Sicherheit, auf Überwachungs- und Kontrolltechniken, an denen gewisse Industrien gut verdienen. Dabei böte allein soziale Sicherheit langfristig erheblich mehr Schutz. Soziale Sicherheit ist ein dynamischer Faktor, der im Wesentlichen durch das in einer Gesellschaft herrschende Klima bestimmt wird, das zwischenmenschliche Akzeptanz und Vertrauen erzeugt oder eben eher unterbindet. Der vom Wettbewerbswahn entfesselte Sozialdarwinismus erzeugt eher ein Klima des Misstrauen und der gegenseitigen Verfeindung.

Aber auch in einer freieren, weniger repressiven Gesellschaft werden wir mit gewissen Risiken leben müssen. Wer nach perfekter, lückenloser Sicherheit strebt, kommt darin um.

Die sonderpädagogische Formierung von Inklusion und Beratung

Worüber wir reden, wenn wir von Inklusion und Beratung reden

Ohne die Gründungsgeschichte der Sonderpädagogik und ihr Verhältnis zur allgemeinen Pädagogik sind die gegenwärtige Ausgestaltung der Inklusion und die Perspektiven von Beratung kaum zu verstehen

Ein Blick in die Geschichte ist lehrreich. Was waren die Entstehungsbedingungen für das, was wir heute vorfinden? Manchmal erscheint das Vorgefundene so selbstverständlich und in Stein geschlagen, dass man es sich kaum anders vorstellen kann. Man mag an den tatsächlichen oder vermeintlichen Unsinnigkeiten gegenwärtiger Regelungen und Gewohnheiten verzweifeln. Oder im Unbehagen steckenbleiben. Genaueres Hinschauen kann nicht selten zeigen, dass gegenwärtige Blockaden, Stillstände oder Einseitigkeiten ihre Ursprünge in eingefrorenen Dynamiken der Vergangenheit haben. Sie zu kennen ist noch nicht die Lösung, aber ihre Kenntnis und ihr Verstehen ist Voraussetzung für eine Lösung, für die Auflösung von Erstarrungen. (Da ist schon wieder mal ein Geheimnis der Psychologie entschlüsselt.)

So könnte es mit der Ausgestaltung der Inklusion und der Organisierung von Beratung und schulpsychologischer Beratung gehen. Das gilt für alle Bundesländer. Aber möglicherweise ganz besonders für Hamburg, weil hier von Politik und Behörde geradezu beschwörend immer wieder die Bindung von Beratung und Inklusion aufgerufen wird und gleichzeitig die Sonderpädagogisierung von Beratung und Inklusion stattfindet. Nicht zuletzt an solcher Stelle dürfte sich bemerkbar machen, was Dagmar Hänsel als „Glaubenssatz der Sonderpädagogik, dass die Förderung aller Kinder in ihrer Verschiedenheit zwingend sonderpädagogische Kompetenz erfordert, die wiederum an die sonderpädagogische Ausbildung gebunden wird(.)“ beschreibt.

Man konnte sich ja schon länger fragen, warum die Umsetzung der Inklusion in Deutschland stark mit der Sonderpädagogik verbunden ist, wo doch die Sonderpädagogik nicht unwesentlich für die Sonderschulsystematik stand und steht. Eine andere Herangehensweise ist vorstellbar, aber gleichwohl nicht nahe genug an der Schwelle zur Umsetzbarkeit: Wo es um Persönlichkeit, Einstellungsänderungen, Reflexion, Teamentwicklung etc. geht, könnte man sich durchaus vorstellen, dass Schulpsycholog/inn/en und in prozessorientierter Beratung ausgebildete Experten eine Rolle spielen. So ist es aber nicht gekommen – gerade nicht in Hamburg, wie auf dieser Website schon häufiger nachzulesen war. (Was nicht ausschließt, dass es in Hamburg immer auch Bemühungen gab und gibt, diesen Weg offen zu halten.)

Wenn Inklusion inhaltlich, aufsichtlich, politisch, strukturell sonderpädagogisch geprägt ist, hat das eine Vorgeschichte. Dies zeigt deutlich ein Interview, das Brigitte Schumann bei Bildungsklick mit Dagmar Hänsel führte.

Dagmar Hänsel ist ehemalige Professorin für Schulpädagogik mit den Arbeitsschwerpunkten Grundschule, Theorie und Geschichte der Sonderpädagogik und Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern. Weiterlesen „Die sonderpädagogische Formierung von Inklusion und Beratung“

Freihandelsabkommen für Bildung? Darf das wahr werden?

Alles wird zur Ware, auch Bildung, wenn wir uns nicht zu Wort melden und Denkzettel verteilen

Hier war schon oft davon die Rede, dass die Einfluss- und Steuerinteressen der Wirtschaft mehr und mehr von den Bildungsbehörden übernommen werden. Sie sind eine Gefahr für Bildung, die das Individuum stärkt, seine Erkenntnisfähigkeit voranbringt und seine Urteilskraft unterstützt. Nicht zuletzt leidet auch Beratung unter diesen Vereinnahmungen. Beratung in Schule (wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft) ist davon bedroht, zum Gehilfen eines verkürzten Bildungsverständnisses zu werden; teilweise hat der Prozess der Aushöhlung schon begonnen.

Wenig ist im Bewusstsein von Fachleuten und der Öffentlichkeit, dass das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) der einseitigen Ausrichtung des Lernens an wirtschaftlichen Verwertungsinteressen von Konzernen und der Formung eines marktkonformen Sozialcharakters weiteren Schwung verleihen könnte. Bis hin zu einer Gefährdung der Demokratie. Wer mag, kann sich mit den folgenden Links in das Thema einarbeiten.

Aus der jungenwelt hier und hier, aus dem Tagesspiegel, aus der Zeit, aus einer Artikelsammlung der Süddeutschen, vom Verband für Bildung und Erziehung, von den Netzfrauen.

Wer etwas über den Segen von TTIP erfahren möchte, gebe „ttip bildung“ in seine Suchmaschine ein. Er findet dort eine Reihe von gesponsorten Links.

Für den Widerstand gegen TTIP und seine Anwendung auf Bildung kann es eine Chance sein, wenn die Grünen in Hamburg in eine Koalition mit der SPD einsteigen. Die Grünen hatten sich vor den Wahlen gegen TTIP ausgesprochen. Und brauchen dafür sicherlich viel Rückhalt und Unterstützung aus Schule, Hochschule und Bevölkerung, damit sie nicht schwach werden … Auch das ist ein Grund, sich mit dem Thema zu beschäftigen, mit Freunden, Nachbarn, Kollegen und Politikerinnen ins Gespräch zu kommen.

Extremismus der Mitte

Psychologische und psychische Aspekte des Rechtsextremismus

Fremdenfeindlichkeit, Aggressionsbereitschaft setzen auf „bügerlicher Kälte“ auf. Die Mitte der Gesellschaft ist kein Gütesiegel. In einem lesenswerten Aufsatz setzt sich Götz Eisenberg mit der Innenwelt der PEGIDA uns ihren Sympathisanten auseinander.

Sozial- und Arbeitsmarktpolitik als Schwarze Pädagogik

10 Jahre HARTZ IV – wie  Rotgrün die Republik veränderte

Die schwarze Pädagogik, in der Kindererziehung verpönt, hat Hartz IV also bei erwachsenen Menschen wieder eingeführt. Das Gesetz hat wieder eingeführt, was das Bundesverfassungsgericht abgeschafft hat: Der Betroffene steht in einem besonderen Gewaltverhältnis zum Staat; er ist mehr Untertan als Bürger, er ist Objekt von staatlichem Paternalismus.

Hier der vollständige Kommentar von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung

Über die Verrohung der Gesellschaft in Zusammenhang mit HARTZ IV

schreibt  Christoph Butterwegge ebenfalls in der Süddeutschen

Den Schaden trägt die Gesellschaft

Auf den Nachdenkseiten gab es kürzlich eine Zusammenfassung der Grundlagen der Wirtschafts- und Finanzpolitik

der vergangenen Jahre. Unter anderem verschlechtert sie die Voraussetzungen für Bildung. Das betrifft sowohl die finanzielle Seite (der Anteil der Bildungsausgaben in Deutschland ist nach wie vor im internationalen Vergleich gering)  als auch die Werte und Haltungen im Lernprozess. Der Autor zeigt am Beispiel der „Schuldenbremse“, wie sich mit der Ausrichtung der Politik an den Interessen großer Unternehmen und der Finanzindustrie die Spielräume für Gestaltung durch Politik mehr und mehr verengen. Darunter leidet auch das, was früher einmal unter Bildung – und sei es als ein orientierendes Ideal – verstanden werden konnte.

Dividende et impera

Auf diesen Seiten habe ich ab und an Links mit allgemeinpolitischen HInweisen platziert. Der Grund ist leicht nachzuvollziehen: Schul- und Hochschulpolitik, wie auch Psychologie und Schulpsychologie gedeihen oder verdörren im Kontext großen Politik und nicht zuletzt im Kontext der Wirtschaftspolitik.

Auf den Nachdenkseiten ist eine kurze, kritische Zusammenfassung der Merkel’schen Politik erschienen. Festgestellt wird darin, zusammengefasst, ihr „intellektueller Bankrott“. Ich werde den Verdacht nicht los, dass er sich kaskadenmäßig auch auf die Schulpolitik ergießt. Verknappung der Mittel, auf Dauer gestellte Unterfinanzierung, Konkurrenzgläubigkeit schaden der Gesellschaft und dem, was Schule – könnte sie Ort der Bildung sein? – sein könnte. Wettbewerb, Konkurrenz zwischen Staaten ist Eroberung, Beherrschung, Krieg – vorerst Wirtschaftskrieg. Auch durch Schule, so wie sie organisiert ist, werden Besiegte geschaffen, Ausgegrenzte, die zurückgelassen geweren. Sie können nicht mit Fördermodulen und befristeten Maßnahmen zurückgewonnen werden. Denn die Botschaft ist: Unsere Zuwendung ist konditioniert – eine sehr weitreichende Lehre.

Eine aufklärerische Schule zum gleichen Thema bietet uns Volker Pispers: https://www.youtube.com/watch?v=OpFNlNK8j20

Für Beratung wird es eng …,

… zumindest für diejenigen, die unter Beratung eine prozessorientierte, personennahe, ergebnisoffene, weisungsunabhängige Unterstützung verstehen

Wie hier schon mehrfach beschrieben und beklagt ist der obengenannte Beratungsansatz in der Hamburger schulbezogenen Beratung gefährdet. Konzeptionelle Schwächen, fehlendes Wissen über Nutzen und Rahmenbedingungen prozessorientierter Beratung sowie ein der Diskussion unzugänglicher Rausch der Funktionalisierung sind dafür verantwortlich. Ich beschreibe das noch einmal in dem Aufsatz Subjektorientierte Beratung in der Krise

Darin ist noch nicht berücksichtigt, dass  den Beratungsabteilungen der ReBBz mit einer neuen Dienstanweisung die Bearbeitung der Anträge auf Schulbegleitung zugewiesen wurde. Damit liegen die Gewährung oder Nichtgewährung von Hilfen einerseits und freie, unabhängige Beratung andererseits in einer Institution – beratungstheoretisch ein Unding.

Dabei war (und ist, sofern sie noch respektiert ist) unabhängige, weisungsungebundene Beratung gerade auch bei öffentlichen Trägern (jeder sollte sie sich leisten und Zugang zu ihr haben können) ein Fortschritt und gesellschaftlicher Konsens (vgl. Katharina Gröning). Weiterlesen „Für Beratung wird es eng …,“

Nach wie vor stabilisieren sich die Eliten über Bildung

Gemeinhin wird Bildung als wesentliches Mittel gedacht, dass untere Schichten einen Aufstieg schaffen können

Dieser Weg ist jedoch weitgehend verschlossen. Das zeigt das folgende Interview, das auf den Nachdenkseiten erschien. Es gibt weitere Links, u.a. zu einer Studie, die die Abschließung belegt.